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Frage von Klaus B. •

Frage an Ralf Jäger von Klaus B. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Minister Jäger,

gelten Art 8 GG und § 9 (2) GG noch uneingeschränkt in NRW?

Ich will den Hintergrund erläutern.

Am 1. Mai bin ich dem Aufruf der christlichen Kirchen in Essen gefolgt und habe an der Gegenveranstaltung zu dem Aufmarsch von "Die Rechte" teilgenommen.

Was ich im Laufe dieser Veranstaltung erleben musste, lässt mich daran zweifeln, dass die o.a. Paragrafen des Grundgesetzes noch uneingeschränkt in NRW gelten. Während die rechtsradikale Partei "Die Rechte" unbehindert ihren Aufzug durchführen konnte, wurde die Gegendemonstration in vielerlei Weise behindert. Um nur ein Beispiel zu nennen: Im Vorfeld wurde mitgeteilt, dass die Gegendemonstranten sich ungehindert zwischen den angemeldeten Kundgebungsplätzen bewegen können. Tatsächlich wurden die Teilnehmer der Gegendemonstration über weite Umwege geschickt.

Auch das martialische Auftreten der Polizei in Kampfmontur, Reiterstaffel und Wasserwerfer empfinde ich als unangemessen gegenüber einer Kundgebung die überwiegend aus friedlichen Essener Bürgern bestand.

Besorgt macht mich der Bericht meiner Familie, die sich in der S-Bahn am Hbf Essen plötzlich einer größeren Gruppe von Neonazis gegenübersahen, ohne dass diese von der Polizei begleitet wurden, obwohl ausreichend Einsatzkräfte vor Ort waren.

Dazu passt ein Bericht der "Ruhrbarone", Zitate: "Wieder werden Anwohner und Passanten bepöbelt oder beschimpft und Journalisten in ihrer Arbeit behindert und bedroht. Die Polizei schreitet wieder nicht ein."
"Nazis können den Hitler Gruß zeigen, ohne das die Polizei eingreift. "
http://www.ruhrbarone.de/nazis-spuken-am-1-mai-liveticker/106052

Es entsteht der Eindruck dass Neonazis geschützt und Protest dagegen bedrängt werden soll.

All dies weckt in mir die Befürchtung, dass die o.a. Paragrafen des Grundgesetzes in NRW nur noch eingeschränkt gelten. Ich kann auch nicht erkennen, dass Sie als Minister und die Polizei entschlossen gegen rechtsradikale Umtriebe vorgehen.

Dr. Klaus Blatt

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Sehr geehrter Herr Dr. Blatt,

erlauben Sie mir zu Beginn ein paar allgemeine Hinweise zur polizeilichen Einsatzbewältigung im Zusammenhang mit Versammlungen, bevor ich auf den konkreten Einzelfall eingehe.

Die öffentliche Sicherheit und die Grundrechte der freien Meinungsäußerung sowie der Versammlungsfreiheit sind wesentliche Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaftsordnung. Die Polizei hat die Aufgabe, den Schutz des Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 GG zu gewährleisten.
Soweit die Polizei in Nordrhein-Westfalen zum Schutz von Demonstrationen eingesetzt wird, verhält sie sich auf Grundlage ihrer Leitlinien für den bürgernahen Einsatz. Dabei leistet die Polizei durch zurückhaltenden und kalkulierten Einsatz einen wichtigen Beitrag zur Wahrnehmung des Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit. Gezielte Kommunikation und Deeskalation sowie konsequentes Einschreiten gegen erkannte Straftäter sind die wesentlichen Bausteine unseres Konzeptes. Dazu gehört die strikte Differenzierung zwischen friedlichen Versammlungsteilnehmern und gewaltbereiten Störern.

Vor diesem Hintergrund kann ich Ihnen zum Einsatz der Polizei aus Anlass demonstrativer Aktionen in Essen und Gelsenkirchen am 01.05.2015 auf der Grundlage der Berichterstattung des für den Einsatz zuständigen Polizeipräsidiums Essen nachfolgende Informationen geben.

Für den 01.05.2015 wurde durch die Partei „Die Rechte“ eine versammlungsrechtliche Veranstaltung in Form eines Aufzuges angemeldet. Gründe, die ein Verbot gerechtfertigt hätten, lagen dem Polizeipräsidium Essen als zuständiger Versammlungsbehörde nicht vor. Gegen die versammlungsrechtliche Veranstaltung wurden insgesamt acht Gegenversammlungen angemeldet.
Ziel der Einsatzkonzeption des Polizeipräsidiums Essen war es, die Wahrnehmung der Grundrechtsansprüche der unterschiedlichen Versammlungsanmelder sowie Unbeteiligter in größtmöglichem Umfang zu gewährleisten. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnislage und den bisherigen Einsatzerfahrungen in derartigen Fällen war es nach Beurteilung des einsatzführenden Polizeipräsidiums Essen erforderlich, ein Aufeinandertreffen unterschiedlicher gewaltbereiter Gruppierungen zu verhindern. Bei den durch die polizeilichen Maßnahmen zu verzeichnenden Einschränkungen genießen die Prüfung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit einen hohen Stellenwert. Sie richten sich insbesondere an der zu erwartenden Gefahrenlage aus.

Im Rahmen der Trennung der unterschiedlichen Gruppierungen war es zwangsläufig erforderlich, die jeweiligen Aufzugswege von Meinungsgegnern freizuhalten, um Eskalationen zu vermeiden. Ziel war es dabei, Beeinträchtigungen auf das unvermeidbare Maß zu beschränken. Dieses Konzept wurde durch die eingesetzten Polizeibeamten konsequent umgesetzt. Demzufolge war es unerlässlich, Teilnehmern den Zugang zu anderen Plätzen zu verwehren oder diese unter Inkaufnahme eines Umweges umzuleiten.

Weiterhin ist festzustellen, dass es während des Einsatzes wiederholt zu Übergriffen auf Polizeibeamte seitens des linken Spektrums kam. Wiederholt wurden Einsatzkräfte mit Flaschen und Pyrotechnik beworfen. Mehrfach wurde versucht, polizeiliche Sperren gewaltsam zu überwinden. Zur Unterstützung der an den Sperrstellen eingesetzten Beamten wurde die Reiterstaffel sowie Diensthundführer mit ihren Diensthunden lageangepasst eingesetzt.

In diesem Zusammenhang ist auch festzustellen, dass der Aufzugsweg der Partei „Die Rechte“ im Verlauf durch Gegendemonstranten blockiert wurde. Die Beseitigung der Blockade hätte die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen eine größere Personengruppe erforderlich gemacht. Dies wurde als unverhältnismäßig bewertet. Diese Einschätzung wurde dem Versammlungsleiter dargestellt, der daraufhin die Versammlung für beendet erklärte. Die Teilnehmer reisten ab.

Durch die getroffenen polizeilichen Maßnahmen konnte letztlich ein Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Gruppen verhindert werden. Ich erachte die getroffenen Maßnahmen vor diesem Hintergrund als sachgerecht, verhältnismäßig und nicht zu beanstanden.

Im Zusammenhang mit diesem Einsatz wurden 22 Straf- und 4 Ordnungswidrigkeitenanzeigen durch die Einsatzkräfte gefertigt und den zuständigen Strafverfolgungs- und Ordnungsbehörden zur weiteren Bearbeitung zugeleitet. Festgestellte straf- und ordnungsrechtlich relevante Beobachtungen wurden zur Anzeige gebracht.

Darüber hinaus darf ich Ihnen mitteilen, dass die Maßnahmen am Essener Hauptbahnhof in die Zuständigkeit der Bundespolizei fielen. Maßnahmen der Polizeien anderer Länder oder des Bundes werden durch das Ministerium für Inneres und Kommunales NRW grundsätzlich nicht kommentiert.

Ich darf Ihnen versichern, dass die Landesregierung seit Jahren "Flagge gegen Rechts“ zeigt. Davon zeugen die vielfältigen durchgeführten bzw. geförderten Präventionsmaßnahmen auf der einen Seite, aber auch auf der anderen Seite das konsequente Vorgehen gegen rechtsextremistische Strukturen, wie zum Beispiel die Verbote der Vereinigungen "Kameradschaft Walter Spangenberg", "Nationaler Widerstand Dortmund", "Kameradschaft Aachener Land" und der "Kameradschaft Hamm" im Jahr 2012.
Die Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen wiederum gehen konsequent gegen alle Formen politisch motivierter Straftaten vor und führen auf der Grundlage spezieller Landes- und Bundeskonzepte eine Vielzahl von Präventionsmaßnahmen zur Verhinderung entsprechender Straftaten durch.

Ich würde mich freuen, Ihrem Anliegen entsprochen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Ralf Jäger