Frage an Ralf Jäger von Beate R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Jäger,
in einem Urteil zu den Leistungen für Asylbewerber hat das BVG jüngst die bisher für Asylbewerber gewährten Leistungen als evident unzureichend gerügt.
Der Gesetzgeber hatte selbstvergessen seit 1992 die Leistungen für Asylbewerber nicht mehr an die Inflationsrate angepasst.
Um Wiederholungen auszuschließen, hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber bestimmt künftig ZEITNAH Sozialleistungen an die Preissteigerungsraten anzupassen.
„20 Abs. 1 GG garantiert ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums. Die Höhe entsprechender Leistungen muss der Gesetzgeber festlegen. Sie darf
nicht evident unzureichend sein und muss realitätsgerecht bestimmt werden.“
Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 –
Zu dem Existenzminimum gehört das Wohnen.
Die Kommunen erstellen für Sozialhilfeempfänger sogenannte Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft.
Die Leistungen dürfen nicht evident unzureichend sein.
Und die Angemessenheitsgrenzen sollen die Mietpreisentwicklungen auf einem freien Wohnungsmarkt nachzeichnen.
Sie sind nicht dazu da, diesen zu beeinflussen oder gar maßgeblich zu steuern.
Meine konkrete Frage:
Wenn eine Kommune/ ein Kreis einen neuen Mietspiegel erstellt.
Was bedeutet juristisch zeitnah genau.
Wie lange darf sich eine Kommune mit der Neubestimmung des Existenzminimums Zeit lassen?
Einzelverfahren vor den Sozialgerichten zu Kosten der Unterkunft dauern viele viele Jahre.
Da Sie aus Duisburg sind wissen Sie vielleicht dass das BSG der Stadt Duisburg im Dezember 2011 aufgegeben hat, dass Existenzminimum Wohnen neu zu bestimmen.
Geschehen ist seit damals nur wenig.
Was ist mit dem Begriff zeitnah genau gemeint?
Mit freundlichen Grüßen
Beate Richter
Sehr geehrte Frau Richter,
vielen Dank für Ihre Frage, Minister Jäger hat mich gebeten Ihnen zu antworten.
Zu Ihrer Frage nach der Bestimmung der Angemessenheitsgrenze der Kosten der Unterkunft für Sozialhilfeempfänger kann ich Ihnen nach Beteiligung des für die Anwendung des Sozialgesetzbuches (SGB) zuständigen Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen Folgendes mitteilen:
Das zitierte Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezieht sich auf die Bemessung des "Regelbedarfs" (nicht auf die Kosten der Unterkunft) und gibt dem Bundesgesetzgeber auf, die Regelbedarfe jeweils zeitnah anzupassen.
Für den Begriff der "Angemessenheit von Unterkunftskosten", den jeder Träger der Sozialhilfe für seinen Bereich auslegen muss, sieht das SGB XII keine bestimmten Zeiträume zur Anpassung vor. Es handelt sich bei dem Begriff der "Angemessenheit" um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der im Einzelfall nach den jeweiligen örtlichen Besonderheiten auszulegen ist. Die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs ist durch die Gerichte voll überprüfbar. Der Träger der Sozialhilfe muss im Zweifel belegen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Höhe der angemessenen Unterkunftskosten tatsächlich mietbarer Wohnraum zu dieser Miethöhe auch zur Verfügung steht.
Mit freundlichen Grüßen
i.A. Christiane Kramer
Landtagsbüro: Ralf Jäger