Frage an Ralf Jäger von Michael K. bezüglich Recht
Sehr geehrte Herr Jäger,
ich stelle Ihnen diese Frage als Innenminister des Landes NRW, davon ausgehend, dass Sie dieses Amt auch in der neuen Landesregierung 2012 übernehmen werden bzw. auch im aktuellen Wahlkampf in NRW für die SPD als innenpolitischer Experte fungieren.
Am 20.03. hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Urlaubsstaffelung im TVöD nach Lebensalter eine unzulässige Benachteiligung aufgrund des Alters nach dem AGG darstellt. Die Kommunen beginnen jetzt bereits, den Urlaubsanspruch für ihre Tarifbeschäftigten zu korrigieren.
Selbstverständlich haben Urteile des Bundesarbeitsgerichts keine direkte Auswirkung auf Beamtinnen und Beamte. Aber für mich als Kommunalbeamten ist nicht erkennbar, dass im Beamtenbereich andere sachliche Gründe dafür vorliegen sollen, warum (lebens-)älteren Beamtinnen und Beamten mehr Urlaubsanspruch zustehen sollte als jüngeren.
Darüber hinaus stellt sich für mich die Frage, ob nicht die rein auf das Lebensalter und nicht etwa auf die geleisteten Dienstjahre abstellende Regelarbeitszeit (41 Std., ab 55 40 Std., ab 60 39 Std.) eine unzulässige Altersdiskriminierung mangels sachlichem Grund nach dem AGG darstellt.
Beabsichtigen Sie kurzfristig eine Anpassung der neuen Freistellungs- und Urlaubsverordnung sowie der Arbeitszeitverordnung durchzuführen, mit der im Beamtenbereich diese Altersdiskriminierungen ausgeräumt werden? Oder verweisen Sie auf die grundlegende Beamtenrechtsreform, die in NRW schon viel zu lange (hier liegt die Schuld aus meiner Sicht in großen Teilen auch bei Ihrem Vorgänger Dr. Wolf) auf sich warten lässt?
Letzteres würde mal wieder bedeuten, dass wir Beamtinnen und Beamte unsere Belange vor die Verwaltungsgerichte tragen müssen. Meiner Ansicht nach wäre es ausgesprochen bedauerlich, wenn hier durch die Neuwahl in NRW und die darauf folgende Regierungsbildung die Belange der Beamten wieder auf die lange Bank geschoben werden. Beim LPVG haben Sie gezeigt, dass es schneller geht.
Mfg,
Kessel
Sehr geehrter Herr Kessel,
für Ihre Frage vom 22.03.2012 danke ich Ihnen und möchte Ihnen gerne meine Antwort näher erläutern.
"Das BAG hat mit Urteil vom 20.03.2012 entschieden, dass altersabhängige Urlaubsstaffel nach § 26 des TVöD einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) darstelle. Eine Differenzierung der Urlaubsdauer nach dem Lebensalter benachteilige Beschäftigte, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben unmittelbar und verstoße damit gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters. Die tarifliche Urlaubsstaffelung verfolgt nach Auffassung des BAG nicht das legitime Ziel, einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Menschen Rech-nung zu tragen. Überdies ließe sich ein gesteigertes Erholungsbedürfnis von Beschäftigten bereits ab dem 30. bzw. 40. Lebensjahr auch kaum begründen. Bezogen auf den entschiedenen Einzelfall urteilt das BAG, dass der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot ausschließlich durch eine Anpassung der Urlaubsdauer "nach oben" auf einen Urlaubsanspruch von 30 Tagen beseitigt werden könne.
Die von Ihnen angesprochene Übertragbarkeit des Urteils des BAG auf den Beamtenbereich konnte von der Landesregierung noch nicht beurteilt werden, da die Urteilsbegründung noch nicht vorliegt. Eine erste Einschätzung deutet jedoch darauf hin, dass aufgrund der inhaltsgleichen Urlaubsregelungen das Urteil auch für den Beamtenbereich Folgewirkungen entfalten wird. Insoweit werden jedoch die Gespräche insbesondere mit dem Finanzministerium des Landes abzuwarten sein.
Zu Ihrer weiterführenden Frage, in welchem Zeitraum mit möglichen Änderungen des Beamtenrechts zu rechnen ist, verweise ich auf die kürzlich erfolgte Auflösung des Landtags und die bevorstehenden Neuwahlen. Es wird von der neuen Landtagsmehrheit zu entscheiden sein, wann und wie - außerhalb oder innerhalb einer fälligen Dienstrechtsreform - die von Ihnen angesprochenen Regelungsfragen im Urlaubs- und Arbeitszeitrecht aufgegriffen werden."
Mit freundlichem Gruß
gez. Ralf Jäger