Frage an Ralf Jäger von Daniel K. bezüglich Innere Sicherheit
Guten Tag Herr Jäger,
Ich frage Sie, wie man angesichts der Geschehnisse in Sachsen
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Bericht-Saechsische-Polizei-wertet-massenhaft-Daten-aus-1264926.html
http://www.lawblog.de/index.php/archives/2011/06/19/flchendeckende-bespitzelung/ auf Vorratsdatenspeicherung pochen kann. Diese Beispiele zeigen doch wie schnell Daten missbraucht werden. Im übrigen verweise ich auf die Kriminalstatistik 2010:
"Die Statistik straft auch der Behauptung Lügen, das Internet sei nach dem Ende der Vorratsdatenspeicherung ein „rechtsfreier Raum“ oder Ermittlungen seien kaum noch möglich. Im Jahr 2010 wurden in Nordrhein-Westfalen auch ohne Vorratsdaten fast zwei von drei Internetdelikten aufgeklärt (64,4%). Damit waren im Internet begangene Straftaten auch ohne Vorratsdatenspeicherung deutlich häufiger aufzuklären als außerhalb des Internet begangene Straftaten (49,4%). Auch die Verbreitung von Kinderpornografie wurde nach dem Ende der Vorratsdatenspeicherung deutlich häufiger aufgeklärt (60,8%) als außerhalb des Internet begangene Straftaten."
Quelle: http://www.lawblog.de/index.php/archives/2011/03/21/totalspeicherung-ist-berflssig/
Ich möchte Sie als Parteigenosse bitten, sich nicht auf die Stufe der CDU/CSU zu stellen. Die Abwanderung meiner Partei zu den Thesen konservativer Sicherheitshetzer macht mir keinen Spaß. Und die Zukunft meines Parteibuches stellt sich hier schon in Frage.
Sehr geehrter Herr Klöpper,
für Ihre Frage vom 22.06.2011 danke ich Ihnen und möchte Ihnen gerne meine Position näher erläutern.
Nach meiner Auffassung müssen die Geschehnisse in Sachsen und die Überlegungen, ob die von den Telekommunikationsunternehmen für eigene Zwecke erhobenen und gespeicherten Daten (Abrechnungsdaten und für technische Abläufe benötigte Daten) länger aufzuheben und gegebenenfalls in definierten Fällen den staatlichen Stellen für rechtsstaatliche Zwecke zur Verfügung zu stellen sind, auseinander gehalten werden.
Es gehört nach meiner Auffassung zu den Kernpfeilern des Rechtsstaates, dass bei begangenem Unrecht in Form von Straftaten das Opfer Anspruch auf Gerechtigkeit und Ahndung des Unrechts hat. Dabei soll keine Selbstjustiz geübt werden, sondern die Ahndung ist neutralen staatlichen Stellen übertragen worden. Diese staatlichen Stellen brauchen hierfür entsprechende Möglichkeiten, den Täter zu ermitteln und der Justiz, die wiederum unabhängig über Unrecht und Schuld befindet, zuzuführen. Die Strafverfolgungsbehörden greifen bei der Mindestdatenspeicherung für diesen Zweck auf Informationen der Telekommunikationsunternehmen zurück. Der Umstand, dass diese Informationen durch gesetzliche Bestimmungen länger bei den Unternehmen vorgehalten werden sollen, als diese sie für die eigenen Zwecke brauchen, folgt aus der Tatsache, dass die Aufklärung begangenen Unrechts einer gewissen Zeit bedarf.
Es entspricht aber ebenfalls dem rechtsstaatlichen Prinzip, dass staatliche Stellen nicht alles, was möglich ist, zu jedwedem Zweck nutzen dürfen. Eine transparente und verfassungskonforme Ausgestaltung der Vorgaben, unter welchen Bedingungen staatliche Stellen die Daten der Telekommunikationsunternehmen zur Erfüllung ihrer rechtsstaatlichen Aufgaben verwenden dürfen, bildet hierbei für mich die Richtschnur.
Die mit Bezug auf die Kriminalstatistik NRW 2010 auf der Seite „www.lawblog.de“ eingestellte Interpretation blendet wesentliche andere Aussagen der Kriminalstatistik zu diesem Komplex aus und wirft ein schiefes Licht auf die Kriminalitätslage und die Erforderlichkeit des Rückgriffs auf Verkehrsdaten. Ich möchte nur beispielsweise auf die Ausführungen der Statistik auf Seite 49 zu Verbreitung, Besitz und Verschaffung von Kinderpornografie verweisen, die die Schlussfolgerung aus der von Ihnen zitierten Stelle in „www.lawblog.de“ eindeutig nicht untermauern. Dort wird vielmehr der Rückgang der Aufklärungsquote in diesem Bereich durch die Außerkraftsetzung der Verkehrsdatenspeicherung explizit dargelegt.
Gerade die sächsischen Geschehnisse zeigen dabei, wie wichtig eindeutige und transparente Vorgaben für Behörden, Betroffene, aber auch den Rechtsstaat sind. Dass gesetzliche Vorgaben einzuhalten sind, ist an sich selbstverständlich und bedarf keiner Erörterung. Ob die jeweiligen gesetzlichen Vorgaben im konkreten Fall eingehalten worden sind, vermag ich von hier aus nicht zu beurteilen. Diese Frage ist Gegenstand einer gerichtlichen Kontrolle, der sich die Verantwortlichen stellen müssen. Für die Neuregelung der Mindestdatenspeicherung folgt für mich jedoch daraus, dass eine klare und verfassungskonforme Ausgestaltung der Vorgaben erforderlich ist, unter welchen Bedingungen staatliche Stellen die Daten der Telekommunikationsunternehmen zur Erfüllung ihrer rechtsstaatlichen Aufgaben verwenden dürfen. Hier war die bisherige Regelung zu schwammig.
Mein Ziel ist es, entsprechende gesetzliche Vorgaben für die Nutzung der Verkehrsdaten zu erreichen, die sowohl die berechtigten rechtsstaatlichen Erwartungen der Opfer bzw. gefährdeten Personen als auch den Grundrechtsschutz der Internetnutzer bestmöglich berücksichtigen. Es darf aber auch bei der Debatte um die Ausgestaltung des Datenschutzes nicht aus dem Auge verloren werden, dass es darum geht, erhebliches Leid abzuwenden und den Opfern von Straftaten in einem rechtsstaatlichen Verfahren Gerechtigkeit zu verschaffen und keinesfalls um ein unmotivierten Ausspähen von Bürgern durch staatlichen Stellen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie die voranstehenden Überlegungen und Argumente in Ihre weitere Bewertung einbeziehen würden.