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Frage von Stefan A. •

Wie ist Ihre Position zu ME/CFS und weshalb kommt bisher kaum Hilfe von der EVP für die vielen Erkrankten in Deutschland und Europa?

Die Erkrankung ME/CFS ist nach anerkanntem internationalen Forschungsstand eine häufige schwerwiegende neuroimmunologische Multisystemerkrankung. Die CDU/CSU kämpft gerade im Dt. Bundestag mit sehr hohem Engagement für deutlich mehr Anerkennung, Forschung, Versorgung und Aufklärung bei dieser schon jahrzehntelang existierenden stillen humanitären Katastrophe. Es ist schon seltsam, dass die CDU in Deutschland hier für Menschen mit ME/CFS aus der Opposition heraus kämpft und die EVP als Regierungspartei in der EU tut dagegen so als ob es sie nichts angeht. Sie sind CDU-Mitglied. Was sind die Gründe für die auffällige bisherige Passivität und das Wegschauen der EVP? Was werden Sie persönlich konkret unternehmen, um den vielen betroffenen Menschen mit ME/CFS und deren Angehörigen in Deutschland und Europa in dieser extremen Notlage schnell zu helfen?

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Sehr geehrter Herr A.

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 10. September 2023 zum Thema ME/CFS, auf die ich höflich Bezug nehme und für deren verspätete Beantwortung ich ausdrücklich um Nachsicht bitte. Ich muss zugeben, dass Ihre Frage für mich doch von sehr spezieller Natur ist, da ich mich in der parlamentarischen Arbeit auf ganz anderen Feldern bewege. Dennoch begrüße ich es sehr, dass Sie sich mit einer solchen Frage an mich wenden. Diese Form des direkten Kontakts zu Bürgerinnen und Bürgern ist mir besonders wichtig. 

Im Folgenden möchte ich Ihnen deshalb aufzeigen, welche Schritte auf europäischer Ebene zur Unterstützung von ME/CFS unternommen wurden und wie sich die EVP-Fraktion in dieser Hinsicht positioniert. 

Die Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronische Fatigue-Syndrom gehört leider zu den Krankheiten, die nach wie vor kaum erforscht sind. Um dem entgegenzuwirken, hat das Europäische Parlament bereits am 18. Juni 2020 eine Entschließung verabschiedet, die eine bessere Finanzierung von Forschungsprojekten und eine stärkere soziale Integration von Betroffenen fordert. Aufgrund der Tatsache, dass es für ME/CFS noch keine zugelassene kurative Behandlung, geschweige denn eine Heilungsmöglichkeit gibt, war es für die EVP-Fraktion im Europäischen Parlament ein besonderes Anliegen, diese Resolution zu verabschieden. Es freut mich sehr, dass eine große Mehrheit der Mitglieder des Europäischen Parlaments ihre Unterstützung diesbezüglich ausgedrückt hat und der Text der Resolution mit überwältigender Mehrheit angenommen wurde. 

Den vollständigen Wortlaut der Entschließung zu zusätzlichen Finanzmitteln für die biomedizinische Forschung zu der Krankheit Myalgische Enzephalomyelitis finden Sie unter folgendem Link: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2020-0140_DE.pdf

Das EU-Parlament hat in der Resolution verschiedene Forderungen aufgestellt. Im Folgenden möchte ich Ihnen die wichtigsten Forderungen mit ihren jeweiligen Konsequenzen aufzeigen.

Das Parlament hatte unter anderem die Einrichtung eines EU-weiten Prävalenzregisters für ME/CFS-Fälle verlangt. Wie aus einer Anfrage des Parlaments an die Kommission hervorgeht, wurde bislang zwar noch kein Register eingerichtet, das Ziel der Einführung eines transnationalen Registers besteht jedoch weiterhin. Hierzu müssen zunächst nationale Register geschaffen werden. Als Zwischenlösung wird das bereits existierende „European Network on ME/CFS (EUROMENE)“ genutzt, das laut Kommission die notwendigen Informationen bereitstellen soll. 

Des Weiteren sieht das Parlament eine gestärkte Zusammenarbeit sowie einen regelmäßigen Datenaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten als wichtige Bausteine, um die Krankheit ME/CFS erfolgreich zu bekämpfen. Zu den Zielen des von der Kommission vorgelegten Gesundheitsprogramms „EU4Health“ gehören deshalb auch die Stärkung der Gesundheitssysteme durch eine verstärkte integrierte und koordinierte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sowie die nachhaltige Umsetzung bereits bewährter Verfahren. Sowohl eine intensivere Forschung über ME/CFS als auch ein besseres klinisches Management der Krankheit sind im Programm der Kommission enthalten. Im Rahmen des „EU4Health“-Programms hat die Kommission außerdem ein Expertennetzwerk für Long-Covid aufgesetzt (NELC) und plant zusätzlich die Einrichtung eines Stakeholdernetzwerks mit Vertretern von Patientenorganisationen sowie Repräsentationen des Gesundheitssektors.

Das zentrale Problem, auf das das EU-Parlament mit seiner Resolution reagiert hat, war die Finanzierungsknappheit von Forschungsprojekten, die ME/CFS betreffen. Auch dieser Aspekt wurde neben vielen weiteren Themen von der Kommission berücksichtigt. So konnte die EU-Kommission seit Beginn der Covid-19-Pandemie schon erhebliche Ressourcen bereitstellen – insgesamt 110 Millionen Euro für Ursachenforschung im Bereich Long-Covid. 

Für 2023-2024 sind zudem 30 Millionen Euro aus EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont Europa“ für Basisforschung über den Zusammenhang von Infektionen und nicht übertagbaren Erkrankungen vorgesehen, was insbesondere auch für Long-Covid-Patienten relevant ist. Um die Ursachen von ME/CFS besser zu verstehen, die Diagnostik zu verbessern und insbesondere die Behandlung der Krankheit zu verbessern und stärker an den Bedürfnissen der Patienten auszurichten, sollen im Bereich ME/CFS tätige Wissenschaftler im Rahmen des Programms vermehrt Unterstützung für ihre Forschung erhalten. Die Dienststellen der Kommission arbeiten derzeit eng mit den Mitgliedstaaten zusammen, um im Rahmen des ersten Arbeitsprogramms von „Horizont Europa“ speziell Krankheiten wie ME/CFS in den Fokus zu rücken, die bislang bedauerlicherweise noch zu wenig erforscht sind. Für diesen Bereich noch unzureichend erforschter Krankheiten sind insgesamt 20 Millionen Euro vorgesehen.

Ganz konkret fördert die EU schon jetzt ein Forschungsprojekt über die langfristigen Folgen einer Covid-19-Erkrankung, welches vom Universitätsklinikum in Helsinki geleitet wird. Weitere Länder wie Deutschland, Estland, Italien oder die Niederlande sind an der Forschung beteiligt. Das Projekt beschäftigt sich mit der Erforschung der Faktoren und Mechanismen, die für die Entwicklung des Long-Covid-Syndroms verantwortlich sind. Unter folgendem Link können Sie weitere Informationen zum Förderprojekt entnehmen: https://www.hus.fi/en/newsroom/significant-eu-funding-hus-helsinki-university-hospital-led-research-project-long-term

Auf parlamentarischer Seite haben wir uns als CDU/CSU-Abgeordnete außerdem dafür stark gemacht, einen Sonderausschuss zu den Erkenntnissen aus der COVID-19-Pandemie und Empfehlungen für die Zukunft (kurz COVI) einzusetzen. Im Rahmen der 17-monatigen Tätigkeit des COVI-Ausschusses wurde die Krisenreaktionsfähigkeit der EU bewertet und in Form eines Abschlussberichtes wesentliche Empfehlungen zur weiteren Aufarbeitung der Pandemie und deren langfristiger Folgen ausgesprochen.  

In der entsprechenden vom Plenum des Europäischen Parlaments am 12. Juli 2023 verabschiedeten Entschließung zur Covid-19-Pandemie unterstreichen wir insbesondere die Relevanz staatenübergreifender Forschung und europaweiter Datenerhebung zu Long-Covid.

Wir fordern zusätzliche Investitionen in Forschung zu Ursachen, Diagnosen, Häufigkeit und Behandlung von Long-Covid und anderer postakuter Infektionssyndrome (PAIS). Als CDU/CSU-Gruppe steht für uns fest, dass die Ausarbeitung einer einheitlichen Definition von PAIS und von ME/CFS sowie ein koordiniertes Überwachungssystem zur europaweiten Datenerhebung unabdingbar sind, um Betroffene langfristig und nachhaltig zu unterstützen. 

Zusätzlich fordern wir weitere spezialisierte medizinische Versorgungszentren und rufen die Mitgliedssaaten zu mehr Unterstützung für Betroffene von Long-Covid bei Arbeitsunfähigkeit und dem Zugang zu Sozialhilfe auf. Dabei wollen wir ein größeres Bewusstsein in der Öffentlichkeit für die Belange von Long-Covid-Patienten schaffen und die Weiterbildung entsprechender Fachkräfte im Gesundheitswesen fördern. 

Unter folgendem Link können Sie den genauen Wortlaut der parlamentarischen Entschließung nachlesen: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2023-0282_DE.html.  

Wie Sie sehen, hat das Europäische Parlament die Europäische Kommission bereits in umfangreichem Maße aufgefordert, in diesem Bereich aktiver zu werden. 

Die EVP-Fraktion im Europäischen Parlament wird den weiteren Fortschritt der bislang getroffenen Maßnahmen aufmerksam begleiten und sich dafür einsetzen, dass die in den Entschließungen erhobenen Forderungen schnellstmöglich umgesetzt werden. Auch wenn die aktuelle Situation im Umgang mit ME/CFS bedauerlicherweise noch keine zufriedenstellende Schlussfolgerung zulässt, stimmen mich die bislang erzielten Fortschritte in den Bereichen Forschung und Sensibilisierung sowie die bereitgestellten finanziellen Mittel optimistisch. 

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Ausführungen behilflich sein konnte und danke Ihnen nochmals für Ihre Zuschrift zu diesem wichtigen Thema. 

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Wieland