Frage an Rainer Schünemann von Christian I. bezüglich Kultur
Im Dezember 2007 hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf verabschiedet, der vorsieht, Computer- und Videospiele mit "besonders gewalthaltigen Szenen" automatisch zu verbieten. Das Gesetz soll vom Bundestag bis zum Sommer 2008 verabschiedet werden.
Wie stehen Sie zu diesem Thema, sind sie auch der Meinung das die Jungenkriminalität durch Computerspiele erzeugt wird und verschliessen Sie dadurch auch Ihre Augen davor, dass dieses Problem vielleicht aus Frust und Armut erzeugt wird?
Sehr geehrter Herr Irrgang,
ich habe selber vor Jahren ein paar Wochen lang recht intensiv einen Freund mit einer Konsole besucht und diverse Shooter gespielt. Trotzdem bin ich nicht zum Massenmörder geworden. Nachdem ich virtuell unzählige Figuren auf dem Gewissen habe, kann ich gleichwohl den psychologischen Effekt der Absenkung von Hemmschwellen schon nachvollziehen.
Es gibt auch die Argumentation, diese Spiele würden eher spielerisch Aggressionen abbauen. Ich glaube aber auch, dass gerade bei jungen Jugendlichen die Gefahr besteht, dass nach stunden- und nächtelangem Geballer über Wochen und Monate das Gehirn lernt, wie man Aggression gegen Dinge und Menschen richtet. Ich bin also gegenüber den harten Shootern auch sehr skeptisch. Fraglich ist jedoch, ob gerade in diesem Bereich Verbote überhaupt etwas bringen. Vielleicht schaffen sie zumindest bei den Eltern ein Bewusstsein für den kritischen Umgang, auch wenn man die Verfügbarkeit in der Praxis sicher kaum wird unterbinden können.
Das der Anstieg der Jugendkriminalität in nenneswerter Weise etwas mit Videospielen zu tun hat, halte ich für absurd. Ihren Gedanke, dass diese Diskussion von den wahren Gründen bewusst ablenken soll, finde ich sehr interessant. Hier bin ich ganz Ihrer Meinung, dass die Gewalt durch Jugendliche, die wir momentan erleben, hauptsächlich auf Frust durch fehlende Lebensperspektiven zurückzuführen ist. Man muss sich doch nur einmal in die Lage eines 17-jährigen ohne jeden Schulabschluss hineinversetzen. Und davon gibt es in Hamburg jedes Jahr ca. 1.700 neue! Bei dieser vorprogrammierten Aussichtslosigkeit für den Rest des Lebens muss man froh sein, dass nicht mehr geschieht. Ich will nicht die Täter zu Opfern machen, aber niemand wird kriminell geboren. Es gibt immer Gründe und die muss man bekämpfen.
Hier muss angesetzt werden mit mehr Sprachförderung und individueller Betreuung von der Kita an. Wie man das Thema auch angeht, es geht letztenendes immer um Bildung. Die SPD hat im Oktober in der Bürgerschaft erfolglos die Sicherstellung einer durchgängigen Betreuung und Beratung der "Risikoschüler" von der 8. Klasse an bis zu ihrer vollständigen Integration in das Erwerbsleben mit Hilfe eines einheitlichen Ansprechpartners ("Mentor"/"Berufscoach") beantragt. Das kostet Geld. Aber es ist günstiger als eine lebenslange Alimentierung oder der Schaden durch Kriminalität und die Mehrkosten für Polizei und Gefängnisse.
Und all das können wir im Gegensatz zu Zensurgesetzen auf Bundesebene hier in Hamburg entscheiden, wenn wir nur wollen.
Mit besten Grüßen
Rainer Schünemann