Frage an Rainer Arnold von Fabian W. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Arnold,
soeben habe ich erfahren, dass ihre Partei der Beschaffung der Heron TP Drohne für die Bundeswehr nicht zustimmen möchte. Ihr Hinweis auf eine breite gesellschaftliche Debatte wirkt in diesem Zusammenhang doch recht formalistisch. Bekanntlich bestimmen derzeitig andere Fragen die öffentliche Diskussion.
Ich würde von Ihnen - insbesondere auch im Hinblick auf meine Wahlentscheidung im September - gerne erfahren, warum die SPD der Beschaffung einer solchen Drohne und einer entsprechenden Ausbildung von Soldaten nicht zustimmt?
Jedwedem Einsatz einer Drohne müsste der Bundestag im Rahmen des Parlamentsvorbehalts zustimmen. Targeted Killing ist Deutschland verfassungsrechtlich untersagt. Welche Sorgen bestehen ihrerseits?
Andererseits enthält Art. 87a GG eine institutionelle Garantie und damit die verfassungsrechtliche Verpflichtung Streitkräfte aufzustellen und so auszustatten, dass sie ihre militärischen Aufgaben erfüllen können. Gerade ihr Kanzlerkandidat beruft sich regelmäßig auf das Grundgesetz. Gilt das nur, wenn ihm einzelne Bestimmungen gerade genehm sind oder gilt das für das gesamte Grundgesetz, das aus weit mehr als den (hervorragenden) Grundrechten besteht?
Führt der Verzicht auf moderne Militärtechnik nicht dazu, dass die Bundeswehr den technischen Anschluss verliert und nicht alle Mittel erhält, um den bestmöglichen Schutz unserer Soldaten - die auch von Ihnen ins Ausland geschickt werden und für unser Land einstehen - gewährleistet wird. Das gilt umso mehr als das nahezu alle modernen Armeen über solche Drohnen verfügen und diese vom Generalinspekteur explizit gefordert werden. Die SPD spricht häufig von Solidarität. Wo ist die Solidarität mit unseren Soldaten?
Daher konkret: Warum unterstützt die SPD nicht eine bestmögliche und moderne Ausrüstung der Bundeswehr zum Schutz unserer Soldaten, zumal die Missbrauchsgefahr solcher Drohnen wohl nirgends so gering sein dürfte wie in Deutschland?
Beste Grüße
Sehr geehrter Herr Walden,
vielen Dank für Ihre Frage zu den Plänen der Bundeswehr, bewaffnungsfähige Drohnen anzuschaffen.
Die Bundeswehr verfügt bereits über eine ganze Reihe unterschiedlicher Aufklärungsdrohnen, die aus der Luft ein Ziel zum Teil über Tage beobachten können. Seit Anfang 2010 least die Bundeswehr eine sogenannte ‚MALE‘-Drohne (medium altitude long endurance) vom Typ Heron 1 eines israelischen Herstellers. Der Leasing-Vertrag für dieses Aufklärungssystem ist ausgelaufen und wurde nun bis zum Jahr 2019 verlängert.
Für die Zeit danach muss eine neue Lösung gefunden werden. Diese Entscheidung stand nun an und musste vom Parlament gebilligt werden. Alle geeigneten Drohnen dieser Klasse, die derzeit international verfügbar sind und den hohen Sicherheitsstandards der Bundeswehr entsprechen, sind bewaffnungsfähig. Auch das Nachfolgemodell von Heron 1.
Wir SPD-Verteidigungspolitikerinnen und -politiker sind dafür, mit der israelischen Firma einen neuen Vertrag abzuschließen. Die Bundeswehr braucht diese Aufklärungssysteme zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten. Den Einsatz bewaffneter Drohnen halte ich in den kommenden Jahren für äußerst unwahrscheinlich. Die Mandate des Deutschen Bundestages über Auslandseinsätze der Bundeswehr sehen nach dem Ende des ISAF-Mandats zum 31. Dezember 2014 überhaupt keine Auslandseinsätze vor, die eine bewaffnete Unterstützung aus der Luft erforderlich machen. Auch nicht mit bewaffneten Drohnen. Selbstverständlich kann sich die sicherheitspolitische Gesamtlage ändern, wie wir es in den letzten Jahren wieder einmal eindrücklich erlebt haben, aber dann muss das Parlament neu entscheiden.
Ich bin aber prinzipiell der Auffassung, dass wir Parlamentarier nicht den Generalstab ersetzen können, wenn das Parlament die Bundeswehr erneut in einen Einsatz mit Kampfauftrag schicken sollte. Das heißt, das Parlament definiert konkret den Einsatzauftrag und die rechtlichen Einsatzmöglichkeiten. Aber wir entscheiden nicht, welches Wirkmittel in einer konkreten Einsatzsituation das militärische richtige und das das Prinzip der Verhältnismäßigkeit wahrende Wirkmittel ist.
Und es ist faktisch so, dass bewaffnete Drohnen gegenüber Kampfflugzeugen in beiden genannten Bereichen Vorteile haben. Sie können aus der Luft stunden- und sogar tagelang beobachten. Dabei bedarf es im Unterschied zu Kampfflugzeugen keiner zügigen Entscheidung über den Einsatz von Waffen. Außerdem können sie mit kleinen und präzisen Waffen ausgestattet werden und liefern ein ausführliches Lagebild, das auf den Boden übertragen und dort betrachtet werden kann und somit eine unmittelbare von Soldatinnen und Soldaten am Boden getroffene Einsatzentscheidung möglich macht.
Szenarien, bei denen Kampfdrohnen in der Form eingesetzt werden, dass Operateure und Entscheider über den Waffeneinsatz fern des Einsatzgebietes in Deutschland verbleiben, werden sowohl von uns als auch von der Bundeswehr aus schlüssigen ethischen und militärischen Gründen zu Recht abgelehnt.
Völkerrechtswidrige Tötungen mit bewaffneten Drohnen, wie sie die USA praktizieren, lehnen wir nicht nur strikt ab, sie wären auch rechtlich bei uns nicht möglich.
Mittel- und langfristig favorisieren wir eine europäische Entwicklung, wie sie auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist. Europa braucht eine eigene Aufklärungsfähigkeit, um nicht bei dieser Technologie von anderen Nationen abhängig zu sein. Nach den Erfahrungen mit amerikanischer Hochtechnologie angesichts des NSA-Skandals und den Black-Boxes beim Euro Hawk sind wir Abgeordneten wenig geneigt, ein amerikanisches Produkt zu wählen. Wir sollten uns gerade bei Aufklärungsdrohnen nicht von den Amerikanern abhängig machen.
Die SPD hat nun deswegen der Anschaffung der Heron TP als bewaffnete Drohne nicht zugestimmt, weil wir uns in den letzten Tagen der Wahlperiode bei einen extrem komplexen Vertrag nicht unter Druck setzen lassen. Außerdem besteht keine Eilbedürftigkeit, solange das Oberlandesgericht Düsseldorf nicht über die Anhörungsrüge des amerikanischen Herstellers General Atomics entschieden hat. Wir sollten auch parlamentarische Entscheidungen nach reiflicher Überlegung und damit auch rechtssicher treffen.
Das Thema wird mit Sicherheit nach der Bundestagswahl die nächste Bundesregierung und den nächsten Bundestag beschäftigen und benötigt dann auch Zeit für eine entsprechend sorgfältige Debatte. Außerdem bin ich der Auffassung, dass in dieser Frage, die nicht nur verteidigungspolitische Komponenten enthält, die Bundesregierung insgesamt entscheiden muss.
Die hiergeschilderte Position ist die Haltung der SPD-Verteidigungspolitikerinnen und -politiker. Die SPD-Bundestagsfraktion in ihrer Gesamtheit wird dann weiter diskutieren und entscheiden, wenn das europäische Projekt zur Beschlussfassung ansteht.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Arnold