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Frage von Ottmar M. •

Frage an Rainer Arnold von Ottmar M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Herr Arnold,

am 14.2.16 berichtet die FAZ über türkische Artillerieangriffe auf syrische Kurden, am 17.2.16, daß ca. 850 „bewaffnete Islamisten“ von der Türkei aus nach Syrien „einsickerten“. Sind die Angriffe des NATO-Landes Türkei auf Syrien durch Völkerrecht gedeckt, ja oder nein? Wenn nein, warum hat das keine Konsequenzen in Form von Sanktionen bzw. warum wird das nicht einmal verurteilt? Wenn sie das Selbstverteidigungsrecht bemühen wollen, haben die beschossenen Kurden Angriffe auf die Türkei ausgeführt? Gestehen Sie Syrien eine Bekämpfung der türkischen Stellungen zu,insbesondere, wenn von der Türkei aus „bewaffnete Islamisten“ nach Syrien kommen?Am 29.1.16 berichtet die FAZ, daß türkische Journalisten, die türkische Waffenlieferungen an „Extremisten in Syrien“ öffentlich machten, dafür lebenslang verurteilt werden sollen! Mal abgesehen davon, dass der Bürger sich die Frage stellt, welche „Werte“ die NATO vertritt,wenn die Pressefreiheit derart in einem Mitgliedsstaat eingeschränkt wird, so bleibt festzuhalten, dass die Türkei in Syrien „Extremisten“ mit Waffen beliefert. Warum wird dann Russland wegen der militärischen Hilfe für den Präsidenten Assad kritisiert, wenn die Türkei in Syrien „Extremisten“ bewaffnet und „islamistische“ Kämpfer durchlässt? Warum wird Russland überhaupt sanktioniert, wenn die Türkei genau dasselbe tut, nämlich bewaffnete Regierungsgegner zu unterstützen? Warum darf das Kiewer Regime militärisch gegen die „Separatisten“ vorgehen, nicht aber Assad gegen Extremisten, oder im Klartext, wer "prowestlich" ist, darf, was die andere Seite nicht darf? Gen. a.D. Loquai berichtet in seinem Buch "Wege in einen vermeidbaren Krieg", daß die Behauptungen von NATO und westl. Politik nicht mit den Berichten der OSZE-Mission vom März 1999 übereinstimmten. Lt. Bericht gab es kein "systematisches Morden", wie von Ihnen in einer Antwort vom 28.1.16 behauptet. Wieviele Serben wurden überhaupt nach dem NATO-Einmarsch aus dem Kosovo vertrieben?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Müller,

vielen Dank für Ihre Fragen vom 21. Februar 2016.

Nachdem wir schon sehr häufig und zu vielen Themen direkt miteinander kommuniziert haben, wählen Sie nun das Format Abgeordnetenwatch. Aus unserer Korrespondenz weiß ich, dass Sie auf einem Auge blind sind und Putins Politik verteidigen.

Es gibt aber nun mal kein Recht im Unrecht. Ich verurteile das Vorgehen Erdogans ebenso wie das Putins. Auch die Politik Erdogans und der AKP sehe ich sehr kritisch. Dabei geht es mir zum Beispiel um den Umgang mit kritischen Medien und die Entlassung von Polizeibeamten und Staatsanwälten, die Korruptionsvorwürfen in Erdogans Umfeld nachgehen. Meiner Meinung nach ist es sein offensichtliches Ziel, ein autokratisch regierender Herrscher zu werden. Dies artikuliere ich auch deutlich gegenüber türkischen Politikern, wenn immer sich mir die Gelegenheit bietet.

Ich setze auf die selbstbewusste türkische Zivilgesellschaft und gebe die Hoffnung nicht auf, dass eines Tages – hoffentlich bald – an der Wahlurne auf demokratische Weise ein politischer Wechsel in der Türkei erzwungen wird.

Bei der Bewertung des Bürgerkriegs in Syrien haben Sie etwas Entscheidendes vergessen: Die Entstehung des Bürgerkrieges. Es waren friedliche Proteste der Zivilgesellschaft, die Anfang 2011 unter dem Einfluss des Arabischen Frühlings in Syrien entstanden sind und bei denen die Bürgerinnen und Bürger den Rücktritt von Präsident Assad forderten. Und es waren Assads Sicherheitskräfte, die diese andauernden und zahlreichen Proteste und Demonstrationen gewaltsam beendet haben. Ab April 2011 wurde dazu sogar die reguläre Armee eingesetzt. Dabei kamen allein in den ersten Monaten der Protestwelle mehrere hundert Menschen zu Tode. Diese Situation führte dazu, dass sich ab Juli 2011 desertierte Soldaten und Zivilisten zur Freien Syrischen Armee zusammengetan haben, um die Regierungstruppen zu bekämpfen. So ist der furchtbare Bürgerkrieg in Syrien entstanden.

Die Situation in der Ukraine ist mit der in Syrien nicht vergleichbar. Putin verletzt von ihm selbst gezeichnetes internationales Recht und lässt seine Soldaten ohne Hoheitszeichen im Nachbarland an der Seite der Separatisten gegen einen souveränen Staat kämpfen.

Ich stehe für klare Ansagen, aber ich bin auch der Meinung, dass die Türen für Gespräche stets offen gehalten werden müssen. Dies gilt auch für schwierige Partner wie die Türkei und Russland.

Ich habe den Eindruck, dass ich mit Menschen, die die Welt nur in schwarz-weiß betrachten und analysieren, nicht einig werden werde. Besonders Außenpolitik ist nie nur schwarz und weiß, sondern eine Vielzahl von Grautönen.

Mit freundlichen Grüßen
Rainer Arnold