Frage an Rainer Arnold von Joe B. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Herr Arnold,
das Verteidigungsministerium plante im Jahr 2014 eine "Henry Kissinger Professur für Internationale Beziehungen und Völkerrechtsordnung" in Bonn einzurichten. Henry Kissinger ist ein international gesuchter Kriegsverbrecher. [ http://www.democracynow.org/2015/1/30/codepink_attempts_to_arrest_henry_kissinger ] Henry Kissinger soll aufgrund seiner Mitverantwortung für die schweren Bombardierungen über Kambodscha und Laos, durch die hunderttausende Menschen zu Tode kamen, Millionen verstuemmelt wurden, Tausende immer noch jedes Jahre sterben, nicht durch einen Lehrstuhl für „Völkerrechtsordnung“ geehrt werden. Man kann seine Verantwortung für die Toten in Indochina, aber auch die Unterstützung des Pinochet-Putsches und -Regimes in Chile, die Unterstützung des „Schmutzigen Krieges“ in Argentinien und die Billigung des Angriffskrieges Indonesiens gegen Osttimor nicht von der Hand weisen oder irgendwie relativieren. Die Kriegsverbrechen des Herrn werden eindrucksvoll in dem Buch "The Trial of Henry Kissinger" dargelegt. [ http://en.wikipedia.org/wiki/The_Trial_of_Henry_Kissinger ].
Koennen Sie mir als Demokrat und Buerger Auskunft darueber geben ob der Plan, den Lehrstuhl zu errichten und Ihn nach diesem Herrn zu benennen, weiterhin exisistiert? Sind Sie als Verteidigungspolitischer Sprecher der SPD darin involviert und unterstuetzen Sie die geplante Namenswahl fuer den Lehrstuhl?
Ich schaue einer aussagekraeftigen Antwort von Ihnen erwartungsvoll entgegen.
Mit freundlichem Gruss
Joachim Bildstein
Sehr geehrter Herr Bildstein,
vielen Dank für Ihre Frage zur Henry Kissinger Stiftungsprofessur an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität Bonn.
Die Idee zur Einrichtung der Stiftungsprofessur hatten im Frühjahr 2013 der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière und der damalige Außenminister Guido Westerwelle anlässlich des 90. Geburtstages von Henry Kissinger. Von diesen war sie ursprünglich als "Professur für Internationale Beziehungen und Völkerrechtsordnung" geplant. Nun wurde zum Wintersemester 2014/2015 an der Universität Bonn die “Henry-Kissinger Professur für Governance und Internationale Sicherheit” eingerichtet. Stifter ist zum größten Teil das Verteidigungsministerium, zu einem kleineren Teil das Auswärtige Amt, und daher durfte das Verteidigungsministerium auch den Namen auswählen. Die Wahl des Ministeriums fiel auf Henry Kissinger. Dies ist Regierungshandeln, in das ich als Parlamentarier nicht involviert war.
Henry Kissinger ist sicher ein umstrittener Politiker, aber er hat auch eine historische Rolle in den großen Auseinandersetzungen des letzten Jahrhunderts gespielt. 1973 bekam er den Friedensnobelpreis für seine Verdienste bei dem Versuch, eine Lösung für den Frieden im Vietnam-Krieg zu finden. Weiterhin hat er mit seinen Reisen nach China 1979 entscheidende Beiträge zur Entspannung des Verhältnisses zwischen den Großmächten USA und China geleistet. Ebenso hat er sich in den Friedensverhandlungen zwischen Israel und Ägypten sowie im palästinensisch-israelischen Konflikt engagiert und dabei eine entscheidende Vermittlerrolle eingenommen und den Friedensprozess damit entscheidend vorangetrieben. Nicht zuletzt seiner Unterstützung hat Deutschland es zu verdanken, dass bei den Verhandlungen zur KSZE-Schlussakte, Deutschlands Interesse an der Formel der Unverletzlichkeit, aber nicht Unveränderbarkeit, der Grenzen in Europa, Beachtung fand und somit der Grundstein für die Wiedervereinigung Deutschlands gelegt wurde.
Ich will nicht abstreiten, dass Kissinger, der in einer der heißesten Phasen des Kalten Krieges der Außenminister der Weltmacht USA war, bei den harten Entscheidungen, die er zu treffen hatte, auch folgenschwere Fehler gemacht hat. Aber seine Verdienste auch für Deutschland, sind es wert, dass auch die Bundesrepublik Deutschland diese in dieser Form würdigt. Die akademische Würdigung, indem eine Stiftungsprofessur nach ihm benannt wurde, ehrt ihn vor allem als Hochschullehrer Kissinger, der sich an der Harvard-Universität – und nach seinem Ausscheiden aus der Politik auch an der Georgetown-Universität – als Wissenschaftler und Gelehrter verdient gemacht hat.
Abschließend möchte ich Sie darum bitten, dass Sie bei Ihren Urteilen über Menschen bedenken, dass es nicht nur Schwarz und Weiß gibt, sondern viele Nuancen von Grau. Dies gilt insbesondere in der Außenpolitik und auch für Menschen wie Henry Kissinger.
Ich hoffe, dass ich Ihnen meine Position umfassend erläutern konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Arnold