Frage an Rainer Arnold von Georg S. bezüglich Finanzen
Hallo Herr Arnold
darf ich sie bitten diese Fragen zu unserem Geld, welches die Basis für unser meist sehr wirtschaftliche ausgerichtete Handeln ist, zu beantworten.
vielen Dank
1. Ist Ihnen bekannt, dass das Privileg, Giralgeld zu erzeugen, weder in europäischen noch in deutschen Rechtsvorschriften explizit erwähnt und geregelt wird?
2. Ist Ihnen der Vorschlag der Vollgeldreform bekannt, demzufolge neues Geld nur noch durch die Zentralbanken als unabhängige vierte Staatsgewalt (die Monetative) in Umlauf gebracht werden soll?
3. Werden Sie sich in der nächsten Wahlperiode im Deutsche Bundestag dafür einsetzen, dass das vollständige staatliche Vorrecht auf Geldschöpfung gesetzlich verankert wird?
4. Ist Ihnen bekannt, dass der größte Teil des von uns verwendeten Geldes (das Giral- geld) durch private, gewinnorientierte Banken erzeugt und in Umlauf gebracht wird und nicht wie von den meisten Menschen vermutet durch staatliche Organe und dass diese Praxis auch von der Deutschen Bundesbank so bestätigt wird?
5. Halten Sie die private Banken-Geldschöpfung für gerechtfertigt oder sind Sie der Meinung, dass Geld nur von einer öffentlichen Institution erzeugt und in Umlauf gebracht werden sollte?
6. Ist Ihnen bekannt, dass durch die Wiederherstellung des staatlichen Vorrechts auf Geldschöpfung die derzeitige Staatsverschuldung zu einem großen Teil ohne Steuererhöhungen und Sparpakete beseitigen werden könnte und dass der IWF (Internationale Währungsfonds) in einer Studie aus dem Jahr 2012 bestätigt hat, dass dies ohne Inflationsgefahr möglich ist?
7. Was halten Sie davon, das Volk selbst über die gesetzlichen Grundlagen unseres Geldsystems abstimmen zu lassen?
Sehr geehrter Herr Sohn,
vielen Dank für Ihre Fragen. Es gibt erfreulicherweise viele Bürgerinnen und Bürger, die sich unterschiedliche Gedanken über unser Geldsystem machen. Oft geht mit diesen Überlegungen die Vorstellung einher, die Geldmenge wäre der entscheidende Parameter, manchmal wird auch der Zins bzw. Zinseszinseffekt in den Blick genommen, es werden Theorien des Freigeldes oder des Regionalgeldes entwickelt. Sie sprechen die Idee „Vollgeld“ an.
In Ihrer Eingangsbemerkung formulieren Sie „Fragen zu unserem Geld, welches die Basis für unser meist sehr wirtschaftliche ausgerichtete Handeln ist…“. Damit erfassen Sie natürlich nur Teilaspekte. „Unser“ Geld hat möglicherweise nichts mit „wirtschaftlichem“ Handeln zu tun. Fernab der Wirtschaft hat die Spekulation ein sehr großes Gewicht. Allein der Handel mit Derivaten übersteigt das Welt-Brutto-Inlands-Produkt von 70 Billionen um das Zehnfache.
Zu Ihren Fragen:
1.Ist Ihnen bekannt, dass das Privileg, Giralgeld zu erzeugen, weder in europäischen noch in deutschen Rechtsvorschriften explizit erwähnt und geregelt wird?
Es ist nicht immer eine explizite Erwähnung nötig. Durch eine Reihe von regulatorischen Vorschriften werden viele Geschäfte und Geschäftsmodelle von Banken geregelt.
2.Ist Ihnen der Vorschlag der Vollgeldreform bekannt, demzufolge neues Geld nur noch durch die Zentralbanken als unabhängige vierte Staatsgewalt (die Monetative) in Umlauf gebracht werden soll?
Ja. Eine alte Idee. Durch die Überlegungen zur Vollgeldreform soll das staatliche Geldregal wiederhergestellt werden. Dabei stößt man schnell auf die Namen Joseph Huber und Irving Fisher, die bei allen Unterschieden vermutlich Ihre Denkrichtung induziert haben. Vielleicht in jüngerer Zeit auch Richard Werner, Jaromir Benes oder Michael Kumhof vom IWF.
Ich sende Ihnen zwei Artikel zur "100-Prozent-Geld"-Idee von Fisher sowie zwei Dokumente aus den Jahren 2004 und 2009:
http://www.soziologie.uni-halle.de/publikationen/pdf/0405.pdf
http://www.inwo.ch/PDF/broschure-vollgeld-und-monetative-aug-2009.pdf
Soweit mir bekannt, wurden die Ideen von Fisher sowie der weiterführende Ansatz von Huber in der wissenschaftlichen Literatur kaum kritisch diskutiert; deshalb ist mir eine weiterführende Einschätzung - etwa durch Auswertung der wissenschaftlichen Quellenlage nicht möglich.
3.Werden Sie sich in der nächsten Wahlperiode im Deutsche Bundestag dafür einsetzen, dass das vollständige staatliche Vorrecht auf Geldschöpfung gesetzlich verankert wird?
Wenn sich im Rahmen unserer Regulierungsaufgaben herausstellt, dass es sinnvoll ist, das „staatliche Vorrecht auf Geldschöpfung gesetzlich“ zu verankern, wird das geschehen. Ich habe eine Gegenfrage: Wenn Sie von Ihrem Freund eine Uhr kaufen und vereinbaren, das Sie die Uhr bezahlen „wenn das Geld demnächst mal wieder bei Ihnen vorbei kommt… war das dann Geldschöpfung. Ihr Freund kann ja mit der Erwartung auf Ihre Zahlung durchaus wieder einkaufen gehen…
4.Ist Ihnen bekannt, dass der größte Teil des von uns verwendeten Geldes (das Giralgeld) durch private, gewinnorientierte Banken erzeugt und in Umlauf gebracht wird und nicht wie von den meisten Menschen vermutet durch staatliche Organe und dass diese Praxis auch von der Deutschen Bundesbank so bestätigt wird?
Ja. Viele Menschen befassen sich nicht sehr genau mit dem Geldsystem. Und viele die sich damit befassen, erfassen nur Ausschnitte des Gesamtsystems.
5.Halten Sie die private Banken-Geldschöpfung für gerechtfertigt oder sind Sie der Meinung, dass Geld nur von einer öffentlichen Institution erzeugt und in Umlauf gebracht werden sollte?
Denken Sie bitte kurz über die Antwort auf Frage drei nach. „Gerechtfertigt“ ist die falsche Kategorie. Vertrauen zwischen Menschen können Sie nicht gesetzlich verbieten.
6.Ist Ihnen bekannt, dass durch die Wiederherstellung des staatlichen Vorrechts auf Geldschöpfung die derzeitige Staatsverschuldung zu einem großen Teil ohne Steuererhöhungen und Sparpakete beseitigen werden könnte und dass der IWF (Internationale Währungsfonds) in einer Studie aus dem Jahr 2012 bestätigt hat, dass dies ohne Inflationsgefahr möglich ist?
Ich kenne solche Überlegungen, sogar einige Rechnungen und finde stets Ungereimtheiten. Welche Auswirkungen mit der Abschaffung der Geldschöpfung durch den Geschäftsbankensektor (Giralgeld) und der Übertragung der Geldschöpfung in den ausschließlichen Aufgabenbereich der Zentralbank verbunden wären, insbesondere im Hinblick auf den Abbau der Staatsverschuldung und eine Verbesserung der Systemstabilität des Finanzmarktes lässt sich auf den mir bekannten Grundlagen nicht gut genug abschätzen.
7.Was halten Sie davon, das Volk selbst über die gesetzlichen Grundlagen unseres Geldsystems abstimmen zu lassen?
Das Volk entscheiden zu lassen ist immer gut - wenn es gewappnet ist Populismus zu erkennen, die fachlichen Grundlagen kennt und sich vor allzu einfachen Lösungen in internationalem Kontext zu schützen weiß. Gerade bei Geldsystem erscheint mir das aber kaum durchführbar. Zudem hat die EZB hier geeignete Stellschrauben, auch können wir durch internationale Regeln (etwa die strengere Regulierung von Banken, die Verpflichtung für Banken zu einer höheren Eigenkapitalquote, Einführung einer Umsatzsteuer auf Finanztransaktionen) dafür sorgen, dass sich solche Krisen wie die von 2008 nicht wiederholen und Verursacher der Krise an den Kosten beteiligt werden.
Nachdem Sie in meinem Wahlkreis wohnen, können wir diese Fragen aber auch gerne einmal bei einer Tasse Kaffee in meinem Nürtinger Wahlkreisbüro besprechen. Falls Sie Interesse haben, rufen Sie im Büro an (07022 - 211920). Meine Mitarbeiter vereinbaren dann gerne einen Termin.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Arnold