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Frage von Grischa J. •

Frage an Rainer Arnold von Grischa J. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Arnold,

nach einem Online-Bericht der Stuttgarter Zeitung vom 5.1.2012 fordern Sie den sogenannten Kostendeckel des Projekts Stuttgart 21 anzuheben. Andernfalls drohe die Gefahr mit einer Billigversion abgespeist zu werden.

Als Bürger Baden-Württembergs wurde mir über die letzten Jahre vielfach versichert, daß es sich um das bestgeplante und ein beispiellos leistungsfähiges (und inzwischen streßgetestetes) Projekt handelt.

1. Wie kommen Sie nun darauf, daß es sich um eine Billigversion handelt?

2. Wenn Sie alle Optionen auf den Tisch fordern, ist damit auch der Kopfbahnhof wieder in der Diskussion?

3. Warum sprechen Sie vom Dogma des Kostendeckels?

Besonders Frage 3 interessiert mich. Ich würde viel eher von dem Versprechen einer Kostengrenze seitens der CDU, SPD und der Bahn sprechen, an deren Einhaltung wir die Zuverlässigkeit der Versprechenden messen können. Es war nie von einer Billigversion die Rede. Und ein Überschreiten der Kostengrenze wurde als geradezu lächerlich abgetan.

Für eine Klarstellung wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Mit freundlichen Grüßen

Grischa Jacobs

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Jacobs,

vielen Dank für Ihre E-Mail zu meinen Äußerungen anlässlich meines Jahrespressegesprächs zum Bahnprojekt Stuttgart 21 und dem Planungsstand auf den Fildern.

Grundsätzlich hat der Bürgerentscheid vom vergangenen November endlich Klarheit geschaffen. Eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger Baden-Württembergs hat sich für das Projekt Stuttgart 21 ausgesprochen. Ich selbst befasse mich bereits seit vielen Jahren mit dem Thema. Schon als Kreisrat bzw. Mitglied der Regionalversammlung habe ich die Diskussionen zu diesem Thema intensiv verfolgt und mir ein Bild über die einzelnen Vorschläge gemacht. Mir war es unter Berücksichtigung aller Schwierigkeiten, die bei der Realisierung eines solchen Großprojektes entstehen, immer wichtig, die Chancen, die das Projekt Stuttgart 21 gerade auch für den Regionalverkehr bringt, nicht aus den Augen zu verlieren!

Vor dem Hintergrund des Bürgerentscheides steht aber auch der Bahnhofsneubau nicht mehr zur Diskussion. Jetzt geht es mir darum, die Entwürfe zu optimieren und die Möglichkeiten, die uns die anstehenden Baumaßnahmen eröffnen, nicht durch kurzsichtige Planungen zu schmälern oder gar in Teilbereichen Verschlechterungen zu riskieren. Konkret gilt meine Kritik daher den Plänen auf den Fildern (d.h. das Teilstück zwischen Flughafen und Rohrer Kurve) und deshalb sehe ich mich als zuständiger Bundestagsabgeordneter aufgefordert mich einzumischen. Meine Kritik habe ich auch nicht zum ersten Mal geäußert. Unter anderem geschah dies vor breiter Öffentlichkeit im Dezember 2010, als Bahnchef Grube zu Gast in der Filderhalle war.

Ich möchte nun gerne detaillierter ausführen, in welchen Bereichen ich die Pläne auf den Fildern für stark verbesserungswürdig halte.

Seit jeher absolut begrüßenswert sind für mich die neuen und schnellen Verkehrswege, die aus dem Süden ins Zentrum Stuttgarts entstehen. Deutlich kürzere Fahrzeiten vom Raum Nürtingen/Tübingen/Reutlingen über die Fildern Richtung Böblingen und Sindelfingen machen die Bahnverbindung auch attraktiver. Ich war kein Befürworter des Messebaus auf den Fildern. Doch nun, da die neue Messe Fakt ist, muss ich mich auch hier den verkehrspolitischen Notwendigkeiten stellen. Ich bin davon überzeugt, dass man zur Bewältigung des erhöhten Verkehrsaufkommens die Planungen von Stuttgart 21 entsprechend optimieren muss. Deshalb halte ich die zurzeit vorliegende Planung zum Bau des Fernbahnhofs am Flughafen für nicht haltbar. Die Entfernung von 200 Metern zwischen dem bestehenden S-Bahnhof und dem geplanten Fernbahnhof ist eindeutig zu groß. Die Tieflage des neuen Fernbahnhofs bedingt den Bau von Treppenhäusern und Aufzügen, um zum S-Bahnhof zu gelangen. Wir brauchen einen Fernbahnhof parallel und auf gleichen Niveau wie den S-Bahnhof, der auch von den Zügen der Gäubahnlinie angefahren werden kann. Ansonsten würden sich die Vorteile für Pendler wegen der unnötig komplizierten Umsteigebedingungen deutlich verschlechtern und die Chance dieser neuen, schnellen Verbindung gravierend schmälern.

Mein zweiter wichtiger Kritikpunkt gilt der geplanten Trassenführung der Gäubahn durch Leinfelden-Echterdingen auf der S-Bahntrasse. Diese Planung bedarf gleich aus mehreren Gründen einer Überarbeitung: Zunächst halte ich es für aberwitzig, im Zuge einer kompletten Modernisierung ausgerechnet auf den Fildern zu sparen und Fernverkehrszüge auf S-Bahngleisen fahren zu lassen. Dies ist überdies auch nur mit Sondergenehmigungen möglich. Wer den Menschen ein modernes, zeitgemäßes und zukunftsfähiges Bauprojekt für die Bahn in Baden-Württemberg verspricht, darf auf den Fildern nicht solche halbgaren Lösungen realisieren. Zudem halte ich die Idee die Fernverkehrszüge den S-Bahnhof am Flughafen anfahren zu lassen für inakzeptabel. Die Einstiegsniveaus sind bei S-Bahn und Fernverkehrszügen unterschiedlich und ein solches Konzept ist nicht zeitgemäß. Diese Kritik wiegt umso schwerer, wenn man an Menschen mit Behinderung und Eltern mit Kinderwägen denkt. In diesem Punkt müssen die Pläne korrigiert werden.

Zusätzlich steht nach wie vor die Befürchtung im Raum, dass die Nutzung der S-Bahn-Gleise durch die Gäubahn sich zumindest negativ auf eine mögliche erforderliche Verdichtung der Taktzeiten der S-Bahn nach Stuttgart auswirkt. Diese Verschlechterung für den S-Bahnverkehr auf den Fildern ist ebenso nicht hinnehmbar. Die wirklich beste und zukunftsweisende Planung wäre daher, im Anschluss an die Rohrer Kurve parallel zur A8 den Fernverkehr in Richtung Flughafen fahren zu lassen. Auf gar keinen Fall darf jetzt eine Planung stattfinden, die eine spätere Ausführung einer Autobahntrasse unmöglich macht. Unabhängig davon ist es zwingend erforderlich, dass die Fernverkehrszüge der Gäubahnlinie vor dem S-Bahnhof am Flughafen ausgefädelt werden und den Fernbahnhof anfahren können.

Die Umsetzung dieser notwendigen Verbesserungen sind freilich nicht zum Nulltarif zu haben, daher gehört die Kostenfrage für mich auch zu dieser Debatte. Ich halte es für schlechten Stil, Dinge zu fordern und dabei die Kosten zu verschweigen. Wir Schwaben können sparen, aber wir sparen nicht am falschen Ende. Denn falls der Fernverkehr wie geplant durch Leinfelden-Echterdingen geführt wird, müssen wir für zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen ebenso Mittel einplanen. Bereits im Juli 2007 habe ich mich für diesen zusätzlichen Lärmschutz in Leinfelden-Echterdingen stark gemacht, die Filderzeitung hatte am 30. Juli darüber berichtet. Die hohe Lärmbelastung auf den Fildern ist, spätestens seit dem von der damaligen Landesregierung in Auftrag gegebenen Lärmgutachtens, das uns seit September 2008 vorliegt, nicht mehr wegzudiskutieren. Der Filder-Raum ist bereits jetzt eine der stärksten mit Lärm belasteten Regionen in unserem Bundesland.

Seit 2007 stehe ich im Austausch mit führenden Repräsentanten der Bahn, dem Regierungspräsidium, den zuständigen Ministern und Staatssekretären auf Bundes- und Landesebene. Da sich trotz aller Bemühungen in dieser Frage wenig bewegt hat, habe ich das Thema im März 2010 im Rahmen einer Fragestunde auf die Tagesordnung des Bundestags setzen lassen.

An der Grundsatzentscheidung für Stuttgart 21 kann nicht mehr gezweifelt werden. Die Planungen für das Planfeststellungsverfahren des Teilabschnitts Flughafen - Rohrer Kurve treten aber nun in ein konkretes Stadium. Daher ist es an der Zeit, dass sich alle politischen Kräfte gemeinsam und konstruktiv für den Filderraum einsetzen.

Diese Argumente sind meiner Ansicht nach von so großer Bedeutung, dass man angesichts dessen den Kostendeckel im Interesse der betroffenen Bevölkerung nicht zur heiligen Kuh bzw. Dogma erheben kann. Es geht aber nicht darum, den Kostendeckel prinzipiell und ohne Maß und Ziel anzuheben. Vielmehr geht es um zumindest teilweise unabdingbare Maßnahmen, die zu qualitativen Verbesserungen führen und deshalb nicht einer Deckelung zum Opfer fallen dürfen. Wer allerdings immer noch glaubt, über eine Anhebung des Kostendeckels Stuttgart 21 verhindern zu können, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt - oder nicht erkennen wollen.

Obwohl Stuttgart 21 beschlossen ist, muss zudem weiter für die Akzeptanz der damit verbundenen Baumaßnahmen geworben werden. Dies kann nur gelingen, wenn wir uns in allen Bereichen um größtmögliche Transparenz bemühen. Das Wort der Transparenz wird in der öffentlichen Diskussion derzeit leider etwas überstrapaziert. Dennoch erhoffe und erwarte ich von der Deutschen Bahn, dass sie alle Ihre kommenden Schritte, alle bestehenden Planungen und möglichen Alternativen offen und von Anfang an mit den Menschen vor Ort diskutiert. Ziel muss jetzt für alle folgenden Schritte eine vorbildliche Information der Bürger sein und dieser Herausforderung haben sich alle Projektbeteiligten zu stellen. Dies wäre ein Signal, dass man aus dem Streit um Stuttgart 21 gelernt hat und nicht alte Fehler immer wieder neu begeht. Zu einem solchen Prozess gehört auch, die Vor- und Nachteile verschiedener Möglichkeiten zu diskutieren und die Kosten für unterschiedliche Planungen vorzulegen. Durch diese Vorgehensweise unterstreicht man, dass zur Transparenz Wahrhaftigkeit gehört. Das ist mein Anliegen und deshalb sage ich es an dieser Stelle nochmals in aller Deutlichkeit. Die von mir geforderten Verbesserungen halte ich für zwingend hinsichtlich der Qualitätssteigerungen des gesamten Projektes im Filderraum und sie sind nicht zum Nulltarif zu haben.

Ich hoffe, Ihnen meine Einschätzungen ausführlich erläutert zu haben und bin

mit freundlichen Grüßen

Rainer Arnold