Frage an Rainer Arnold von Angela M. bezüglich Wirtschaft
Lieber Rainer,
hast du mit Bauchweh "ja" gestimmt und dir bei Lothar Binding Rat geholt:
Liebe Grüße,
Angela
Liebe Angela Madaus,
Bauchweh bekomme ich höchstens bei schlechtem Essen, aber nicht bei politischen Entscheidungen....
Aber in der Tat haben es die Entscheidungen, die wir in diesen Wochen zu treffen haben, in sich. Die Gründe, aus denen es uns nicht egal sein kann, was z.B. mit Griechenland passiert, habe ich an meiner Mail an Herrn Tomic in diesem Forum ja schon ausführlich erläutert.
Zudem ist die Bundesregierung kurz vor dem Brüsseler Gipfel am Mittwoch auf unsere Forderungen eingegangen und hat die Frage des erweiterten Rettungsschirms im gesamten Bundestag - und nicht nur im Haushaltsausschuss - zur Debatte gestellt. Das war letztlich auch für die Verhandlungen und Ergebnisse in Brüssel hilfreich. Immerhin sind jetzt einige wichtige Maßnahmen beschlossen worden (Banken müssen ihre Kernkapitalquote auf neun Prozent erhöhen, Schuldenschnitt für Griechenland und die damit verbundene höhere Beteiligung des Privatsektors an der Verringerung der griechischen Verschuldung), die wir seit langem fordern. Was allerdings bei den Beschlüssen von Brüssel außen vor blieb, aber noch dringend erforderlich ist, ist die Regulierung der Finanzmärkte, u.a. mit einer Finanztransaktionssteuer. Die Kanzlerin hat sich in ihrer Regierungserklärung am vergangenen Mittwoch für diese, von uns seit langem geforderte Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte ausgesprochen. Nun wird man sehen, ob diesen Ankündigungen Taten folgen oder ob es sich hier um ein bloßes Lippenbekenntnis handelt.
Schwierig sind die Entscheidungen zum Rettungsschirm aber auch deshalb, weil die Regierung immer nach dem selben Muster verfährt: Erst unpopuläre Wahrheiten leugnen, dann dementieren und schließlich eine Kehrtwende vollziehen. So hat die Regierung zunächst lebhaft dementiert, dass sie überhaupt einen Hebel zur Ausweitung des REttungsschirms beschließen will, dann hat sie unsere Mutmaßungen diesbezüglich als "falsche Behauptungen" (W. Schäuble) bezeichnet, um nur wenige Tage später umzuschwenken. Dadurch kann auch das Parlament (von den Bürgerinnen und Bürgern ganz zu schweigen) nicht den Eindruck gewinnen, hier offen und zeitnah informiert zu werden - und das macht die Entscheidungen nicht leichter.
Dabei wird die Verantwortung, die auf den gesamten Bundestag in dieser Frage zukommt, in den kommenden Wochen und Monaten nicht geringer werden, besonders nachdem das Bundesverfassungsgericht zunächst einmal das Sondersgremium des Haushaltsausschusses des Bundestages für die Angelegenheiten des Rettungsschirms gestoppt hat. Grundsätzlich werden wir die weiteren Schritte einer sorgfältigen Prüfung unterziehen und dann entscheiden. Dafür wäre es gut, wenn sich die Bundesregierung endlich zu einer offeneren Kommunikation mit dem Parlament bereitfinden könnte. Aber wir werden auch nicht aus rein oppositionstaktischen Gründen ablehnen, was wir aus europapolitischen Gründen für richtig erachten.
Letztlich sorgen die auch jetzt in Brüssel beschlossenen Maßnahmen vor allem dafür, das wieder etwas Ruhe in die Märkte kommt und Zeit für weitergehende Maßnahmen vorhanden ist. Mittel- und langfristig brauchen wir aber eine bessere Kontrolle der Banken und einen wirksamen europäischen Stabilitätsmechanismus. Und auch wenn ich von diesen Fragen kein Bauchweh bekomme - wohl wird mir erst dann, wenn wir das geschafft und in Europa die dringend benötigte bessere Abstimmung der Wirtschafts- und Fiskalpolitiken erreicht haben.
Für weitere Fragen kannst Du mich aber auch unter rainer.arnold@bundestag.de erreichen. Gerne können wir das Thema aber auch persönlich erörtern, in diesem Fall melde Dich doch in meinem Nürtinger Wahlkreisbüro.
In diesem Sinne freundliche Grüße
Rainer Arnold