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Frage von Tanja G. •

Frage an Rainer Arnold von Tanja G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Arnold,

auf die Frage eines Bürgers über Art. 146 GG antworteten Sie:
"Das Grundgesetz gilt durch die erste gesamtdeutsche Bundestagswahl im Jahr 1990 als vom Volk bestätigt..."

Diese Antwort hat mich dann doch zum Nachdenken angeregt. Deshalb meine kurze Frage an Sie.

Wie, wen oder was (oder wen oder was nicht) hätten die Bürger 1990 wählen müssen, um das Grundgesetz nicht als Verfassung zu bestätigen, wie Sie ja argumentieren?

Mit freundlichen Grüßen,

Tanja Gehmüller

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Gehmüller,

die DDR ist ja 1990 im Rahmen des Einigungsvertrages dem Grundgesetz beigetreten. Es hätte dann eine Möglichkeit bestanden, gegen diesen Beitritt zum Gültigkeitsbereich des Grundgesetzes (und damit gegen das Grundgesetz als endgültige Verfassung des vereinigten Deutschland) zu stimmen, wenn eine der zu Wahl stehenden Parteien diese Position vertreten hätte. Es hätte z.B. auch eine Partei gegründet werden können, die den Nichtbeitritt zum Grundgesetz zu ihren politischen Zielen zählte. Beides war bekanntlich nicht der Fall. Vielmehr haben die Wähler mit großer Mehrheit Parteien gewählt, die das Grundgesetz bejahen. Aus der Wahlbeteiligung von weit über 70 % in den neuen Ländern lässt sich auf die Akzeptanz des Grundgesetzes schließen.

Bedingt durch die Wiedervereinigung wurde auch, wie schon in meiner Mail an Herrn Rinderknecht erwähnt, Art. 146 Grundgesetz in der alten Fassung geändert. Die neue Fassung bestimmt, dass das "Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt", an dem Tage seine Gültigkeit verliert, "an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist." Die damalige Bundesregierung hatte zunächst eine Streichung des Art. 146 GG vorgeschlagen, was aber von der SPD abgelehnt wurde. Uns ging es darum, die Möglichkeit einer Volksabstimmung grundsätzlich offen zu halten, wenn auch dazu eine Verfassungsänderung nach Art. 79 Abs. 2 GG (d.h. Zustimmung durch zwei Drittel der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates) notwendig wäre.

Ich kann aber derzeit keine Notwendigkeit zu einer Abschaffung des Grundgesetzes erkennen, das - die Erfahrungen der jüngeren deutschen Geschichte beherzigend - uns Demokratie nicht nur gebracht, sondern Demokratie in unserem Land auch gefestigt hat. Die Forderung, Elemente der direkten Demokratie (z.B. Volksentscheid auf Bundesebene) zu stärken, halte ich hingegen für unterstützenswert. Allerdings fehlen uns dazu derzeit die erforderlichen Mehrheiten. Das Grundgesetz ist jedoch eine gesetzliche Grundlage, die - meiner Ansicht nach zu Recht - eine breite gesellschaftliche Anerkennung erfährt.

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Arnold