Frage an Rainer Arnold von Sven L. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Arnold,
1. Wirtschaft:
2002 wurde durch Rot-Grün mit der Unternehmenssteuerreform eine Entlastung der Unternehmen vorangetrieben, welche aus dem Ruder gelaufen ist:
- Verrechnung von Zinskosten + Betriebsausgaben für Arbeitsplatzverlergungen ins Ausland ohne Rückforderung bereits erhaltener Subventionen?
- Verrechnung von Verlusten im Ausland mit Gewinnen im Inland
- ständig steigende Gewinne + Dividendenausschüttungen vs. Entlassungen, Subventionen, steuerbilanzieller Verlustausweisungen z.L. des Staatshaushaltes
(Quelle: Asoziale Marktwirtschaft, Hein/Schmiederer, 2005)
Wann wird das geändert und wie genau?
2. Wirtschaft:
Warum lassen Sie zu, dass in den letzen Jahren ca. 1,8-2,6 Mio. sozialversicherungspflichtige Vollzeitstellen wegfielen und z.T. durch Niedriglohnverhältnisse, Leiharbeiter, Minijobber ersetzt wurden? (Quelle: BM f. Arbeit/"Machtwahn" v. Albrecht Müller, 2007). Warum demontieren Sie diesen Staat und die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte ohne die Auswirkungen Ihres Handelns zu prüfen?!? Immerhin sind die Reallöhne in Dtl. lt. OECD-Studie von 2009 um über 1% gesunken in den letzten Jahren, trotz steigenden BIP`s ... wie kann das sein? (siehe auch OECD Economic Outlook Nr. 78 v. 2005, und nein, es wurde NICHT besser seitdem)
Gesundheitspolitik:
Warum werden Arzneimittelpreise in Dtl. nicht durch Gesundheitsmin./Kr.kassen in Verhandlungen m.d. Pharmaunt. ausgehandelt? Andere Länder tun dies.
Soziales:
Trotz sinkender Sozialbeiträge/Steuereinnahmen wg. ständig sinkender Vollzeitbeschäftigungen frage ich mich, warum Beamte/Abgeordnete noch immer KEINEN Beitrag zur Sicherung der Sozialsysteme leisten und dennoch Ansprüche (Rente, steuerfreie Pauschalen, nicht zu belegende Aufw. etc.) erwerben/haben, welche selbst ein "Otto-Normal-Arbeitnehmer" nach 80-100 Jahren Erwerbstätigkeit nicht erreichen kann ((1,7-TE-Rente, "Büropauschale" 13 TE p.a., 3,8 TE Aufwandspauschale (mtl.) für Abgeordnete, Diätenselbstbestimmung usw.)).
Sehr geehrter Herr Lips,
wir stehen natürlich auch hinsichtlich der Kostenstrukturen in einem globalen Wettbewerb, von dem wir aber auch erheblich profitieren. Und zu einer ehrlichen Debatte hierüber gehört auch die Feststellung, dass die Produktion in lohnintensiven Bereichen in Deutschland nur noch im Hochtechnologiebereich wettbwerbsfähig ist. Daher macht es auch keinen Sinn, Unternehmen weiter zu gängeln. Wir müssen vielmehr mit Förderung von Forschung und Entwicklung dafür sorgen, dass deutsche Hochtechnologie auch weiterhin Weltmarktführer bleibt. Dies sichert Wohlstand auch in Zukunft.
Was die Frage von Niedriglohnsektor und Leiharbeit anbetrifft, so wünsche ich mir vor allem starke Gewerkschaften, die höhere Löhne durchsetzen können. Es ist schon bedenklich, wenn Betriebe mit mehreren hundert Mitarbeitern keinen Betriebsrat haben. Dabei haben wir immer für die Rechte der Arbeitnehmer und das entsprechende Betriebsverfassungsgesetz gekämpft. Es kommt aber auch auf die Mitarbeiter an, sich zu organisieren und von ihren Rechten Gebrauch zu machen.
Im übrigen bleibt unser Ziel der allgemeine und gesetzliche Mindestlohn und hier zitiere ich aus unserem Regierungsprogramm: "Wir haben in der Großen Koalition gegen den Widerwillen der Union eine Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und die Neufassung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes durchgesetzt, um mehr Branchen gegen Dumpinglöhne abzusichern. Diesen Weg gehen wir konsequent weiter. Wir werden in möglichst vielen Branchen allgemeinverbindliche tarifliche Mindestlöhne ermöglichen. Und wir werden überall dort Mindestarbeitsbedingungen vorantreiben, wo die Sozialpartner dazu aus eigener Kraft nicht mehr in der Lage sind. Unser Ziel ist ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn, der eine unterste Grenze markiert, unter die Löhne nicht fallen dürfen. Eine Mindestlohn-Kommission soll ihn festsetzen. Wir gehen davon aus, dass ein Mindestlohn von 7,50 Euro zurzeit eine sinnvolle Orientierungsmarke ist." Das vollständige Regierungsprogramm ist u.a. abrufbar unter http://www.rainer-arnold.de/pdf/regierungsprogramm.pdf, die Passagen zu Arbeitnehmerrechten und Mindestlöhnen finden Sie auf S. 22 ff.
Hinsichtlich der Leiharbeit sind wir nicht generell gegen diese Form der Beschäftigung, weil sie für viele Menschen auch Chancen bietet, wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, wohl aber gegen die Ausbeutung von Arbeitnehmern durch Leiharbeitsverhältnisse. Gegen diesen Mißbrauch haben wir uns stark gemacht und werden dies auch wieder tun. Eine Kernforderung, die auch in der neuen Legislaturperiode auf der Tagesordnungen stehen wird, ist das Prinzip „equal pay“ und „equal treatment“. Danach sollen Leiharbeitnehmer nach einer Einarbeitungszeit von maximal sechs Wochen bei Entgelt und Sozialleistungen mit fest angestellten Beschäftigten gleichgestellt werden. Dies ist auch Teil der Forderungen der Initiative für faire Leiharbeit in Baden-Württemberg, die gemeinsam von den baden-württembergischen SPD-Abgeordneten im Bundestag und der IG Metall Baden-Württemberg getragen wird. Das gemeinsame Positionspapier finden Sie unter http://www.rainer-arnold.de/pdf/leiharbeit.pdf
Zum Punkt Minijobs kann ich wieder aus unserem Regierungsprogramm zitieren: "Die Ausweitung unsicherer Beschäftigungsverhältnisse wollen wir eindämmen. Gute Arbeit bedeutet, dass sozialversicherungspflichtige Beschäftigung die Regel ist. Bei den so genannten Minijobs wollen wir die Begrenzung auf 15 Wochenstunden wieder einführen."
Arzneimittelpreise: Als Ergebnis unserer Gesundheitsreform können die Krankenkassen können schon heute mit den Pharmaunternehmen Mengenrabatte bei Arzneimitteln aushandeln. Bisher habe ich allerdings den Eindruck, dass davon bei einigen Kassen noch nicht ausreichend genug Gebrauch gemacht wird. Dies muss sich in Zukunft ändern.
Rentensystem: Über die Forderung, dass alle in das staatliche Rentensystem einzahlen, sollte man reden. Dabei sollte man allerdings bedenken, dass dies nicht das Grundproblem der Sozialversicherungssysteme löst, nämlich dass sich mit einer ständig älter werdenden Gesellschaft auch die Ansprüche an die Rentenversicherung erhöhen. Dennoch kann man über den Vorschlag, dass Abgeordneten in die Rentenversicherung einzahlen, sprechen. Zugleich halte ich die Entschädigung der Abgeordneten bei einer 60-70 Stunden-Woche (in Wahlkampfzeiten natürlich mehr) für angemessen. Diese liegt immer noch unter den Bezügen eines Oberbürgermeisters eine großen Kreisstadt, dessen Bezüge im Gegensatz zu den Abgeordnetenentschädigungen nicht kritisiert werden.
Ich hoffe, Ihnen einige Überlegungen zu diesen Fragen näher gebracht zu
haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Rainer Arnold