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Frage von Gerda M. •

Frage an Rainer Arnold von Gerda M. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Arnold,

Kindesentziehungen scheinen in Deutschland breite Zustimmung zu finden. Letztes Jahr waren es über 32000. http://www.systemagazin.de/nachrichten/090701_in_obhutnahmen_2008.php Erst wenn es einen selber trifft, oder nahe Verwandte oder Bekannte merkt man, dass keiner vor einer Kindesentziehung gefeit ist und dass Jugendämter ein einmal entzogenes Kind selten freiwillig und viel zu oft nie wieder herausgeben. Mit ihrer unglaublichen Machtfülle unterstehen Jugendämter trotz Empfehlung des Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments immer noch keiner unabhängigen und wirksamen Rechts- und Fachaufsicht. Warum? Wie lange will man noch zuwarten? http://www.problemamt.de/attachments/135_EUParlamentPetAus.pdf
Welche Rehabilitationsmassnahmen werden den durch einen Kindesentzug traumatisierten Familien angeboten?

Zum Wesensmerkmal einer Demokratie gehört die Gewaltentrennung. Ist diese überhaupt noch gewährleistet, wenn die Exekutive (Verwaltung, bzw. Jugendamt) der Judikative (Rechtsprechung) die Richtung vorgibt? Trotzdem halten sich Familiengerichte in ihren Entscheiden meistens an die Vorgaben der Jugendämter, selbst dann, wenn diese auf Vorurteilen, statt auf Fakten beruhen.
http://www.kindesraub.de/index.php?menuid=1
Hier stimmt etwas nicht!
Mit freundlichen Grüssen und bestem Dank für Ihre Beantwortung meiner Fragen
Gerda Munz

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Munz,

Sie sprechen hier ein ebenso wichtiges wie schwieriges Thema an. Darüber, dass der Eingriff von Jugendämtern in das Elternrecht die betroffenen Familien in ihren Grundfesten berührt besteht sicherlich kein Zweifel.

Ich teile allerdings nicht Ihre Auffassung von Jugendämtern als Macht im Staate, die der Rechtssprechung die Entscheidungen vorgeben könnten. Jugendämter sind zur Wahrnehmung ihres staatlichen Wächteramtes verpflichtet und stehen dabei immer im Spagat zwischen Kindeswohl und Elternrecht. Das Grundgesetz und geltende Gesetze schaffen einen klaren rechtlichen Rahmen für die Voraussetzungen einer Inobhutnahme oder eines Entzuges der elterlichen Sorge eines Kindes oder eines Jugendlichen. Es gibt sehr hohe Hürden für den Eingriff des Staates in das Elternrecht, das in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG unter ausdrücklichem Schutz der Verfassung steht. Jeder staatliche Eingriff in Familien muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, vorrangiges Ziel ist der Erhalt der Familie. Eingriffe in das Elternrecht sind grundsätzlich nur auf Basis richterlicher Entscheidungen insbesondere nach §§ 1666, 1666a BGB rechtmäßig.

Das Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII) gibt den Jugendämtern ein differenziertes Instrument zur Hilfe und Unterstützung von Familien an die Hand. Die Fachkräfte müssen genau prüfen, ob auch Förder-, Beratungs- und Unterstützungsleistungen für Familien in Betracht kommen. Die Jugendämter müssen diese Maßnahmen ausschöpfen, um Defizite in der elterlichen Erziehung auszugleichen, bevor sie in Familien eingreifen.

Dabei steht das Jugendamt in der Tat oft vor dem Problem, einerseits nicht verfrüht und nicht zu intensiv in elterliche Befugnisse einzugreifen, auf der anderen Seite aber Gefährdungen des Kindeswohls rechtzeitig abwehren zu müssen. Wir alle kennen die Fälle von Kindesvernachlässigung und Kindestötung aus der Presse, bei denen Überprüfungen ergaben, dass das Jugendamtes früher und eingehender hätte eingreifen müssen. Nicht selten müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abwägen, ob ein Kind in der Familien bleiben kann oder ob es in Obhut genommen werden muss. Bei solchen Entscheidungsprozessen können aus unterschiedlichen Gründen manchmal auch Fehler vorkommen. Gerade in einem so sensiblen Bereich können Fehler allerdings fatale Folgen haben. Wir sind uns sicherlich darin einig, dass vor Ort ausreichend qualifiziertes Personal vorhanden sein muss, damit die vielfach schwierigen Entscheidungen mit der notwendigen Sorgfalt getroffen werden können.

Um den Kinderschutz in Deutschland weiter zu entwickeln, läuft auf Bundesebene das Forschungsprojekt „Aus Fehlern lernen. Qualitätsmanagement im Kinderschutz“, an dem sich bundesweit 48 Kommunen mit den jeweiligen Jugendämtern im Zeitraum von April 2009 bis November 2010 beteiligen. Welche Ergebnisse dieses Projekt hervorbringt und welche Konsequenzen abzuleiten sind, ist derzeit noch nicht abzusehen. Mehr Informationen dazu erhalten Sie auf der Website des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen, http://www.fruehehilfen.de. Nach den vorliegenden Informationen können wir davon ausgehen, dass mit dieser wissenschaftliche Analysen der richtige Ansatz gewählt wurde.

Für die Fälle, in denen es zwischen Eltern und Jugendämter zu unüberbrückbaren Konflikten kommt, sollte meiner Ansicht nach der Ansatz der Ombudsstellen weiter verfolgt werden. Zwar haben schon jetzt Leistungsberechtigte in der Kinder- und Jugendhilfe nach geltender Rechtslage verschiedene Möglichkeiten, ihre Rechte zu verwirklichen (u.a. Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Leitung des jeweiligen Jugendamtes). Um besonders die Kinderrechte in der Kinder- und Jugendhilfe weiter zu stärken, können aber unabhängige Ombudstellen geeignete Instrumente sein. Die SPD begrüßt daher die Arbeit des Bundesnetzwerkes Ombudschaft und wird prüfen, inwieweit diese unabhängige Ombudschaft in der Jugendhilfe entscheidend gestärkt werden kann. Hier sind unsere Fachpolitiker gerne zum Dialog mit allen Beteiligten bereit.

In diesem Sinne freundliche Grüße

Rainer Arnold