Frage an Rainer Arnold von Fabian B. bezüglich Energie
Sehr Geehrter Herr Arnold,
zum Thema Atompolitik, das bald auch ein wichtiger Punkt der Bundestagswahl 2009 sein wird, wollte ich Ihre Meinung hören.
Da ich Erstwähler bin, interessiere ich mich für Themen, die auch in weiterer Zukunft eine Rolle spielen werden.
Was sagen Sie dazu, dass die SPD die Atompolitik abschaffen will? Woher soll die Energie, die in deutschen Atomkraftwerken gewonnen wird, herkommen? Es werden ja immer mehr alternative Energiequellen gefördert, wie Wind-, Sonnen- und Wasserkraftwerke, diese aber bei Weitem nicht die Energie erreichen.
Soll der Strom den wir beziehen aus anderen Ländern kommen? Aber von welchen Energiequellen wird in diesen Ländern der Strom gewonnen?
Wenn dieser Strom auch aus Atomkraftwerken stammt, macht dies dann einen Sinn?
Wie teuer soll der Strom dann werden? Wäre das nicht einere weitere Lücke in unserer Wirtschaft?
Mit freundlichen Grüßen
Fabian Borowiak
Sehr geehrter Herr Borowiak,
was das wichtige Thema der bezahlbaren und zuverlässigen Energieversorgung von morgen anbetrifft, so sollte man sich zum einen vor Augen führen, dass die Kernkraft schon jetzt wesentlich teurer ist, als die Atomwirtschaft immer behauptet.
Denn wäre die Kernkraft wirklich so kostengünstig, müssten die Strompreise derzeit ja schon niedrig sein, denn die Atomkraftwerke laufen ja. Aber die Kernenergie hat so gut wie keinen Einfluss auf den Strompreis und führt weniger zu Kostensenkungen für die Verbraucher als vielmehr zu Gewinnerhöhungen für diejenigen Energieversorgungsunternehmen, die den deutschen Energiemarkt dominieren. Die Gewinne aus abgeschriebenen Kernkraftwerken belaufen sich auf rund 1 Mio. Euro am Tag. Der Strompreis orientiert sich aber am Börsenpreis. Dieser bildet die Erzeugungskosten des teuersten Kraftwerks ab, das bei einer gegebenen Nachfrage Strom produziert („Grenzkraftwerk der Merit Order“).
Dabei setzten die vier großen Energieunternehmen aufgrund ihrer Marktdominanz hohe Strompreise durch. Eine Laufzeitverlängerung würde diese beherrschende Stellung der großen Energiekonzerne noch verfestigen. Dezentrale kleine Kraftwerke und Erneuerbare Energien fördern dagegen den Wettbewerb. In der Folge würden die Preise würden sinken.
Der Steuerzahler hat die Atomenergie schon jetzt mit 45 bis 100 Milliarden Euro unterstützt/mitfinanziert ( je nach Schätzung). Das Restrisiko liegt aber allein beim Steuerzahler. Die Atomkraft-Lobby will grundsätzlich die Gewinne privatisieren und Verluste kollektivieren: Die Folgekosten der Atomenergie (u.a.Rückbau, Endlagerung, Schutz vor Terroranschlägen) von weit über 20 Mrd. Euro soll der Steuerzahler übernehmen. Das kommt in der Argumentation der Kernkraftwerk-Betreiber natürlich nicht vor.
Und schließlich: Wie risikoreich diese Technologie ist, haben uns in den letzten Jahren immer wieder Störfälle deutlich gemacht. Allein im Fall von Krümmel (Siedewasserreaktor der Baulinie von 1969) gab es bisher 313 gemeldete Vorkommnisse, ganz zu schweigen von dem Problem, dass die Entsorgung des hochaktiven Abfalls weiterhin ungelöst ist.
Zum anderen stellen Sie aber die berechtigte und wichtige Frage, woher dann in Zukunft bezahlbare und sichere Energie kommt.
Die Antwort hierauf liegt in der wirklichen Steigerung von Energieeffizienz und vor allem im massiven Ausbau von erneuerbaren Energien. Hierzu gibt es schon ein Energie- und Klimaprogramm, dass aber auch durch sinnvolle Maßnahmen erweitert werden sollte:
Der Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch liegt derzeit bei 12 Prozent. Bis 2020 soll er auf mindestens 30 % wachsen. Geregelt ist dieser Ausbau in der Novelle des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) geregelt. Neu geregelt werden hierzu u.a. die Vergütungen für Offshore-Windparks.
Die SPD geht aber noch weiter; deshalb haben wir in unserem Regierungsprogramm festgeschrieben, dass wir 2020 mindestens 35 Prozent der Stromerzeugung auf erneuerbare Energien umgestellt haben wollen, 2030 soll der Anteil dann bei 50 Prozent liegen. (Unser Regierungsprogramm finden Sie im Netz u.a. unter: http://www.rainer-arnold.de/pdf/regierungsprogramm.pdf ) Die Passagen zur Energiepolitik finden Sie auf Seite 17ff.
Weiter sieht das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz sieht vor, den Anteil erneuerbarer Energien an der Wärmebereitstellung bis 2020 auf 14 Prozent zu steigern. Hierzu werden im Wärmegesetz Pflichten für die Nutzung Erneuerbarer Energien bei Neubauten festgelegt und das Förderprogramm im Bestand von 130 Mio. 2005 auf bis zu 350 Mio. Euro im Jahr 2008 und bis zu 500 Mio. Euro ab dem Jahr 2009 aufgestockt.
Die Novelle der Gasnetzzugangsverordnung sorgt dafür, dass Biogas verstärkt in das Erdgasnetz eingespeist werden kann. Bis 2030 ist ein Anteil von 10 Prozent Biogas möglich. Biogas wird damit breit verfügbar und muss nicht mehr hauptsächlich am Ort der Herstellung genutzt werden.
Wir als SPD wollen zudem die Technologieführerschaft bei der Nutzung der Windenergie auch auf dem Meer nutzen. Hierfür streben wir bis 2013 eine installierte Leistung von rd. 1.500 - 2.000 MW an. Bei der Photovoltaik wollen wir bis Ende 2013 annähernd die Netzparität erreichen: Strom aus einer neuen Anlage in Deutschland wird dann nur noch soviel Geld kosten wie Strom aus der Steckdose. Bis 2010 werden lückenlose und umfassende Zertifizierungssysteme geschaffen, die den nachhaltigen Anbau von Pflanzen zur Erzeugung von Bioenergie sicherstellen.
Ein interessantes Modell im kleineren Maßstab sind auch die sogenannten Mini-Blockheizkraftwerke, die mit einem Zweiliter-Erdgasmotor von VW betrieben werden. Hiermit wird dann Wärme für Heizungen und Wasser produziert; bei Bedarf kann gleichzeitig überschüssige Energie in öffentliche Stromnetze eingespeist werden.
Weitere Energiequellen/Strom aus anderen Ländern haben Sie ja auch in Ihrer Frage angesprochen. Eine Möglichkeit ist Solar-Strom aus sonnenreichen Ländern. Relativ weit gediehen ist hier das sogenannte Desertec-Konzept, d.h. solarthermische Kraftwerke in Algerien und Marokko. Hierzu müssten u.a. noch die Bedingungen für eine Hochspannungsgleichstrom-Leitung geklärt werden. Dann wäre aber auch dies eine Option, uns von der endlichen Ressource Öl und der gefährlichen Ressource Atomstrom unabhängiger zu machen.
Zudem hat der Sektor Erneuerbare Energien - gerade auch angesichts der aktuellen Krise - einen wichtigen wirtschaftspolitischen Aspekt: Wir haben derzeit 280.000 Beschäftigte in diesem Bereich. D.h. die Arbeitsplätze in diesem Bereich haben sich seit 1998 vervierfacht. Dem stehen nur 38.000 im Bereich der Atomenergie gegenüber. Und Prognosen gehen davon aus, dass im Jahr 2020 etwa 400.000 bis 500.000 Beschäftigte im Bereich der Erneuerbaren Energien arbeiten.
Aus diesen genannten Gründen bleibt es für die SPD beim Atomausstieg. Denn es sollte der Politik nicht darum gehen, den Menschen vor steigenden Energiepreisen Angst zu machen. Vielmehr gilt es Lösungen zu erarbeiten, wie wir in saubere und sichere Energie und damit in eine sichere Zukunft unseres Landes investieren können.
In diesem Sinne freundliche Grüße
Ihr
Rainer Arnold