Frage an Priska Hinz von Torsten M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Warum gibt es eigentlich nur in Deutschland ein Dieselfahrverbot?
Sehr geehrter Herr M.,
Überall in Europa haben Großstädte mit schlechter Luft zu kämpfen. Die Luftqualität in der Europäischen Union hat sich in den letzten Jahrzehnten zwar insgesamt verbessert. Dennoch ist die Lebensqualität vieler EU-Bürgerinnen und -Bürger nach wie vor in unannehmbarer Weise beeinträchtigt. Chronische und schwere Krankheiten wie Asthma, Herz-Kreislauf-Probleme und Lungenkrebs sind oftmals unmittelbar auf Luftverschmutzung zurückzuführen. Die Europäische Kommission hat deshalb zuletzt sogar beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage gegen Deutschland, Frankreich, Ungarn, Italien, Rumänien und das Vereinigte Königreich eingereicht, weil die vereinbarten Grenzwerte für die Luftqualität nicht eingehalten werden.
Bei ihrem Bestreben die Luftqualität zu verbessern haben einige der betroffenen Nachbarländer bereits Fahrverbote für alte Diesel- und auch Benzin-PKW umgesetzt. In Italien, Frankreich, Spanien, Griechenland, Großbritannien und Dänemark gelten zum Teil seit Jahren Fahrverbot. In Italien beispielsweise sind Fahrverbote schon lange üblich. Die Stadt Turin beschloss vor einem Jahr, bei Überschreiten der Grenzwerte auch Fahrverbote für moderne Diesel mit der Abgasnorm Euro 6 zuzulassen. Mailand sperrte bereits 2012 die Innenstadt für Dieselfahrzeuge bis Euro 4, ab 2020 wird das Verbot auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet. Ab 2024 gilt es dann bis Euro 5. Und ab 2030 sollen in Mailand überhaupt keine Diesel-PKW mehr fahren dürfen. In Paris wiederum dürfen Diesel-PKW, die älter als 14 Jahre sind, ab 2019 nicht mehr fahren. In London wird seit mehreren Jahren eine sogenannte "Toxicity Charge" erhoben. Genügt ein Wagen nicht der Euro-4-Abgasnorm, darf er nicht in die Innenstadt fahren oder muss eine zusätzliche, zehn Pfund teure, „Giftgebühr“ zahlen. Der neue "Air quality plan" der britischen Regierung sieht sogar vor den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotor ab 2040 gänzlich zu verbieten.
In Deutschland würde ein mögliches Fahrverbot z.B. in Frankfurt etwa ein Viertel der dort registrierten Autos und zahllose Pendler oder Besucher aus dem Umland betreffen. Nicht zu vergessen der Wertverlust der betroffenen Fahrzeuge. Ich bin deshalb davon überzeugt, Fahrverbote würden am Ende die Falschen treffen. Wer ein vermeintlich umweltfreundliches Diesel-Fahrzeug gekauft hat, darf jetzt nicht zum Leidtragenden werden. Deshalb wird sich die Landesregierung mit aller Kraft weiterhin dafür einsetzen, Fahrverbote zu verhindern. Gleichzeitig möchte ich an dieser Stelle aber auch klar und deutlich betonen: Der Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger und eine saubere Luft in unseren Städten stehen in der ganzen Debatte für mich an erster Stelle.
Die Lösung für diesen Konflikt kann nur darin bestehen, dass die Emissionen der Dieselfahrzeuge auf das vorgesehene Maß reduziert werden, was über Hardware-Nachrüstungen technisch möglich ist. Die Hardware-Nachrüstung ist das sicherste und schnellste Mittel zu weniger Stickoxiden in den Städten und dafür, generelle Fahrverbote abzuwenden. Gemeinsam mit weiteren Maßnahmen würden Hardware-Nachrüstungen dazu führen, dass die Grenzwerte in den hessischen Städten und Ballungszentren weitestgehend eingehalten werden können. Uns GRÜNEN ist wichtig, dass die Hersteller den Umbau bezahlen: Wer ein vermeintlich emissionsarmes Diesel-Fahrzeug gekauft hat, darf nicht auf den Kosten sitzen bleiben. Wenn Diesel so nachgerüstet werden, dass sie die Grenzwerte einhalten, wird die Luftqualität in den Städten dauerhaft besser, die EU-weiten Grenzwerte werden eingehalten, und es müssen nicht hunderttausende Fahrzeuge verschrottet oder in andere Länder verkauft werden.
Mit freundlichen Grüßen
Priska Hinz