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Priska Hinz
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Frage von Wittich d. •

Frage an Priska Hinz von Wittich d. bezüglich Gesundheit

Befürworten Sie den Untergang der hessischen Kassenärzte insb. der Neurologen und Psychater, die schon jetzt nur noch einen Jahresumsatz von ca. 80T Euro haben, wovon Praxiskosten, Lebensunterhalt, Altersvorsorge ect. bedient werden sollen?
Eine Gesundheitsreform, die die Ärzte, das Pflegepersonal und die Patienten als "störend" im System erlebt, kann nicht funktionieren. Moderne Medizin kostet nicht weniger, sondern immer mehr, da mehr kranke Menschen am Leben erhalten werden.
Ich war fast 30 Jahre Belegarzt an der Hessenklinik Wetzlar, wir mussten die Abteilung schließen, weil wir nicht mehr kostendeckend arbeiten konnten in Folge der fatalen Auswirkungen der Manipulationen am Gesundheitssystem. Schon jetzt stehen Nervenpraxen- nur die kann ich beurteilen- praktisch unter Bankaufsicht.
Ist das der Aufschwung?
Ich glaube, Frau Schmidt und ihre Mitarbeiter wissen nicht, was vor Ort passiert, Frau Schmidt kannte vor kurzem noch nicht mal den Begriff "Belegarzt"., so wurden die Belegärzte einfach "vergessen". Vielleicht geben Ihnen diese Informationen einen Denkanstoß.

Mit freundlichen Grüßen und guten Wünschen fürs Neue Jahr
Dr.W.Berger

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Dr. Berger,

uns erreichen - wie Sie sich sicher denken können - eine große Zahl an Briefen, in denen Bürgerinnen und Bürger ihre Sorge und Kritik an der Gesundheitsreform zum Ausdruck bringen. Auch die teilweise prekäre existenzielle Lage von Menschen, die für die Gesundheit anderer arbeiten und sich engagieren, ist mir bekannt und erfüllt auch mich mit großer Sorge.

Lassen Sie mich trotz Ihrer konkreten Stellungnahme zu Ihrer bisherigen Tätigkeit als Belegarzt, die meiner Meinung nach als ein Beispiel von vielen die dringende Reformbedürftigkeit unseres Gesundheitswesens widerspiegelt, einmal grundsätzlich etwas zum "großen Reformprojekt" von CDU und SPD sagen:

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben die nun beschlossene Reform weder erdacht noch ihr zugestimmt. Denn wir halten den nach wochenlangem Hin- und Hergezerre mühsam gefundenen Reformkompromiss der Großen Koalition für gründlich misslungen.

Weder macht er die Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung nachhaltiger und stabiler, noch behebt er ihre Gerechtigkeitslücken. Und auch an die kartellartigen und damit ausgabenträchtigen Strukturen insbesondere auf der Anbieterseite des Gesundheitswesens traut sich die Bundesregierung nicht wirklich heran.

Unsere Kritik richtet sich insbesondere gegen folgende Punkte:

- Auch weiterhin soll die gesetzliche Krankenversicherung fast ausschließlich über Beiträge auf Arbeitseinkommen finanziert werden. Das ist ungerecht, weil Kapitaleinkünfte beitragsfrei bleiben, und belastet unnötig die Arbeitskosten. Und es führt auch dazu, dass die Finanzierung der Krankenversicherung immer unsicherer wird. Denn durch die hohe Arbeitslosigkeit und den fortgesetzten Abbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung bleiben die Beitragseinnahmen immer weiter hinter den Ausgaben zurück. Und auch die von der Bundesregierung groß angekündigte Steuerfinanzierung der Kindermitversicherung erweist sich als eine Nebelkerze. Zum einen, weil die angekündigten Steuerzuweisungen (2008: 1,5 Mrd. €; 2009: 3 Mrd. €) weit hinter den tatsächlichen Kassenausgaben für Kinder (rund 14 Mrd. €) zurückbleiben. Darüber hinaus aber auch, weil der Bundeszuschuss in Höhe von 4,2 Mrd. € gestrichen wird, den die Krankenkassen seit der letzten Gesundheitsreform für Leistungen bei Mutterschaft und Schwangerschaft erhalten. Rechnet man die Summen gegeneinander, wird der steuerfinanzierte Anteil in der gesetzlichen Krankenversicherung in den nächsten Jahren um rund 1,2 Milliarden Euro sinken!

- Der Gesundheitsfonds ist eine aufwändige Reformattrappe. Zu einer Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der Krankenversicherung wird er nichts beitragen. Stattdessen ist durch den Gesundheitsfonds mit steigenden Beiträgen zu rechnen. Alleine der zusätzliche Verwaltungsaufwand dürfte die 1-Milliarden-Grenze übersteigen. Da die Koalition das auch weiß, hat sie das Inkrafttreten des Fonds erst einmal auf das Jahr 2009 verschoben. Im Jahr davor sind Landtagswahlen in Bayern, Hessen und Niedersachsen und die dortigen Unions-Ministerpräsidenten wollen mit den Fonds und den durch ihn ausgelösten Beitragsschub in ihren Wahlkämpfen nichts zu tun haben.

- Zu zusätzlichen Belastungen der Versicherten wird der Zusatzbeitrag führen. Diese kleine Kopfpauschale werden vor allem die Krankenkassen erheben müssen, die viele ältere und kranke Mitglieder haben. Damit wird der Kassenwettbewerb noch stärker auf junge Gutverdiener ausgerichtet. Die Belastungsobergrenze von 1% des beitragspflichtigen Einkommens wird vor allem von der Union bei jeder Kostensteigerung im Gesundheitswesen in Frage gestellt werden. Für Merkel & Co. Ist der Zusatzbeitrag der Hebel, mit dem sie nach und nach ihr Kopfpauschalensystem durchsetzen wollen.

- Auch weiterhin werden die privat Krankenversicherten keinen Beitrag zum Solidarausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung leisten. Der soll nach den Koalitionsplänen auch künftig nur zwischen Durchschnitts- und Geringverdienern stattfinden.

- Geht es nach den Koalitionsplänen, bleibt es bei den Kollektivverträgen zwischen Ärzten und Kassen und den zunftartigen Strukturen auf dem Apothekenmarkt. Direktverträge zwischen Kassen und Anbietern von Gesundheitsleistungen bleiben weiterhin die Ausnahme. Ein lebhafter Wettbewerb um mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit kann so nicht entstehen.

Diese Reform ist nicht zu gebrauchen. Anstatt Probleme zu lösen, schafft sie neue. Außerdem wird mit ihrer Realisierung viel Zeit verloren gehen. Insbesondere die Anforderungen, die mit dem Aufbau des völlig überflüssigen Gesundheitsfonds verbunden sind, werden die Kräfte aller Beteiligten über Jahre hinaus binden. Diese Zeit wäre aber für die Formulierung und Durchsetzung der Reformen, die unserem Gesundheitswesen wirklich weiterhelfen, dringend notwendig.

Gegen diese Reform richtet sich zu Recht massiver Protest. Über alle sonstigen Interessengegensätze hinweg protestieren Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Krankenkassen, Ärzteorganisationen und viele andere Gruppen Seite an Seite gegen die Umsetzung der Gesundheitsreform, die aber wohl dennoch am 16.02.2007 im Bundesrat beschlossen werden wird, um dann ab 1. April 2007 nach und nach in Kraft zu treten.

Weitere Informationen - insbesondere unsere ausführlichen Stellungnahmen nach der Verabschiedung der Reform im Bundestag am 2.02.2007 - finden Sie im Internet unter http://www.gruene-bundestag.de/cms/soziales_gesundheit/dok/167/167086.htm

Herzliche Grüße

Priska Hinz