Frage an Priska Hinz von Cora von H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Hinz,
vorab will ich Sie wissen lassen, dass ich von Politikern extrem wenig halte. Das hat zu tun, mit dem Verhalten vieler Politiker quer durch alle Parteien. Natürlich betrifft das auch die Grünen....
Ein passendes Beispiel ist Ihr Parteikollege Cem Özdemir (Flugaffäre), man parkt diesen Herrn einfach eine Weile in Brüssel (EU-Parlament) bis der Wähler das ganze vergessen hat. Integrität ist etwas anderes, aber Grundvoraussetzung für Bundestagsabgeordnete.
Doch zu meiner Frage. Sie haben sich eindeutig positioniert, was das Betreuungsgeld angeht, sogar wurden Frauen, die das Geld gerne annehmen würden, wurden gerade von den Grünen diskreditiert und sogar diskrimminiert. Zudem wäre das Betreuungsgeld sehr teuer und das könnte man einsparen.
Wo also bleibt die Verhältnismässigkeit??? Einerseits sei kein Geld für Betreuungsgeld vorhanden, aber andererseits werden Milliarden in Europa verteilt und jetzt das ist die Krönung, werden Banken gerettet. Diese Banken haben in der Vergangenheit Kredite für Immobilien vergeben, wohlwissend, dass eine Rückzahlung mehr als zweifelhaft ist. Ausserdem würde mich mal interessieren, was wurde eingentlich aus dem § 125 der Lissabonverträge Stichwort NOBAILOUT..???
Mit freundlichen Grüssen
Cora von Haeften
Sehr geehrte Frau von Haeften,
vielen Dank für Ihr Fragen. Wir Grüne sprechen uns klar gegen die geplante Einführung eines Betreuungsgeldes aus und engagieren uns im Bundestag dafür, dass dessen gesetzliche Grundlage, die 2007 von der Großen Koalition im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankert wurde, wieder gestrichen wird.
Es gibt viele sehr gute Argumente gegen das Betreuungsgeld. Und es ist auffällig, dass das Betreuungsgeld von fast allen gesellschaftlichen Organisationen abgelehnt wird, ob das nun Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Familienverbände oder wissenschaftliche Institutionen sind.
Für uns von großer Bedeutung: Das Betreuungsgeld würde begünstigen, dass insbesondere Kinder, die in ihrer Familie wenig Unterstützung und Förderung erfahren, nicht in eine Kita gehen. Es ist also nichts anders als eine Kita-Fernhalteprämie. Denn das einzige Auszahlungskriterium besteht darin, ob ein Kind eine Kita besucht oder nicht. Erfahrungen in Ländern, in denen es ein Betreuungsgeld gibt, zeigen, dass so ein falscher Anreiz gerade für bildungsferne Eltern gesetzt wird, ihren Kindern frühkindliche Bildung vorzuenthalten. Die ehemalige Bildungsministerin Ursula von der Leyen hat das Betreuungsgeld vor diesem Hintergrund richtigerweise als „bildungspolitische Katastrophe“ bezeichnet.
Wir halten das Betreuungsgeld auch aus gleichstellungspolitischen Gründen für völlig falsch. Denn es setzt gerade für junge Mütter einen Anreiz, nicht beziehungsweise erst spät wieder in ihren Beruf zurückzukehren. Das schwächt die Situation junger Eltern und Mütter auf dem Arbeitsmarkt, erschwert die Rückkehr in den Beruf und ist mittel- und langfristig ein Problem bezüglich des Erwerbs einer eigenständigen Absicherung. Das Betreuungsgeld muss in diesem Zusammenhang auch verfassungsrechtlich kritisch gesehen werden, weil das deutsche Grundgesetz den Gesetzgeber verpflichtet, aktiv Maßnahmen zu ergreifen, die die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern befördert. Mit dem Betreuungsgeld würde aber das Gegenteil passieren und die tradierten Rollenmuster befördert.
Als Argument für die Einführung des Betreuungsgeldes wird eingewandt, es würde Wahlfreiheit hergestellt zwischen dem Besuch der Kita und der Erziehung eines Kindes zuhause. Tatsache ist aber, dass Eltern keine Wahlfreiheit haben, weil es nicht genügend Kita-Plätze gibt und nicht, weil es kein Betreuungsgeld gibt. Deshalb muss der Fokus der Politik ganz klar darauf ausgerichtet sein, ausreichend und auch qualitativ gute Kita-Plätze zur Verfügung zu stellen. Die 1,2 Milliarden Euro, die für das Betreuungsgeld vorgesehen sind, wären für einen besseren Kita-Ausbau viel sinnvoller eingesetzt.
Es gibt somit einige Gründe die gegen die Einführung des Betreuungsgeldes sprechen und nicht nur die damit verbundenen Kosten. Der Vergleich der entstehenden Kosten durch das Betreuungsgeld und den Kosten zur Bewältigung der augenblicklichen Krise in Europa ist verfehlt. Die bisher ausgegebenen Kreditlinien durch EFSF bzw. ESM verletzten den Artikel 125 der Lissaboner Verträge nicht. Dies wurde nochmals durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 27.11.2012 bestätigt. Dies ist ein Grund weshalb wir Grünen den ESM unterstützen können. Des Weiteren verfolgt dieser ein zentrales Prinzip: Es gibt nur Hilfe gegen Auflagen. Diese Konditionierung bedeutet, dass der ESM nur greift, wenn die hilfebedürftigen Mitgliedsstaaten vorab getroffene Vereinbarungen auch sicher einhalten. Außerdem werden die Kredite nur dann vergeben, wenn der Empfänger seine Schulden auch tatsächlich tragen kann. Das wird in einer sogenannten Schuldentragfähigkeitsanalyse überprüft.
Ihre Bedenken was das Bankensystem betrifft teilen wir und fordern Strukturen die es ermöglichen große, in Schieflage geratene Finanzinstitute in die Insolvenz zu schicken ohne Schaden für die Kunden und die Gesellschaft als Ganzes zu erzeugen. Das Europäische Gipfeltreffen im Juni 2012 eröffnete, wie seit langem von uns gefordert, den Weg in Richtung einer Bankenunion. Es wurden Schritte zur Etablierung einer Bankenaufsicht auf Europäischer Ebene vereinbart sowie ein erleichterter und flexiblerer Zugang für Krisenländer und betroffene Banken zum Rettungsschirm. Damit werden Maßnahmen ergriffen, die bei konsequenter Umsetzung endlich den Teufelskreis aus Banken- und Staatsschulden durchbrechen könnten. Aus Grüner Sicht ist es daher elementar, dass eine Bankenunion bei der Abwicklung von Banken im Interesse der Steuerzahler agiert und dass die Kapitalgeber der Banken entsprechend beteiligt werden. Nur wenn dies sichergestellt ist, sind die Beschlüsse des Gipfeltreffens tatsächlich als Fortschritt zu werten.
Deutschland allein hat in einer globalisierten Welt auf Dauer kein Gewicht – um politischen Handlungsspielraum zurückzugewinnen brauchen wir eine handlungsfähige und starke Europäische Union. Der ESM kann aber nur ein Baustein hin zu einer krisenfesten finanz-, haushalts- und wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit in der EU sein. Gleichzeitig müssen wir an der institutionellen Fortentwicklung der EU arbeiten. Langfristig müssen dafür tatsächlich auch Entscheidungsbefugnisse in der Fiskalpolitik auf die Gemeinschaftsebene der EU überführt werden. Ein demokratischerer Aufbau der EU mit einem stärkeren Parlament liefert dabei die Grundlage für eine entsprechende Kompetenzübertragung. Des Weiteren fordern wir Grüne seit langem die Einführung eines Schuldentilgungspakts, eine Finanztransaktionssteuer und ein europäisches Investitionsprogramm.
Freundliche Grüße
Priska Hinz