Was werden Sie gegen die geplante sog. "Chatkontrolle" tun um die anlasslose Überwachung der Kommunikation aller EU-Bürger zu verhindern?
Sehr geehrte Frau Herzberger-Fofana,
im Koalitionsvertrag der deutschen Bundesregierung, an dem auch Ihre Partei beteiligt war, steht folgendes "Wir stärken digitale Bürgerrechte und IT-Sicherheit. Sie zu gewährleisten ist staatliche Pflicht. Wir führen ein Recht auf Verschlüsselung, […] ein." Das ist meiner Meinung nach mit dem unter Generalverdacht stellen und der anlasslosen Überwachung von privater und vertraulicher Kommunikation aller Bürger unvereinbar. Es wird zwar unter dem Deckmantel des Kampfes gegen Kinderpornografie angepriesen, aber Experten zufolge findet das Verbreiten von Kinderpornografie über verschlüsselte Dateien, die über das hidden web (z.B. Tor oder i2p) verbreitet werden statt und das Überwachen von privater Kommunikation über Email oder Messengerdienste würde dagegen wenig bis nichts helfen. Anspieltipp: https://chaosradio.de/cr276-chatkontrolle
Guten Tag,
vielen Dank für Ihre Frage. Uns Grünen ist der Schutz der Persönlichkeitsrechte, gerade im digitalen Raum äußerst wichtig. Diese Rechte dürfen ausschließlich dann beschnitten werden, wenn dies dem Schutz von besonders schutzbedürftigen Personen, wie bspw. Kindern dient. Darauf zielt der Antrag der Kommission zur sogenannten „Chatkontrolle“, wobei dieser, wie Sie im folgenden Abschnitt unseres Digitalbeauftragten Tobias B. Bacherle, sehen werden, weiterer Nuancierung bedarf.
„Sexueller Missbrauch und seine Darstellung müssen sehr entschieden bekämpft werden – auch und gerade online. Wir brauchen wirkungsvolle EU-weite Regelungen zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Sexueller Missbrauch und sexuelle Ausbeutung von Kindern einschließlich der Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen stellen schwerste Rechtsverstöße dar, gegen die es mit aller rechtsstaatlichen Entschlossenheit vorzugehen gilt.
Als Grüne Fraktion machen wir seit Jahren – sowohl im Kontext der Diskussion um die effektive Bekämpfung von Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs als auch bezüglich des Umgangs mit strafbaren Meinungsäußerungen im Netz – sehr konkrete parlamentarische Vorschläge, um die Erkennung und umgehende Löschung entsprechender Inhalte sicherzustellen und zu effektivieren.
Der jüngste Vorschlag der EU-Kommission enthält wichtige und gute Aspekte – doch an einer Stelle schießt er übers Ziel hinaus und begegnet damit schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken: Er schlägt unter anderem vor, private Unternehmen zum systematischen Scannen von privaten Text-, Bild- und Videoinhalten zu verpflichten. Es bestehen massive Zweifel, dass dies mit geltendem europäischen wie deutschen Grundrecht sowie der EuGH-Rechtsprechung vereinbar ist.
Trotz einer ganz erheblichen Kritik aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft hält die Kommission bislang an ihrem Vorschlag fest – obwohl auch der EuGH eine Auswertung privater Kommunikation nur im absoluten Ausnahmefall und nicht flächendeckend für zulässig und verhältnismäßig befand.“