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Philipp Tacer
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Frage von Piet van A. •

Frage an Philipp Tacer von Piet van A. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Tacer,

der Gesundheitsminister, Herr Bahr von der FDP, hat -von vielen offenbar unbemerkt, und von interessierter Seite auch gerne verschwiegen- die Öffnung der privaten Krankenkassen für alle Bürgerinnen und Bürger gefordert. Damit verlässt er den Konsens, der mit dem Gesundheitsfond als vorübergehende Lösung vereinbart wurde. Abgesehen davon, dass die Umsetzung dieser Forderung vor allem zulasten der Jüngeren ginge, ist es für eine Wahlentscheidung von Belang, wie Sie und ihre Partei die Zukunft der gesundheitlichen Absicherung und der Pflege in Deutschland gestalten wollen. Wird die SPD die schleichende Privatisierung dieser Versorgungsarten beibehalten?
Vergleichbare Fragen stellen sich bei der Altersversorgung. Was ist mit jenen, die in zunehmender Zahl die zweite Säule (Riester) sich nicht leisten können und angesichts ihres Beschäftigungsverhältnisses auch keine betriebliche Altersversorgung zu erwarten haben? Und warum wird der Eindruck erweckt, die klare Ansage von Herrn Steinbrück zu der Entwicklung der Pensionen im öffentlichen Dienst müsste relativiert werden?
Da Heiteres selbst im Wahlkampf nicht untersagt ist, kurz noch das Folgende: Heute erklärte Frau Dr. Merkel, dass sie mit dem Gesundheitsminister über die Reife gesprochen habe. Das bezog sich zwar auf eine solche eines Gesetzentwurfes seines Hauses, die nicht wohl gegeben war, kann aber gewollt missverständlich gemeint gewesen sein. Herr Bahr ist offenbar ebenso gerne Gesundheitsminister, wie Herr Rösler Vizekanzler.
In Erwartung Ihrer geschätzten Anwort,

Piet van Ackeren

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr van Ackeren,

um von hinten anzufangen:

A

Warum sollte ein Mensch mit einer spezifischen Eigenschaft sich nicht darüber erheitern, wenn ein Witz über diese Eigenschaft erzählt wird? Da ich selber noch nicht zu den alten Hasen gehöre, bemühe ich mich, stets darauf zu achten, Kompetenz nicht mit schnodderiger Arroganz zu verwechseln. Kein Amt darf dazu verleiten. Daher kann ich über die Andeutung herzlich lachen, die in Ihrer Schlusspointe Herrn Bahr betreffend schlummert.

Da Sie ja eigentlich gleich drei recht inhaltsreiche Fragen gestellt haben, wird meine Antwort etwas umfänglicher. Dafür bitte ich um Verständnis.

In der Sache stimme ich Ihnen erst einmal zu, soweit Sie ausführen, dass der Vorschlag des Gesundheitsministers nicht im grellen Scheinwerferlicht der Medienberichterstattung stand. Die Klientel seiner Partei dürfte aber das Signal sehr wohl vernommen haben. Und das ist schädlich für die Gesellschaft.

B Ihre Sachfragen

B 1 Krankenversicherung

Ich darf unterstellen, dass Sie politisch interessiert sind. Daher erinnern Sie sich gewiss an das Ringen in der damaligen großen Koalition um einen Kompromiss, der die teilweise diametral unterschiedlichen Modelle von CDU und SPD bei der Neuordnung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zusammenbringen sollte. Das Eckpunktepapier vom 4. Juli 2006 dazu geriet dann am 2. Februar 2007 zu eben der Regelung, die wir heute in Kern noch haben. Auch wegen der notwendigen Beteiligung der Länder, also des Bundesrates, war mehr weder von der CDU, noch von der SPD durchzusetzen. Allerdings entfiel die im Eckpunktepapier vorgesehene Einbeziehung der privaten Krankenversicherungen (PKV) im Verlaufe des oben dargestellten Prozesses; - meines Erachtens nicht zufällig.

Die SPD hält nach wie vor die von ihr favorisierte Bürgerversicherung für das gesellschaftspolitisch bessere und gerechtere Modell einer modernen Finanzierung der Krankenversicherung. Die dafür erforderliche Mehrheit im Bundesrat haben wir zurzeit, und das unabhängig davon, wie die Landtagswahlen in Bayern und Hessen ausgehen werden.

Eine -wie Sie es nennen- „schleichende Privatisierung“ der Versorgung mit Grundleistungen wird es mit der SPD und mit mir nicht geben. Die Krankenversicherung zählt für die SPD einem Grundrecht gleich dazu. Wer immer auch geltend macht, dass sich die Parteien kaum noch unterscheiden würden, kann allein bei der Ausgestaltung der GKV feststellen, dass diese Einschätzung nicht zutrifft.

Auch unser Kanzlerkandidat Peer Steinbrück wird nicht müde, nicht erst seit dem Beginn des Wahlkampfes ständig darauf zu verweisen, dass die Schere in unserer Gesellschaft ständig weiter aufgeht, eine Entwicklung, die unverzüglich gestoppt werden muss. Auch bei dieser Aussage steht die gesamte SPD hinter ihm. Das Bekenntnis dazu steht in der Tradition der Sozialversicherung schlechthin und ist unveräußerlicher Bestandteil sozialdemokratischer Politik. Die jedoch ist, wie Bismarck formulierte, die Kunst des Möglichen. Dass gerade er seinerzeit die Sozialversicherungen „erfand“, gehört dabei zur Ironie der Geschichte: Sie war vornehmlich als Maßnahme gegen die „gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ (Sozialistengesetz vom 19.10.1878 bis 30.09.1890) gerichtet.

B2 Rentenversicherung

Unsere gemeinsame sozialdemokratische Auffassung darüber, wie eine gerechte und prosperierende Gesellschaft gestaltet und in ihrem Wesen erhalten und gefördert werden kann, erstreckt sich auch auf unsere Überlegungen und Vorschläge bei der Rentenversicherung. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die sich als Jüngere keine Gedanken über die eigene Altersversicherung machen. Im Gegenteil: Mein politisches Engagement gründet u. a. auch darin, dass ich Fehlentwicklungen rechtzeitig und mit Augenmaß entgegenwirken möchte. An Wirtschaftsfragen geleichermaßen interessiert, sehe ich daher die Gestaltung der Rentenversicherung als eine der zentralen Gestaltungsherausforderungen der für die Zukunft.

Ihre beiden ersten Fragenkomplexe betreffen einen Regelungsbereich, der ungemein komplex ist, und an dessen jeweiligem Gestaltungsergebnis kaum weniger Einzelbelange beteiligt sind, als es bei der Steuergesetzgebung der Fall ist. Ja, ich räume gerne ein, dass es frustrierend ist, keine sogenannte „einfache Lösung“ anbieten zu können. Ja, es ist sehr ärgerlich, dass selbst wohlgemeinte Detailveränderungen zu Resultaten führen, die das Gegenteil dessen sind, was gewollt war. Daher kommt es mir und meiner Partei darauf an, dort Stellschrauben zu justieren, wo diese Gefahr nicht besteht:

Wir wollen auch deshalb einen flächendeckenden Mindestlohn, weil nur so
wenigstens annähernd Beiträge einkommen, die eine spätere Grundsicherung einer
Rente gewährleisten. Sie soll 850,00 Euro betragen und nicht wie die
Lebensleistungsrente der CDU als Gnadenzuschuss in -sehr, sehr vielen Fällen
dann übrigens- gezahlt werden. Mit diesem Ansatz beginnen wir, die Perspektiven
künftiger Rentnerinnen und Rentner zu verbessern. Die Beseitigung der
Erwerbsarmut macht es erst überhaupt möglich, Altersarmut zu verhindern. Wir
wollen das System der Betriebsrenten stärken. Das macht Sinn, denn wir wollen
mehr Menschen in feste, bestandskräftige, sozialversicherungspflichtige
Arbeitsverhältnisse bringen.

Für mich persönlich ist die sogenannte „Riester-Rente“ noch nicht der Weisheit
letzter Schluss. Zusätzliche private Vorsorge sollte als zwingende Komponente
eigentlich unnötig sein. Stattdessen engagiere ich mich für eine Stärkung der
solidarischen gesetzlichen Rentenversicherung. Und die Erfahrungen mit den
Erträgen und dem Umgang mit privaten Langzeitersparnissen berechtigt durchaus
dazu, grundsätzlich Zweifel an dieser „Privatisierung“ von Grundleistungen
geltend zu machen. Eine auch steuerfinanzierte Mindestrente für langjährig
Versicherte als Basis des letzten Lebensabschnitts ohne Armutssorgen halte ich
daher für ein Ziel, an dessen Verwirklichung ich gerne konstruktiv mitwirken
möchte. Darf ich Sie und an dieser Stelle auch alle anderen Leserinnen und Leser
daher darum bitten, mir und meiner Partei am 22. September ihre Stimmen zu
geben, wenn Sie das auch so sehen?

B3 Pensionen

Die Aussagen von Peer Steinbrück im „Duell“ zur notwendigen Beobachtung der Entwicklung der Pensionen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst und dem Gerechtigkeitsgebot, diese gegenüber den Renten nicht unangemessen höher ausfallen zu lassen, sind richtig und im Übrigen seit Jahren gelebte Praxis in ganz Deutschland. Was Sie als „Korrektur“ bezeichnen, ist nichts anderes als die angemessene Reaktion darauf, dass medial überwiegend seine Aussage als Ankündigung einer Pensionskürzung nahezu Brüning‘schen Ausmaßes kommuniziert wurde. Es wird mit der SPD keine Kürzungen von Pensionen geben! Wir stehen für eine armutsfeste Alterssicherung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Beamten. Aus sozialen Gründen aber auch aus ökonomischen Gründen.

C

Eine meiner Professorinnen meinte einmal, dass die Bestandteile jeder Finanzierung von Sozial- und Steuersystemen in gewisser Weise einem Kartenhaus gleichen würden. Und das sei im Spannungsverhältnis von Ziel und Methode extrem fragil, extrem widersprüchlich, ja kaum lösbar. Gibt es aber eine Lösung, so sei diese so schwer zu vermitteln, wie ein Bild vom gekrümmten Raum.

Nachdem ich mich intensiv mit diesen Problemen befasst hatte, teile ich diese Meinung und bitte Sie darum, besonders den ganz einfach klingenden Versprechen keinen Glauben zu schenken. Die sozialen Sicherungssysteme sind eine Daueraufgabe, die alsbald jedoch in ihrer endgültigen Richtung nachhaltig angegangen werden muss. Auch deshalb haben wir übrigens eine „Richtungswahl“, bei der Sie die richtige Richtung mit ihrer Stimme mit vorgeben können.

Mit Dank für Ihre Anfrage,

Philipp Tacer