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Frage von Hartmut K. •

Frage an Philipp Tacer von Hartmut K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Tacer,

Wir alle wissen, dass Griechenland de facto zahlungsunfähig ist. Was die euro-Rettungspolitiker machen, ist deshalb nichts anderes als Insolvenzverschleppung, und das zum Schaden Deutschlands, weil hier noch gutes Geld dem schlechten hinterher geworfen wird. Warum protestieren Sie nicht im Bundestag und in Ihrer Partei gegen diese fortgesetzte Griechenland-Rettung zum Schaden der deutschen Steuerzahler, die Sie doch vertreten sollen?

Ich freue mich auf Ihre Anwortnund verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Hartmut Küchle

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Küchle,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, die ich sehr gerne beantworte. Im Übrigen ist die europäische Wirtschafts- und Finanzkrise ein Thema, mit dem ich mich schon seit längerer Zeit intensiv befasse. Als Koordinator des Wissenschaftsforums der SPD Düsseldorf habe ich in der Vergangenheit Veranstaltungen zur Wirtschafts- und Finanzkise verantwortet, auf denen zusammen mit hochkarätigen Wirtschaftswissenschaftlern und Politologen über die Ursachen der Krise und Strategien zu ihrer Überwindung diskutiert wurde.

Sie fragen mich, wieso ich im Bundestag nicht gegen die Krisenpolitik protestiere. Nun, ich kann mich im Deutschen Bundestag derzeit noch nicht zur Krise äußern, da ich dem Bundestag noch nicht angehöre. Sollten die Düsseldorfer Wählerinnen und Wähler mir am 22.09. das Vertrauen geben, den Wahlkreis Düsseldorf-Nord in Berlin vertreten zu dürfen, können Sie sicher sein, dass ich mich im Bundestag intensiv mit der Wirtschaftskrise befasse und mich dort zu Wort melden werde.

Was mich am gegenwärtigen politischen und medialen Diskurs zur Wirtschaftskrise stört, ist die Tatsache, dass zu wenig auf die eigentlichen ökonomischen Ursachen der Krise geschaut wird. Wenn jedoch die Analyse und die Diagnose unzureichend sind, dann sind auch Medikation und Therapie im Zweifel nicht zielführend.

Aus meiner Sicht müssen wir in Europa und in Deutschland wieder zu einer Philosophie kommen, die im Ökonomischen mehr auf Langfristigkeit statt auf Kurzfristigkeit setzt. Die gigantischen, im Grunde surrealen, Spekulationen von Finanzmarktakteuren hingen und hängen m. E. auch damit zusammen, dass wir bei vielen Bankhäusern und Finanzinstituten leider eine Mentalität erreicht haben, in denen die nicht privat haftenden Manager durch die Struktur ihrer Vergütungen (Stichwort "Boni") lediglich an Kurzfristgewinnen und -spekulationen interessiert waren, ohne dabei an langfrisitge wirtschaftliche Entwicklungen zu denken. Wir müssen also wieder mehr in ökonomischen Zusammenhängen denken und handeln. Nicht alles, was für einen einzelnen Manager ertragreich ist, ist auch gesamtwirtschaftlich und volkswirtschaftlich klug. Leider macht die Bundesregierung von Angela Merkel keine signifikanten Fortschritte in diesem Bereich. Aus meiner Sicht müssen Bankhäuser wieder "langweilig" werden, indem sie keine surrealen Renditeziele ausgeben oder gemeinwohlgefährdende Spekulationsgeschäfte machen, sondern indem sie das tun, was ihre explizite Aufgabe ist: Die Finanzierung von Investitionen in Unternehmen und die Finanzierung von guten Ideen in der Realwirtschaft. Aus meiner Sicht gehört es im Übrigen auch zur Ironie der Niedrigzingspolitik der EZB, dass die Geschäftsbanken derzeit so günstig wie nie an Kredite bei der EZB kommen, aber das Geld in der Realwirtschaft überhaupt nicht im ausreichenden Maß zur Finanzierung von produktiven Unternehmen ankommt. Aus meiner Sicht müssen die Bürgerinnen und Bürger wieder die stärkste Lobby im Bundestag haben, und nicht die Renditeinteressen von Banken. Es kann nicht sein, dass einseitig der Steuerzahler für die Fehler der Banken in Haftung genommen wird. Eine von der SPD geforderte Finanztransaktionssteuer würde übrigens helfen, um zukünftig gefährliche Spekulationen von Banken und Finanzmarktakteuren zu unterbinden.

Ein weiterer Punkt, der mir wichtig ist und der kausal mit der Finanzkrise in Europa zusammenhängt, sind die ökonomischen Ungleichgewichte in Europa. Deutschland ist seit Jahren Exportweltmeister und produziert einen Handelsbilanzüberschuß nach dem anderen. Gleichzeitig ist die deutsche Volkswirtschaft aber nicht in der Lage, eine adäquate Nachfrage - sowohl im Inland als auch gegenüber dem europäischen Ausland - zu generieren. Die Tatsache der unterentwickelten Nachfrage und der unterentwickelten Kaufkraft in Deutschland hängt stark zusammen mit den Niedriglöhnen in vielen Branchen und Bereichen des Landes. Wir müssen aus meiner Sicht deswegen wirtschaftspolitisch zu einer Politik kommen, die durch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns und durch eine Regulierung von Leih- und Zeitarbeit sowie eine Bekämpfung der Auswüchse bei Wekverträgen zu gerechteren Löhnen und Einkommen führt. Wir müssen neben unserem Exporterfolg auch wieder die Binnenwirtschaft zu einem Faktor für unser Wachstum und unseren Wohlstand machen. Dies würde die Binnenkonjunktur in Deutschland befördern und zu einem Abbau von gefährlichen ökonomischen Ungleichgewichten in Europa beitragen. Eine solche Politik wäre solidarisch und im Interesse des Gemeinschaftsprojektes Europa. Meine These lautet, dass soziale Ungerechtigkeit auch volkswirtschaftlich unklug ist. Diesen Zusammenhang von Gerechtigkeit und ökonomischer Vernunft wollen CDU und FDP aber nach wie vor nicht verstehen. CDU und FDP fehlt daher im Grunde die ökonomische Kompetenz, obwohl sie genau diese immer für sich in Anspruch nehmen.

Konkret zu Griechenland: Auch hier ist meine Meinung, dass wir in wirtschaftlichen Zusammenhängen denken müssen. Eine einseitige Austeritätspolitik, wie Merkel sie in Europa betreibt, ist mit erheblichen negativen sozialen und gesellschaftlichen Folgen im Kisenland Griechenland verbunden. Die Austeritätspolitik führt am Ende aber auch zu weniger Beschäftigung, zu weniger Wachstum und damit auch zu noch weniger Steuereinnahmen in Griechenland (Wachstum und Steuereinanhmen sind aber nötig, um Schulden abbauen zu können). Natürlich müssen die Politiker in Griechenland endlich ein Steuersystem etablieren, dass effizient funktioniert und den gigantischen Steuerbetrug beendet. Ferner muss die griechische Volkswirtschaft ihre Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität verbessern. Auch darauf würde ich im Rahmen meiner Möglichkeiten als zukünftiger Bundestagsabgeordneter versuchen hinzuwirken. Die Aussagen von manchen konservativen Stimmen aber, wonach die Griechen alleine am Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise Schuld seien, ist intellektuell dürftig und politisch fahrlässig. Wir brauchen eine solidarische Hilfe für die Krisenländer, und wir brauchen eine europäische Rettungspolitik, die gleichzeitig nicht nur die Krise verwaltet, sondern an ihren ökonomischen Ursachen ansetzt. Wie oben ausgeführt, sollte dafür aber zunächst einmal eine richtige Analyse vorgenommen werden.

Zusammenfassend vertrete ich also die Meinung, dass Angela Merkel die Regierung(en) während der Wirtschafts- und Finanzkrise in ein Postamt verwandelt hat, das ständig Rettungspakete nach Europa versendet, aber diese sehr teuren Rettungspakete entweder nur kurzfristig oder überhaupt nicht wirken, ohne auch nur im Ansatz an den Ursachen der Krise anzusetzen. Hinzu kommt, dass Angela Merkel aus meiner Sicht alles daran setzt, die wahren Kosten und Folgen ihrer Rettungspolitik bis zum Wahltag am 22.09. nicht zu thematisieren.

Mit freundlichen Grüßen nach Pempelfort

Philipp Tacer