Frage an Philipp Lengsfeld von Timo S. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Lengsfeld,
ich bin Doktorand in (Festkörper-)Physik und kurz vor Abschluss meiner Promotion.
Meine Frage bezieht sich auf das Forschungs- und Arbeitsumfeld in Deutschland. Es wird wird häufig daruber geklagt, dass es schwierig ist exzellente Forscher nach Deutschland zu locken, bzw. in Deutschland zu halten (siehe bspw. der aktuelle Nobelpreisträger in Medizin). Ich denke, es fängt bereits damit an, dass es für viele unattraktiv ist nach einer Promotion weiter in der Forschung zu bleiben (anstatt in die Industrie zu wechseln).
Da es zunehmend weniger unbefristete Stellen im akademischen Mittelbau gibt, ist es häufig die Regel sich durch befristete Post-Doc Stellen zu hangeln ohne wirklich planbare Aussichten auf eine unbefristete Stelle zu haben.
Wie stehen Sie zu dieser Thematik und wofür werden Sie sich in der kommenden Regierung in dieser Hinsicht einsetzen?
Wie stehen Sie zu einem "Tenure-Track" System nach amerikanischen Vorbild?
Mit freundlichen Grüßen,
Timo Schumann
Sehr geehrter Herr Schumann,
vielen Dank für Ihre Frage. Sie haben einen wichtigen Punkt angesprochen: Auch ich bin nach meiner Promotion in die Industrie gewechselt. Attraktive Laufbahnen im universitären und außeruniversitären Wissenschaftsbetrieb sind für Deutschlands Zukunft tatsächlich von herausragender Bedeutung. Zu Ihrer allgemeinen und konkreten Frage kann ich Ihnen leider zum momentanen Zeitpunkt keine befriedigende konkrete Antwort geben, da die Koalitionsverhandlungen noch laufen und die fachliche Arbeit im Bundestag erst anlaufen wird (siehe dazu auch meine Antwort an Herrn Dr. Niendorf).
Ich kann Ihnen aber versprechen, dass ich mich im Rahmen der von mir gewünschten fachlichen Zuständigkeit Bildung und Forschung intensiv mit der Problematik auseinandersetze. Das von Ihnen angesprochenen "Tenure Track"-Verfahren, ein gerade in den USA offenbar sehr erfolgreich angewendetes Verfahren um Forschern einen verlässlichen Karrierepfad zu geben, indem man zunächst eine befristete Einstellung erhält, wobei diese nach einer erfolgreichen Probezeit in eine unbefristete Stelle erhalten kann, ist dabei sicherlich eine interessante Option, die ja in Deutschland auch schon hier und da Anwendung findet.
Einen guten Einblick in den Stand der Diskussion aus Sicht der Union erhalten Sie durch die Pressemitteilung von Albrecht Rupprecht und Tankred Schipanski, verantwortliche Forschungs- und Bildungspolitiker der letzten Legislaturperiode, die ich hier gerne zitiere (die ausdrücklich auch auf ein erfolgreiches Tenure Track -Verfahren in München verweist):
" PE von 13.06.2013 - Hochschulen müssen Nachwuchswissenschaftlern verlässliche Perspektive bieten. Langfristige finanzielle Planungssicherheit notwendig
Im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat am gestrigen Mittwoch eine Expertenanhörung zu den Karriereperspektiven von Nachwuchswissenschaftlern stattgefunden. Hierzu erklären der bildungspolitische Sprecher der CDU/CSU- Bundestagsfraktion, Albert Rupprecht, und der zuständige Berichterstatter Tankred Schipanski:
Albert Rupprecht: „Wer bei Zukunftsthemen exzellente wissenschaftliche Leistung bringt, muss im deutschen Wissenschaftssystem eine ebenso exzellente Perspektive erhalten. Der Bund bietet etwa mit der Exzellenzinitiative oder dem Pakt für Forschung und Innovation den Organisationen und Hochschulen Planbarkeit und Verlässlichkeit. Länder und Hochschulen müssen diese Planbarkeit auch den Wissenschaftlern gewähren. Wir möchten darüber hinaus, dass der Bund nicht nur bei Forschungsprojekten, sondern auch institutionell Verantwortung für deutsche Hochschulen übernimmt, damit sie weiterhin Spitzenleistung erbringen können. Leider blockiert die rot-grüne Mehrheit im Bundesrat seit Monaten die notwendige Änderung der Verfassung aus wahltaktischen Gründen - obwohl sie diese selbst für inhaltlich richtig hält."
Tankred Schipanski: „Der neue Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs zeigt, dass die Bedingungen für Nachwuchswissenschaftler in Deutschland sehr gut sind. In einigen Bereichen ist es zu weiteren Verbesserungen gekommen. So ist insbesondere der Anteil der Frauen in allen Stufen der wissenschaftlichen Qualifizierung und Karriere zwischen 2000 und 2010 angestiegen.
Anlass zur Sorge gibt jedoch die vielerorts überhand nehmende Praxis zur Befristung von Stellen. Die heutige Anhörung hat gezeigt, dass eine Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes an diesem Zustand nichts ändern würde. Für die Gestaltung der Personalstruktur und für planbare Karrierepfade im Wissenschaftsbereich bedarf es vielmehr Veränderungen bei den Hochschulen und Anpassungen in den Landeshochschulgesetzen. Ein Erfolgsbeispiel ist das Laufbahnmodell TUM Faculty Tenure Track der TU München. Die Sachverständigen waren überzeugt, dass die Hochschulen langfristige finanzielle Planungssicherheit brauchen, um jungen Wissenschaftlern längere Vertragslaufzeiten und unbefristete Stellen anbieten zu können."
Leider muss man natürlich auch immer wieder betonen, dass die konkrete Politik für die jeweiligen Hochschulen Ländersache ist.
Mit der Hoffnung Ihre Frage umfassend beantwortet zu haben verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
Philipp Lengsfeld
P.S. Und ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Promotion.