Frage an Petra Heß von Frank W. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Heß,
in hrer Stellungnahme zum Grundeinkommen schreiben sie,sie lehnen das ab,weil die SPD möchte,daß sich Menschen nur durch Erwerbsarbeit am Gesellschaftlichen Leben beteiligen können/sollten.
Ist das nicht sehr zynisch,eine solche Begründung aufzuführen,da ja die SPD,mit Einführung der Hartzgesetze,genau das Gegenteil erreicht hat,nämlich Millionen Menschen in Billigjobs gedrängt und wiederum Millionen Arbeitslose aus der Statistik rausgerechnet,Bsp. Bedarfsgemeinschaft?("Stern" schrieb von ca.7-9millionen Arbeitslosen oder H4-Empfängern,und nicht wie es offiziell heißt,3,5millionen)
Es ist nämlich nicht nur für die Menschen,die jetzt zu 100% von ihrem Lebenspartner abhängig sind,erniedrigend,es bedeutet auch für den Lebenspartner,mit Erwerbsarbeit,eine Lohnkürzung um 50 %,da er für seinen arbeitslosen Lebenspartner aufkommen muß.
Möchten sie nicht,daß die Menschen endlich selbstbestimmt handeln und arbeiten,möchten sie nicht den lohnabhängig Beschaftigten ein Mittel in die Hand geben,nicht mehr "Sklave" der "Bosse" zu sein?
Wäre das Grundeinkommen nicht ein guter Weg,auch um ehrenamtliche Dinge,wie Feuerwehren,besser erledigen zu können?
Glauben sie nicht auch,daß sich ein Grundeinkommen positiv auf den ganzen Arbeitsmarkt auswirken würde,weil Schwerstarbeiten wie,Krankenschwester,Maurer,Dachdecker,Gleisbauer usw.,dann endlich besser bezahlt würden?
Und auch der Beruf des Friseurs oder der Bäckereiverkäuferin besser entlohnt würde,weil ansonsten der Angestellte nein sagen könnte zum Niedriglohn?
Krankt unsere Gesellschaft nicht gerade daran,daß durch die vielen Billigjobs und die hohe,auch versteckte Arbeitslosigkeit,den Menschen das nötige Geld fehlt,die Binnenkaufkraft zu stärken?
Warum sollte man nicht den Menschen eine Basis geben,von der aus sie sich entfalten könnten?
Wäre das nicht die Freiheit,und zwar für jeden Einzelnen,von der im Land immer soviel die Rede ist,oder glauben sie wirklich,mit dem Grundeinkommen würde keiner mehr arbeiten?
MfG
Sehr geehrter Herr Wagner,
vielen Dank für Ihre Frage zum bedingungslosen Grundeinkommen.
Es ist richtig, dass sich die SPD gegen das bedingungslose Grundeinkommen ausspricht.
Wie bereits in der Antwort an Herrn Leonhard dargelegt, bin ich überzeugt, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht helfen würde, die soziale Spaltung der Gesellschaft zu überwinden und tatsächlich mehr Menschen eine gesellschaftliche Teilhabe und persönliche Entfaltung ermöglichen würde.
Nur auf den ersten Blick böte für Erwerbslose ein Grundeinkommen Vorteile, weil es im Gegensatz zum Arbeitslosengeld II an keinerlei Bedingungen gebunden wäre und, weil erwartet wird, dass es höher als dieses liegen würde.
Aber folgende Gründe sprechen aus meiner Sicht dagegen:
1. Das Grundeinkommen müsste aus Steuermitteln bestritten werden (oder aus noch mehr Schulden, aber das ist wohl kaum wünschenswert). Damit Menschen aber weiterhin bereit sind Steuern zu zahlen, müsste sich ihr Netto deutlich vom Netto der Empfänger des bedingungslosen Grundeinkommens unterscheiden. Dass heißt, es würde erneut die Spaltung der Gesellschaft manifestiert, in meinen Augen sogar noch weiter vorangetrieben.
2. Das Armutsproblem wird durch ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht wirksam und vor allem nicht nachhaltig gelöst, da Armut in der Regel nicht nur aus materieller Armut besteht, die man mit Sozialtransfers bekämpfen kann. Armut setzt sich vielmehr aus ganz unterschiedlichen Problemlagen zusammen, die neben materiellen Transfers vor allem den gezielten Einsatz von sozialen Diensten erforderlich machen. Der Erfolg des Berliner „Stadtteilmütter-Projekts“ zeigt deutlich, dass Sozialtransfers allein nicht ausreichen, um dem Armutsproblem wirksam und nachhaltig zu begegnen.
3. Wir hätten eine Inflation zu befürchten, da Geld automatisch an Wert verliert, wenn alle darüber in relativ hohem Maße verfügen. Die Inflation würde auch die Armutsproblematik erneut verschärfen.
4. Freiheit und Entfaltung der Persönlichkeit durch ein bedingungsloses Grundeinkommen werden ebenfalls nicht zunehmen oder nur in einem kaum messbaren Umfang. Die eigentlichen Adressaten eines bedingungslosen Grundeinkommens bringen nämlich in der Regel gerade nicht die Voraussetzungen dafür mit, ein solches Grundeinkommen für eigene (möglicherweise kreative) selbstbestimmte Zwecke einzusetzen und damit tatsächlich am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und „mitten in der Gesellschaft“ zu stehen.
Die SPD schlägt vielmehr folgende Maßnahmen für einen zeitgemäßen Sozialstaat vor. Ein Sozialstaat, der die aktuellen und sich teilweise gerade erst entwickelnden Problemlagen erkennt und der versucht nachhaltige Lösungen für diese anzubieten.
Dazu gehören in meinen Augen unbedingt:
1. Ein gesetzlicher, deutschlandweiter Mindestlohn, um alle Erwerbstätigen vor Löhnen zu schützen, mit denen sich kein würdiges, auf gesellschaftliche Teilhabe ausgerichtetes Leben finanzieren lässt. Gleichzeitig werden Arbeitnehmer davor geschützt, sich „unter Wert“ verkaufen zu müssen.
2. Ein massiver Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen und ihre fortlaufende Qualitätskontrolle, besonders im Bereich der Betreuung ab einem Jahr, aber auch im Bereich der Ganztagsschulen. Nur so wird es allen Kindern unabhängig von ihrem Elternhaus und ihrer häuslichen Förderung möglich sein, gleichberechtigt ihre Bildungs- und Ausbildungschancen zu ergreifen und später ihr Leben selbstbestimmt in die Hand zu nehmen.
3. Verbesserung der Bildungs- und Ausbildungschancen in jedem Alter und für jeden Bürger. Eine Wissensgesellschaft verlangt lebenslanges Lernen. Hier müssen aber nicht nur weitere Angebote geschaffen, sondern auch soziale Dienste eingesetzt werden, die gezielt „bildungsferne“ Gruppen ansprechen.
4. Besondere materielle und ideelle Förderung von Kindern aus sozial benachteiligten Familien, um die Entstehung sog. Armutskarrieren zu verhindern. In diesem Zusammenhang überprüft die SPD gerade die Sozialhilfesätze und die Arbeitslosengeld II-Sätze für Kinder und setzt sich auf kommunaler Ebene für den weiteren Ausbau der Kindertagesstätten und Ganztagsschulen ein.
5. Eine ausreichende soziale Absicherung, um ein Leben in Armut zu verhindern und ebenso – wie bereits unter 3. aufgeführt – Förderung und Forderung, um die Aufstiegschancen der von Armut und Ausgrenzung Betroffenen deutlich zu verbessern.
Der Staat kann den Menschen, die in Not geraten sind, zur Seite stehen, er kann aber nicht die Menschen von der Eigenverantwortung für ihr Leben und ihr Vorankommen befreien, er kann die Voraussetzungen für frühkindliche Bildung und Schul- und Ausbildung optimieren, aber er kann nicht die elterliche Sorge um die Bildung der Kinder ersetzen, er kann die Fort- und Weiterbildungsbedingungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbessern, aber er kann die Menschen nicht bevormunden.
Die SPD spricht in diesem Zusammenhang vom aktivierenden Sozialstaat. Der Staat hilft, wenn Menschen in Not geraten, aber nicht mit dem Ziel, die Bürger zu entmündigen und ihre Notlage zu manifestieren (und das würde mit der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens in den allermeisten Fällen passieren), sondern, um dem Einzelnen zu helfen, diese zu überwinden.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Heß, MdB