Frage an Petra Ernstberger von Peter W. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Ernstberger,
mich würde gerne Ihre Meinung zu folgenden Themen interessieren.
1. Wie ich der Zeitung entnehme will Herr Eichel die ermäßigte MWSt (7%) zum großteil abschaffen. D. h. eine Anhebung um 9 % . Das ist für den kleinen Handwerker oder Lebensmittelhandel ein Dolchstoß, denn welcher Verbraucher kann eine Anhebung der Lebensmittelkosten um mindestens 9% verkraften. Folge - er geht noch mehr in die großen Märkte und unsere Innenstädte bluten noch mehr aus - Arbeitsplätze fallen weg.
2. Der Frankenpost entnehme ich, daß z. B. die Ab- geordnete Bärbel Höhn mit 54 Jahren eine Pension von 9400 Euro erhält und das ist kein Einzelfall. Unsere Abgeordneten erhalten Pensionen für die der Durchschnittsarbeiter zwischen 40 und 100 Jahre einzahlen müßte. Wie lange ein Arbeiter hier bei uns in Hochfranken zahlen müßte können sie sich selber ausrechnen. Finden Sie das gerecht und sozial ?
3. Wird unsere Regierung zu den hohen Benzinpreisen befragt höre ich nur, daß man gegen die Mineralölkonzerne vorgehen will, daß man Autos fördert die sparsam im Verbrauch sind etc.. Niemals höre ich daß man den extrem hohen Steueranteil am Spritpreis senken will, Wenn ich den Gro0teil des Benzinpreises in Form von Steuern und Abgaben einbehalte, bin ich doch als erstes gefordert auf die Preisexplosion zu reagieren und nicht all diejenigen die sich die restlichen 40% teilen. Sie fördern den Tanktourismus und das Tankstellensterben hier bei uns im Grenzgebiet.
4. Ich befürworte ihre Förderung bei der Suche nach alternativen Energiequellen , aber es kann doch nicht sein, daß Betreiber solcher Anlagen ihren Strom wesentlich teuerer an die EON verkaufen können, als diese ihn wieder an den Ver-braucher abgibt. Das ist doch wie früher in der DDR wo der Erzeuger seinen Hasen hinten am Markt für 10 Mark abgegeben hat und vorne für 5 Mark wieder gekauft hat. MIt dieser Logik kann es nicht aufwärts gehen.
Vieken Dank
Sehr geehrter Herr Wölfel,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne beantworte:
_zu 1.
_Eine Erhöhung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs ist klar und eindeutig nicht beabsichtigt. In der SPD-Bundestagsfraktion gibt es dafür keinerlei Pläne. Es ist die Union, die den normalen Mehrwertsteuersatz von 14 auf 16 % erhöhen möchte. Betroffen davon sind in erster Linie Rentner, Arbeitslose und Studenten.
.._zu 2.
_Die Altersentschädigung (Rente) ist Bestandteil der angemessenen, die Unabhängigkeit sichernden Entschädigung der Abgeordneten. Gäbe es die Altersversorgung nicht, hätten die Abgeordneten für die Zeit ihrer Zugehörigkeit zum Parlament eine Versorgungslücke. Denn sie sind weder in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, noch reicht die Abgeordnetenentschädigung aus, eine anderweitige Altersversorgung zu finanzieren.
Erst wer dem Bundestag acht Jahre (zwei Wahlperioden) angehört hat, hat Anspruch auf die Altersentschädigung. Wer früher aus dem Parlament ausscheidet, wird auf Antrag in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert oder kann sich das Geld - unter Verzicht auf eine Rente für diese Zeit - in einer Summe auszahlen lassen.
Die Altersentschädigung ist - anders als noch die Rente - voll zu versteuern und andere Bezüge aus öffentlichen Kassen wie auch die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung werden auf sie angerechnet. Ferner haben Abgeordnete keinen Anspruch auf die staatlich geförderte "Riester-Rente".
Schon bei der Änderung des Abgeordnetengesetzes im Jahr 1995 hat es bei der Altersversorgung deutliche Einschnitte gegeben. Steigerungsraten und Höchstsatz sind gesenkt worden. Ein Abgeordneter mit einer durchschnittlichen Verweildauer im Parlament von 12 Jahren erhält nur noch 36 % der Entschädigung (Diät) als Altersversorgung (bisher 51 %). Diese in ihrer Wirkung dem erst jüngst bei der Altersrente eingeführten Nachhaltigkeitsfaktor vergleichbare Strukturreform entlastet die öffentlichen Kassen, ebenso die Verkleinerung des Deutschen Bundestages ab der 15. Wahlperiode, weil künftig weniger Abgeordnete Altersentschädigung beziehen werden. Gleichwohl soll auch die Altersentschädigung der Abgeordneten erneut vorbehaltlos überprüft werden. Der Bundestagspräsident und andere Parlamentarier aller Parteien haben dies bereits angekündigt.
_zu 3._
Die hohen Benzinpreise schaden den privaten wie den öffentlichen Haushalten, denn der Staat nimmt nicht mehr Steuern ein, wenn die Benzinpreise - wie aktuell - in die Höhe schießen. Forderungen, die aktuell im politischen Raum diskutiert werden, vermeintliche Mehreinnahmen durch den hohen Ölpreis an die Verbraucher zurück zu geben, scheitern bereits an ihrer Prämisse bzw. gehen völlig an den Fakten vorbei. Die Mineralölsteuer wird als fester Steuersatz je Liter erhoben (Benzin: 65,4 Cent, Diesel: 47 Cent). Preissteigerungen an der Zapfsäule ändern hieran nichts. Im Gegenteil: Kommt es als Folge des Preisanstiegs zu einem rückläufigen Verbrauch, sinken die Einnahmen aus der Mineralölsteuer. Genau diese Entwicklung ist in diesem Jahr zu beobachten (Einnahmerückgang von 3,9% in den ersten acht Monaten 2005 im Vergleich zum Vorjahr). Entgegen einer immer wieder geäußerten Vermutung steigen auch die Umsatzsteuereinnahmen nicht bei steigenden Benzinpreisen, denn jeder Euro kann "nur einmal" ausgegeben werden. Das für die höheren Kraftstoffpreise einzusetzende verfügbare Einkommen kann anderweitig nicht mehr umsatzsteuerwirksam ausgegeben werden. Dies wird auch daran deutlich, dass die Steuern vom Umsatz in den ersten acht Monaten 2005 um lediglich 0,4% gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind.
1. Seit 2003 hat es keine Erhöhung der Steuern auf Kraftstoffe mehr gegeben, die Verteuerung der Kraftstoffpreise hat daher nichts mit Steueränderungen zu tun. So betrug der mittlere Preis für einen Liter Superbenzin zum Zeitpunkt der letzten Mineralölsteuererhöhung aufgrund der ökologischen Steuerreform (01.01.2003) 110,8 Cent. Alle seither eingetretenen Preissteigerungen sind durch die Mineralölwirtschaft vorgenommen worden.
2. Wer in der aktuellen Lage vorschlägt, die Mehrwertsteuer um 2 Prozentpunkte zu erhöhen, muss klar sagen, dass dies zu weiteren Preissteigerungen beitragen würde. Ausgehend vom derzeitigen Preisniveau würden sich die Preise für Benzin und Dieselkraftstoff um zwei bis drei Cent je Liter verteuern. Das ist weder unter konjunkturellen noch unter steuerlichen Gesichtspunkten sinnvoll.
3. Wer angesichts der aktuellen Situation vorschlägt, die Ökosteuer auf den Prüfstand zu stellen, sollte gleichzeitig klar darstellen, wie die daraus unmittelbar resultierenden Einnahmeausfälle für die Rentenversicherung kompensiert werden können. Ohne die Einnahmen aus der Ökosteuer wäre der Rentenbeitragssatz um 1,7 Prozentpunkte höher. Durch die Abschaffung der Ökosteuer würden sich demnach entweder die Lohnnebenkosten verteuern oder es müsste zu Rentenkürzungen kommen. Beides wird von der Bundesregierung strikt abgelehnt.
4. Wer aktuell Pläne hegt, zur Finanzierung einer Steuerreform die Pendlerpauschale abzuschaffen, sorgt dafür, dass bis zu 14 Mio. Pendlerinnen und Pendler ihre erhöhten Fahrtkosten zur Arbeit vollständig selber tragen müssen. Gerade für kleinere und mittlere Einkommen stellt dies eine zusätzliche Belastung dar, die vermieden werden sollte, um den privaten Konsum nicht weiter zu belasten. Die Bundesregierung wird deshalb an der Pendlerpauschale in der jetzigen Form festhalten.
FAZIT: Der Staat hat weder unter konjunkturellen noch unter steuerlichen Gesichtspunkten ein Interesse an hohen Benzinpreisen.
Bundesfinanzminister Hans Eichel hat sich deshalb bereits seit längerem im Rahmen der G 8-Finanzminister aktiv für international abgestimmte Maßnahmen zur Begrenzung des Ölpreisanstiegs stark gemacht. Dazu zählen: Ölgesellschaften und Ölförderländer müssen verstärkt in die Erdölexploration und in die Mineralölverarbeitung investieren, um wieder zusätzliche Angebotsspielräume zu eröffnen.
Verstärkung der Bemühungen, den Ölverbrauch zu reduzieren (Energieeffizienz, erneuerbare Energien).
Präzisere Früherkennungen von Entwicklungen der Nachfrage, Produktions- und Verarbeitungskapazitäten, um bei Fehlentwicklungen rechtzeitig "Alarm schlagen zu können". Die vom Internationalen Energieforum übernommene Ölmarkttransparenzinitiative JODI (Joint Oil Data Initiative) der IEA, OPEC und anderer internationaler Organisationen ist dafür ein geeigneter Ansatz.
Zum Tanktourismus: Hier unterstütze ich das Stiftungsmodell des Bundeswirtschaftsministers, das den Bewohnern der Grenzregionen erlaubt, Kraftstoffe zu Preisen wie in der Tschechischen Republik zu kaufen. Siehe dazu auch: http://www.oberpfalznetz.de/zeitung/768060-100,1,0.html
zu 4._
Deutschland ist Weltmeister bei der Nutzung der Windenergie und Europameister bei der Nutzung der Photovoltaik. Und auch bei den anderen Erneuerbaren Energieträgern sind deutsche Firmen auf dem Vormarsch. Insbesondere die harten Vorgaben des von Rot-Grün verabschiedeten Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) und der umkämpfte deutsche Markt sorgen am laufenden Band für Innovationen durch deutsche Firmen, die durch Forschungsförderung allein nicht erreicht werden könnten.Als die SPD-geführte Bundesregierung die Förderung Erneuerbarer Energien 1999 startete, war Deutschland fast vollständig von Importen bei Solar- und Windenergie abhängig. In der Zwischenzeit bedienen die neu entstandenen Firmen und Produktionskapazitäten in Deutschland nicht nur den heimischen Markt. Die Windenergiebranche hat bereits eine Exportquote von über 20% erreicht, mit stark steigender Tendenz. In Deutschland beträgt der Anteil des Erdöls am Primärenergieverbrauch 38,5% (2001). Deutschland ist Europas größter Minerölverbraucher und der viertgrößte weltweit. Die globalen Erdölreserven sind aber stark regional konzentriert: fast 70% befinden sich im Nahen Osten. Ein weiteres Festhalten am Erdöl als wichtigsten Energieträger würde die geopolitische Abhängigkeit von dieser Region weiter erhöhen.* *Das EEG ist keine Subvention. Die Förderung der Erneuerbaren Energien erfolgt durch eine verursachergerechte Umlage auf den Stromverbrauch. Im gesamten Bereich der Erneuerbaren Energien sind heute in Deutschland 130 000 Menschen beschäftigt, insgesamt also mehr, als die Atom und Kohleindustrie zusammen !! Auch die indirekten Effekte der Erneuerbaren Energien, z.B. bei Handwerkern und Zulieferungsindustrie, sind bemerkenswert. Die Windenergie ist für die Metallindustrie schon zu einem der wichtigsten Kunden geworden (z.B. wichtiger als deutschen Werften). Bis 2010 kann die Zahl der Arbeitsplätze bei den Erneuerbaren Energien auf 500.000 in Deutschland steigen. Das EEG hat eine deutliche Preissenkung bei der Nutzung Erneuerbarer Energien erreicht, weil es die Massenproduktion angeregt hat. Zudem erzwingt das EEG immer preiswertere Technologien zur Nutzung der Erneuerbaren Energieträger, weil die Vergütungshöhen für den geförderten Strom von Jahr zu Jahr gesenkt werden. Bei Windenergie sinkt die gezahlte Vergütung für neue Anlagen jedes Jahr um 1,5%, bei Photovoltaik sogar um 5%.**Die Fördersumme des EEG entkoppelt sich zunehmend von der geförderten Strommenge. Die maximale Fördersumme wird schon 2006/2007 erreicht, obwohl die Stromerzeugung durch Erneuerbare Energien weiter stark zunehmen wird. Das ist die Folge der sinkenden Vergütung von neuen Anlagen und dem Ausscheiden älterer Anlagen aus der Förderung. Ab 2007 wird die Umlage für Erneuerbare Energien zurückgehen.** Das EEG hat zu günstigeren Strompreisen für Erneuerbare Energien geführt als die Fördermodelle anderer Staaten.
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Die Fördermodelle anderer Staaten haben weniger Effekt und sind auch weniger effizient. In keinem anderen europäischen Land sind Photovoltaikanlagen so günstig wie in Deutschland. Die Ausschreibungsmodelle einiger Länder bei der Windenergie führt zu Vergütungen von 13 ct/kWh, das Zertifikatsmodell in Großbritannien zu Kosten von über 11 ct/kWh. In Deutschland liegt die Vergütung für Windkraft durch das EEG derzeit bei 8,9 ct/kWh und sinkt um 1,5% pro Jahr.
Sehr geehrter Herr Wölfel,
ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen ausreichend beantworten. Für weitere Fragen, Anregungen und Kritik stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung:
E-Mail: petra.ernstberger@bundestag.de
Mit freundlichen Grüßen
Petra Ernstberger, MdB