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Frage von Rolf R. •

Frage an Petra Ernstberger von Rolf R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrrte Frau Erstberger,

in diversen Ihrer Antworten, begründen Sie die geplante Internetzensur, mit den bisher bereits vorgebrachten Argumenten der Bundesregierung, die nachweislich falsch sind.

Ich möchte Sie bitten, sich folgende Seite einmal genauer anzusehen, die sich sehr sachlich mit den vorgebrachten Argumenten und Rechtsgrundlagen auseinandersetzt:
http://netzpolitik.org/2009/hintergrundtext-kinderpornographie-internet-sperren/

Da mir hier lediglich 2000 Zeichen als Frageraum zur Verfügung stehen, möchte ich Sie bitten, sich diese Seite vor Beantwortung meiner Frage anzuschauen.

Kernaussagen der Seite sind:
- Die Argumentation der Bundesregierung erfolgt mit dem scharfen Begriff nach §176a STGB.
- Die Strafverfolgung ist in allen Ländern, in denen Webseiten gehostet
werden, möglich.
- Der behauptete drastische Anstieg von Straftaten kann nicht belegt werden.
- Es gibt keine kommerzielle Kinderpornographie im öffentlichen Web
- Sperrmaßnahmen sind im auf Grund der Natur des Internets nicht effektiv

Meine Fragen daher nun an Sie:
1.) Waren Ihnen die Fakten in dieser Form bekannt ?
2.) Wie gedenken Sie auf Grund dieser Tatsachen den Gesetzesvorschlag zu bewerten ?

Vielen Dank und eine Entschuldigung mit dazu, da das Lesen der Seite leider etwas mehr Zeit in Anspruch nimmt.

Mit freundlichen Grüßen

Rolf Rother

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Rother,

vielen Dank für Ihre Frage und den Verweis auf die Internetseite netzpolitik.org . Gerne beantworte ich Ihre Fragen bzw. möchte ich auf die von Ihnen benannte Quelle eingehen.

Ich gebe Ihnen dahingehend Recht, dass in den letzten Jahrzehnten eine Erweiterung des Kinderpornografiebegriffes stattgefunden hat. Dies erscheint mir zum Schutz unserer Kinder und Jugendlichen auch sinnvoll und richtig. In der von Ihnen benannten Quelle wird dabei auf die Definition des Kinderpornografiebegriffes der Europäischen Union eingegangen und festgestellt, dass auch die Regierungskoalitionen den §176a StGB (Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern) zur Definition benutzt. Hierzu möchte ich anmerken, dass es sich bei dem „Entwurf des Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen“ um ein Bundesgesetz handelt, in welchem die Definition der EU keine Berücksichtigung findet. Vielmehr bezieht sich der Gesetzesentwurf, welcher die entsprechende Änderung des Telemediengesetzes regelt, auf §184b StGB (Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Schriften), welcher zur Definition von Kinderpornografie wiederum auf §176, Abs.1 (Sexueller Missbrauch von Kindern) zurückgreift. Ihre Kritik, dass die Bundesregierung bzw. die Regierungsfraktionen im Gesetzesentwurf die strengere Definition nach §176a StGB verwenden, ist somit nicht zutreffend. Es stimmt in der Folge auch nicht, dass FKK-Bilder, Comics und Romane künftig als reale Kindesvergewaltigung betrachtet werden.

Der Aussage, dass eine Strafverfolgung in allen Ländern, in denen Webseiten „gehostet“ sind, möglich ist, möchte ich nicht widersprechen. Fakt ist aber auch, dass sich eine entsprechende Strafverfolgung je nach Land zum Teil als schwierig – zumindest aber nicht selten als langwierig – herausstellt. Wir als Sozialdemokraten wollen aber eine möglichst schnelle Beschränkung des Zugriffs auf entsprechende Seiten und nicht erst die Ergebnisse der jeweiligen Strafverfolgung abwarten. Genau dies soll mit dem aktuellen Gesetzesentwurf erreicht werden.

Mir ist natürlich bekannt, dass es sich bei den in der Polizeilichen Kriminalstatistik genannten Fallzahlen zunächst um Verdachtsfälle handelt, welche noch keine Aussage über die tatsächliche Schuld der Verdächtigten zulassen. Ebenso, dass diese Zahlen gerade auch durch polizeiliche Maßnahmen, wie z.B. Aktion Himmel, Operation Marcy oder Operation Mikado gewissen Schwankungen unterliegen. Allerdings darf man im Bereich der Straftaten mit kinderpornografischem Hintergrund nicht allein auf die Fallzahlen in Deutschland abstellen. Grundsätzlich ist es aber, unabhängig vom aktuellen Ausmaß kinderpornografischer Straftaten und der Verbreitung entsprechenden Materials im Internet, sinnvoll, den Zugang zu ebendiesem Material zu erschweren.

Es wird grundsätzlich schwierig sein, das reale Ausmaß kommerzieller Kinderpornografie im Internet zu bewerten – gerade eben weil es sich dabei um strafrechtlich relevante Aktivitäten handelt. Mir ist durchaus bewusst, dass kinderpornografisches Material auch über Tauschbörsen und sonstige Wege weiterverbreitet wird. Aber es gibt eben auch – in welchem Maße dann auch immer – kommerzielle Verbreitungswege. Für uns als Sozialdemokraten ist es aber zunächst einmal eine nach gelagerte Frage, ob es sich bei der Verbreitung von kinderpornografischem Material um kommerzielle oder eben private Wege handelt – wir wollen den Zugriff auf solche Seiten verhindern. Dazu soll die Sperrliste des BKA künftig beitragen. Mir ist aber auch bewusst, dass wir die Weiterverbreitung entsprechenden Materials nicht komplett eindämmen können – aber wir wollen zumindest alles unternehmen, was den Zugriff auf dieses Material erschwert.

Für uns Sozialdemokraten geht es bei der Frage der Neuregelung des Telemediengesetzes um die Verhältnismäßigkeit der Sperrmaßnahmen, also um die Abwägung zwischen etwaigen Eingriffen in Grundrechte auf der einen und den Schutz gegen Kinderpornografie auf der anderen Seite. Das dies keine einfache Aufgabe ist, ist allen Beteiligten klar. Dies hat auch die öffentliche Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages am 27. Mai 2009 gezeigt, welche auf Drängen der SPD-Bundestagsfraktion stattgefunden hat. Zur Klärung offener Fragen in diesem – zugegebenermaßen komplexen – Gesetzgebungsverfahren, war eine Vielzahl von Sachverständigen und Experten geladen. Diese waren sich in der Mehrheit in folgenden Punkten weitestgehend einig:

1. Wenn der Kampf gegen Kinderpornografie erfolgreich geführt werden soll, erfordere dies eine Vielzahl von Maßnahmen. In diesem Zusammenhang könne die Sperrung von Internetseiten eine geeignete und sinnvolle Maßnahme sein.

2. Die Sperre könne mit entsprechendem Aufwand umgangen werden, demnach ist es richtig, dass der Gesetzesentwurf lediglich von einer Erschwerung spricht.

3. Keiner der Sachverständigen hat die Auffassung vertreten, dass prinzipielle Gründe gegen Internetsperren gegen Kinderpornografie sprechen.

4. Entscheidend sei aber, dass der Gesetzentwurf bezüglich der Rechtsstaatlichkeit des Vorhabens und der Effektivität der Sperrungen von kinderpornografischen Inhalten auf ausländischen Servern noch erheblich überarbeitet werden muss.

Die Anhörung hat deutlich gemacht, dass es noch einige inhaltliche und rechtliche Fragen geklärt werden müssen. Aus diesem Grund bin ich Ihnen, sehr geehrter Herr Rother, auch für den Verweis auf Ihre Quelle dankbar.

Aus der Sicht meiner Fraktion sind im Zuge der weiteren Beratungen insbesondere die datenschutzrechtliche und verfahrensrechtliche Absicherung von besonderer Bedeutung. Hierzu gehört unter anderem die gerichtliche Kontrolle der Sperrliste des BKA, sowie in diesem Zusammenhang die Weitergabe von Daten an die Strafverfolgungsbehörden.
Für uns ist auch klar, dass wir eine Ausweitung der Internetsperren auf andere Straftatbestände ablehnen. Grundsätzlich muss der Kampf gegen Kinderpornografie im Internet unserer Meinung nach gesetzlich geregelt werden. Fragwürdige Verträge zwischen BKA und Internetprovidern lehnen wir als Basis ab.

Zu Ihren konkreten Fragen:

Ad 1: Die Informationen aus der von Ihnen empfohlenen Quelle waren mir im Detail so nicht bekannt. Allerdings sehe ich hier in Teilen den Widerspruch wie er auf der Seite von netzpolitik.org formuliert wird nicht bzw. ich erkenne die dort formulierten Angaben zum Teil als inhaltlich nicht zutreffend. Zu einigen Punkten habe ich ja entsprechend Stellung genommen.

Ad 2: Wie dargestellt werde ich die weiteren Beratungen zum genannten Gesetzentwurf kritisch begleiten. Dabei gilt mein Augenmerk, genauso wie das meiner Fraktionskollegen, den zuletzt genannten Punkten und hier insbesondere der Abwägung zwischen Schutz vor Kinderpornografie und den dafür erforderlichen Eingriffen in Grundrechte.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass im November 2008 auf dem Dritten Weltkongress in Rio gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern und Heranwachsenden zahlreiche Maßnahmen vorgeschlagen worden sind, welche auf internationaler und nationaler Ebene angestoßen werden können. Deutschland hat mit 15 weiteren Staaten dabei eine Zusatzerklärung unterzeichnet, mit der es das Ziel der Bekämpfung der Kinderpornografie in den neuen Medien bekräftigt.

Gerade Deutschland hat in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen ergriffen: Wir haben auf Bundesebene einen Aktionsplan zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung umgesetzt, dessen Schwerpunkte im Bereich Aufklärung und Prävention liegen. Wir haben seit den 1990er Jahren das Strafrecht verschärft, um den sexuellen Missbrauch von Kindern wirksam zu bekämpfen. Dazu wurde beim BKA eine „Zentralstelle Kinderpornografie“ eingerichtet. Darüber hinaus haben wir den Opferschutz verbessert. Auch im Bereich des Kampfes gegen Kinderpornografie haben wir schon einiges getan: so werden bereits heute schon Seiten auf deutschen Servern mit kinderpornografischem Inhalt gesperrt, entsprechende Strafverfolgungsmaßnahmen eingeleitet und das Internet auf illegale und jugendgefährdende Inhalte hin kontrolliert. Zudem gibt es Internet-Beschwerdestellen, bei denen man solche Inhalte melden kann. Diesen Weg eines möglichst effektiven Schutzes von Kindern wollen wir mit dem aktuellen Gesetzentwurf weitergehen.

Entschuldigen Sie bitte, wenn meine Antwort auf Ihre Fragen ein wenig hat auf sich warten lassen, aber ich wollte zunächst noch die Anhörung im Wirtschaftsausschuss mit den entsprechenden Sachverständigen abwarten. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich – nachdem ich nun mehrfach ausführlich auf die eingegangen Fragen geantwortet habe – keine weiteren Fragen zum Thema aufgreifen werde.

Ich hoffe, Ihnen mit meinem Beitrag weitergeholfen zu haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Ihre Petra Ernstberger, MdB