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Petra Bierwirth
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Frage von Gabriele S. •

Frage an Petra Bierwirth von Gabriele S. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrte Frau Bierwirth,

die bisherige Lebensmittelkennzeichnung ist für die Mehrheit der Menschen unverständlich, kompliziert und oft nur mit der Lupe zu entziffern. Um eine gesündere Ernährung der Bevölkerung zu fördern, wäre eine einfache und leichtverständliche Kennzeichnung von Lebensmitteln ideal. Wie stehen Sie dazu ?

Mit freundlichen Grüßen

G.Schleicher

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Schleicher,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 10. April 2008.

Ich stimme mit Ihrer Auffassung überein, dass eine gut erkennbare und leicht verständliche Kennzeichnung der Lebensmittel wichtig ist, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu ermöglichen, den Nährwert der Produkte auf den ersten Blick zu erfassen und im Sinne einer ausgewogenen Ernährung auszuwählen.

Die zuständige Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion hat zu dem Themenkomplex eine Position beschlossen, die meine volle Unterstützung findet: Wir streben an, eine Nährwertkennzeichnung in Deutschland auf der Basis der britischen Ampelkennzeichnung (s.u.) für verpackte Lebensmittel auf der Verpackungsvorderseite verpflichtend einzuführen und für lose Ware anzustreben sowie die Angabe der "Big Eight" (Brennwert, Eiweiß, Kohlenhydrate, Zucker, Fett, gesättigte Fettsäuren, Ballaststoffe und Salz) in tabellarischer Form auf der Verpackungsrückseite einzuführen. Die Einführung der Kennzeichnung sollte durch eine Informationskampagne flankiert werden.

Übergewicht wird auch in Deutschland ein immer größeres Problem, zu dessen Bekämpfung Ernährung und Bewegung beeinflusst werden müssen. Viele Lebensmittel sind heute so stark verarbeitet oder aus so zahlreichen Komponenten zusammengesetzt, dass auch informierte VerbraucherInnen den Nährwert nicht richtig einschätzen können. Der Kaloriengehalt, Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker, Salz und Ballaststoffe sollen deshalb auf dem Produkt angegeben werden.

Die Angabe nützt den VerbraucherInnen nur, wenn sie gut erkennbar, unmittelbar und leicht verständlich auf der Vorderseite der Verpackung ist. In wenigen Minuten Einkauf kann und will niemand die Lupe zücken, suchen, umrechnen und dann entscheiden. Die Angaben müssen Vergleichbarkeit herstellen. Nur wenn alle Produkte gekennzeichnet sind -- also verpflichtend und auf dieselbe Weise mit denselben Bezugsgrößen -- ist auf einen Blick zu erkennen, welche Pizza die fettärmere, welches Müsli das weniger gezuckerte und welche Chips die salzärmeren sind. So haben die VerbraucherInnnen die Möglichkeit, die gesündere Alternative auszuwählen. Die Nährwertkennzeichnung muss auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und sich auf 100ml bzw. 100g beziehen, denn portionsbezogene Angaben sind häufig irreführend.

All dies gewährleistet die modifizierte Ampelkennzeichnung. Das "multicolour trafficlight labelling" (Ampelkennzeichnung) ist von der britischen Lebensmittelbehörde (Food Standard Agency, FSA) auf freiwilliger Basis eingeführt worden. Hier werden Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker und Salz gekennzeichnet. Die FSA legt nach wissenschaftlichen Kriterien fest, wann ein lebensmittel eine hohen, mittleren oder niedrigen Gehalt der angegebenen Stoffe hat. Mit den Ampelfarben wird signalisiert, ob ein Lebensmittels häufig (grün), nicht so häufig (gelb) oder besser nur selten (rot) gegessen werden sollte. Es wird der prozentuale Anteil des Nährstoffs an 100g dieses Lebensmittels angegeben. Die Ampel unterscheidet also nicht zwischen "guten und schlechten" oder "gesunden und ungesunden" Lebensmitteln, sondern spricht Empfehlungen für die Verzehrmengen aus.

Die Ampelkennzeichung wurde mit einer Informationskampagne eingeführt, die die VerbraucherInnen über die Bedeutung der Ampel aufgeklärt und darauf hingewiesen hat, wie eine ausgewogene Ernährung aussieht und dass diese nicht mit dem Verzehr allein "grüner" Lebensmittel erreicht werden kann.

Die Begleitforschung zeigt, dass die VerbraucherInnen die Ampelkennzeichnung richtig verstehen und oft für die gesündere Wahl nutzen. Das gilt auch für Kinder. Da es zu Umsatzverlagerungen z.B. von besonders fetten ( = roten) Pizzen zu weniger fetten ( = gelben oder grünen) Pizzen kam, haben einige Hersteller die Rezeptur ihrer Produkte geändert, so dass sie mehr gelbe und grüne Kennzeichen bekommen. Das nützt sogar den Konsumenten, die nicht auf die Kennzeichnung achten.

Die Lebensmittelindustrie favorisiert eine freiwillige Kennzeichnung auf Basis des "Guided daily amount" (GDA, "empfohlene Tageszufuhr"), die sie selbst auf europäischer Ebene entwickelt hat und zum Teil auch schon anwendet. Die Nährwertangaben werden in Tabellenform in der Regel auf der Packungsrückseite gemacht. Angegeben wird der Prozentsatz z.B. an Fett der empfohlenen Tageszufuhr, der in einer Portion enthalten ist. Diese Kennzeichnung ist gänzlich ungeeignet, VerbraucherInnen bei einer ausgewogenen Ernährung zu unterstützen. Die Angaben beziehen sich auf eine durchschnittliche Kalorienzufuhr von 2000 Kilokalorien. Der Energiebedarf der VerbraucherInnen variiert jedoch stark nach alter, Geschlecht, Gesundheitszustand und Lebensumständen. Die Nutzbarkeit setzt also voraus, dass die Menschen ihren Nährstoffbedarf kennen und aus der Angabe errechnen. Das ist nicht einfach, verständlich und auf einen Blick zu erfassen, sondern verwirrend.

Die GDA-Kennzeichnung erweckt den Eindruck, als basierte sie auf wissenschaftlicher Grundlage. Tatsächlich ist jedoch eine Entscheidung der Lebensmittelindustrie Grundlage. Die Nährwertangaben mit Bezugnahme auf die Portion sind angesichts stark unterschiedlicher Vorstellungen über Portionsgrößen für die Verbraucher nicht hilfreich und führen in die Irre oder zum Schönrechnen. So ist etwa eine Portion Cola nicht die ganze 0,5l-Flasche, sondern ein Glas zu 250ml. Eine Portion Pizza ist die Hälfte der Tiefkühlpizza. Wer das nicht sieht, isst oder trinkt doppelt so viele Kalorien wie gedacht. Die empfohlenen Mengen sind nicht wissenschaftlich fundiert, sondern Empfehlungen der Industrie, die sich z.B. beim Zucker ganz erheblich von der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) unterscheiden. Die DGE hat deshalb die GDA in einem wissenschaftlichen Gutachten abgelehnt.

Alleine durch Nährwertkennzeichnung ist keine ausgewogene Ernährung in der breiten Bevölkerungzu erreichen. Übergewicht kann nachhaltig nur bekämpft werden mit Ernährungsbildung, Ernährungsaufklärung und der Förderung von Bewegung in der Kita, der Schule und im sonstigen Alltag. Diese Politikfelder sind Ländersache. Hier kann der Bund nur appellieren. Die Nährwertkennzeichnung hingegen liegt in der Zuständigkeit des Bundes. Ich unterstütze die Forderung nach einer modifizierten Ampelkennzeichnung wie oben erläutert. Denn ich denke, diese Kennzeichnung schafft eine Transparenz, die die VerbraucherInnen bei einer ausgewogenen Ernährung unterstützt.

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort geholfen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Petra Bierwirth, MdB