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Frage von Heinz H. •

Frage an Peter Struck von Heinz H.

Sehr geehrter Herr Struck,

wie ich der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung entnehme, haben Sie es abgelehnt, die Kfz-Steuer für Dieselfahrzeuge mit einem Hubraum von mehr als zwei Litern auf 13 Euro pro 100 Kubikzentimetern anzuheben. Warum eigentlich?

Nachdem ohnehin vorgesehen ist, die Kfz-Steuer mehr nach dem Schadstoffausstoß zu bemessen, passt diese Forderung doch sehr gut in das Konzept.

Außerdem verstehe ich nicht, daß Sie und die SPD sich für eine Schuldenbremse im Grundgesetz hergeben wollen. Dieses Vorhaben könnte mehr Schaden als Nutzen bringen. Die Länder sollen sich überhaupt nicht mehr verschulden dürfen und der Bund nur noch mit 0,35% des BIP.

Eine analoge Regel für eine Durchschnittsfamilie mit einem Jahreseinkommen von 60000 Euro würde erlauben, jedes Jahr 210 Euro Schulden für ein üppiges Weihnachtsessen zu machen. Gleichzeitig aber verbietet die Vorgabe 150 000 Euro für den Bau eines Einfamilienhauses oder 10 000 Euro für das Studium der Tochter zu leihen, wie der "Spiegel" überzeugend schreibt.

Schulden sind nicht grundsätzlich schlecht. Kaum ein erfolgreiches Unternehmen kommt ohne Kredite aus, weil in der Regel mit den schuldfinanzierten Investitionen mehr Geld erwirtschaftet wird, als für den Zinsdienst aufgewendet werden muß. Dies gilt auch für den öffentlichen Bereich.

Mit der Aufnahme dieser Schuldenbremse hätte Deutschland unter den großen OECD-Ländern die kurioseste Schuldenregel in der Verfassung, wie der "Spiegel" weiter schreibt. Der deutsche Staat würde sich selbst an die Kette legen.

Warum also hat sich die SPD auf so eine fragwürdige Regelung eingelassen? Wie will Deutschland zukünftig die dringend notwendigen Bildungsprogramme finanzieren, um wenigstens auf diesem Gebiet wieder den Durchschnittswert der OECD zu erreichen?

Mit freundlichen Grüßen
Heinz Heckele

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Sehr geehrter Herr Heckele,

für Ihre Zuschrift danke ich Ihnen.

In der vorletzen Woche habe ich mit der Landesregierung der Hansestadt Hamburg über einen Kompromiss zur Neuregelung der Kfz-Steuer verhandelt, um auch im Bundesrat eine Mehrheit für den Gesetzentwurf zu erhalten. Als Voraussetzung dafür hätten die Grünen allerdings bereits in der abschließenden Lesung im Bundestag am Freitag, 13. Februar zustimmen müssen. In mehreren Gesprächen zwischen dem Hamburger Senat und mir hatten wir uns auf 12 Euro pro 100 Kubikzentimeter Hubraum (für Dieselfahrzeuge mit mehr als 2.0 Liter Hubraum) verständigt. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat diese Einigung am Donnerstagabend jedoch bedauerlicherweise aus "verfahrenstechnischen Gründen" abgelehnt. Folglich haben die Grünen dem Gesetzentwurf im Bundestag die Zustimmung verweigert. Durch die Ablehnung des Bundesrats muss der Gesetzentwurf ins Vermittlungsverfahren, was die SPD gerne verhindert hätte. Das Gesetzt kann aber auch dann noch pünktlich zum 1. Juli 2009 in Kraft treten.

Die von Ihnen geäußerten Bedenken gegenüber einer Schuldenregel wurden in den vergangenen Monaten auch in der SPD-Bundestagsfraktion und in der Partei intensiv diskutiert. Mit der Föderalismusreform II führen wir jedoch "Schuldenverbote" ein oder verschärfen bestehende Regeln , sondern wir setzen die so genannten Maastricht-Regeln in das nationale Recht um.

Da leider in einigen unzureichender Presseartikeln das Vorhaben verkürzt dargestellt wurde, möchte ich gerne auf einige Faktenhinweisen:

Nach der neuen Regel soll - analog Maastricht - der Investitionsbegriff keine Rolle mehr spielen. Er war auch ungerecht, weil er einen Teil der nachhaltigen Staatsausgaben (insbesondere Bildung) schlechter stellte als andere (zum Beispiel Straßenbau). Dieser Zusammenhang wird mit dem Schlagwort "Investitionen in Köpfe statt in Beton" beschrieben. Außerdem berücksichtigt die alte Schuldenregel den Verlust öffentlicher Aktiva durch Veräußerung ("Tafelsilberverkauf") und durch Wertverlust (Abschreibung) nicht. Das ist nicht richtig, nicht nachhaltig und widerspricht den "Maastricht"-Vorgaben.

Die neue Schuldenregel besteht aus drei Komponenten:

1) Strukturelle Komponente (="grundlose" Neuverschuldung, in der Maastricht-Sprache: "Close-to-balance-Prinzip"). Danach wären für Deutschland nach den Maastricht-Kriterien 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erlaubt (derzeit ca. 12 Mrd. Euro pro Jahr). Bei der strukturellen Komponente handelt es sich in der Sache um ein pauschaliertes Nettoinvestitionsprinzip. Der Betrag wäre zwischen dem Bund und der Ländergesamtheit aufzuteilen, und zwar etwa im Verhältnis 2/3 (Bund) zu 1/3 (Ländergesamtheit), vgl. Artikel 109 Absatz 5 Grundgesetz. Damit wären auf den Bund 0,35% des BIP und auf die Ländergesamtheit 0,15% des BIP entfallen. Nun haben jedoch die Länder, und zwar alle, in der Sitzung der Föderalismuskommission vom 5. Februar 2009 erklärt, dass sie ab 2020 keinen strukturellen Verschuldungsspielraum mehr brauchen werden. Dem wird die Föderalismuskommission voraussichtlich folgen und für den Bund eine strukturelle Neuverschuldung von 0,35%, für die Ländergesamtheit jedoch von 0 vorschlagen.

2) Hinzu kommt die konjunkturelle Komponente. Das ist das bekannte "3%-Kriterium" aus dem Maastricht-Vertrag. Konjunkturbedingt können Bund und Länder sich weiterhin in Höhe von 3% des BIP (derzeit ca. 50 Mrd. Euro pro Jahr) verschulden, und zwar wiederum verteilt 1/3 (Ländergesamtheit) zu 2/3 (Bund). Die konjunkturbedingten Schulden, die der Staat in schlechten Zeiten macht, müssen aber in guten Zeiten - konjunkturgerecht - zurückgeführt werden. So soll ein "Kaputtsparen" ausgeschlossen werden. Übrigens ist es unstreitig, dass in der Vergangenheit der Bundesrepublik Deutschland die Staatshaushalte nicht in den schlechten Zeiten, sondern in den guten Zeiten belastet wurden, etwa durch Steuersenkungen oder Ausgabenerhöhungen.

3) Als dritter Faktor kommt - ebenfalls entsprechend Maastricht - eine Ausnahmeregelung für Notsituationen hinzu (z.B. Naturkatastrophen oder tiefe Rezessionen). Mit der Kanzlermehrheit kann der Deutsche Bundestag eine höhere Verschuldung beschließen, wenn hierfür ein unabweisbarer Bedarf zur Bekämpfung einer Notlage besteht. Das geschieht im Moment mit den beiden Konjunkturpaketen zur Abwehr der Finanz- und Wirtschaftskrise. Diese Ausnahme ist in der Höhe nicht beschränkt. Allerdings ist vorgesehen, dass die aufgenommenen Schulden in einer angemessenen Frist - konjunkturgerecht - zurückzuführen sind.

Sie sehen also, dass es sich hier um ein komplexes und abgestimmtes Paket handelt, das für sich berechtigt in Anspruch nimmt, auch und gerade die Lehren aus der Vergangenheit verantwortungsbewusst und generationengerecht mit einzubeziehen.

Weitere Dokumente und Materialien - darunter auch ein Gutachten von Professor Bofinger - können Sie sich über die Webseiten der Föderalismuskommission herunterladen, die Sie über die Internetseiten des Deutschen Bundestages und des Bundesrates erreichen.

In der Hoffnung, Ihnen mit diesen Informationen weiter geholfen zu haben verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Struck MdB