Frage an Peter Ramsauer von Michael van den H. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Dr. Ramsauer,
der Wahlkampf ist bereits da und als CSU-Mitglied aus meinem WK 226 möchte ich von Ihnen folgende Frage beantwortet haben:
In der Drucksache 15/337 vom 17.01.2003 stellte der Abgeordnete Hohmann unter der Nr. 42 eine Frage an das BM f. Gesundheit und Soziale Sicherheit. Ich zitiere die Frage: "Wie viele Familienangehörige in Deutschland Krankenversicherter haben nach Kenntnis der Bundesregierung in der Türkei als Leistungsempfänger nach dem deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen Leistungen von deutschen Krankenkassen erstattet bekommen, und wie hoch waren die jährlichen deutschen Erstattungsleistungen in den letzten vier jahren?"
Meine Fragen hierzu:
- Werden noch immer, obwohl die GKV und die Bürger hier in D finanziell "leiden" solche Leistungen an die Familienangehörige in der Türkei bezahlt?
- Warum?
- Wie hoch sind diese mittlerweile?
- Warum wird dieses unsägliche Abkommen, nicht wie bei Österreich bereits geschehen (Steuer), von uns einseitig gekündigt?
- Was gedenken Sie für die GKV-Mitglieder in Deutschl. zu tun, soll das so bleiben?
- Wie hoch wäre die Einsparung für Deutschland, wenn dieses Abkommen gekündigt würde und wäre das nicht gerecht für die hier lebenden, hart arbeitenden Menschen?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr van der Hirtz,
für Ihre Anfrage vom 16.04.2009 bedanke ich mich. Auf Ihre Frage vom 12.02.2008 zum gleichen Sachverhalt hatte ich Ihnen bereits ausführlich geantwortet. Ich darf nicht zuletzt wegen der Öffentlichkeit dieser Internetplattform den angesprochenen Sachverhalt noch einmal erläutern:
Es ist zunächst zutreffend, dass unter bestimmten Umständen im Ausland lebende Angehörige von in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigten Familienangehörigen Ansprüche gegenüber der deutschen Gesetzlichen Krankenversicherung haben. Obwohl dies auf den ersten Blick Unverständnis hervorruft, ist diese Praxis jedoch für die deutsche gesetzliche Krankenversicherung und damit für die Beitragszahler durchaus vorteilhaft.
Wenn ein türkischer Arbeitnehmer in Deutschland gesetzlich krankenversichert ist, wird er ebenso behandelt wie ein deutscher Arbeitnehmer; d. h. er und seine Familienangehörigen haben die gleichen Leistungsansprüche. Wohnen seine Familienangehörigen in der Türkei, kommt für diese auf Basis eines deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen vom 30. April 1964 unter bestimmten Umständen ein Leistungsanspruch zustande. Derartige bilaterale Regelungen entsprechen der allgemeinen Praxis des zwischenstaatlichen Sozialversicherungsrechts bzw. des überstaatlichen Sozialversicherungsrechts wie es etwa in der EU gilt.
Anspruchsberechtigt sind nicht selbst krankenversicherte Familienangehörige eines in Deutschland krankenversicherten Arbeitnehmers, also in der Regel Ehefrauen und minderjährige Kinder, die in der Türkei verblieben sind. Die der deutschen Krankenversicherung entstehenden Behandlungskosten werden nicht nach Einzelfällen berechnet, sondern nach jährlich zu vereinbarenden Pauschalen.
Zu den Kosten dieses Verfahrens: Die vollständige Abrechnung der insgesamt von der deutschen Krankenversicherung (GKV) zu zahlenden Erstattungsleistungen für das Jahr 2002 beliefen sich gegenüber der türkischen Krankenversicherung auf 12,462 Mio. €. Dies entspricht nicht einmal 0,001% der Leistungsausgaben der GKV. Zahlen über die Entwicklung der letzten Jahre liegen mir leider nicht vor. Sie müssten bitte über das Bundesgesundheitsministerium erfragt werden. Tendenziell dürfte sich die Höhe der Erstattungskosten in den letzten Jahren jedoch nicht signifikant verändert haben. Grundlage hierfür müssten starke Veränderungen in der bei uns in Deutschland arbeitenden türkischen Bevölkerung sein, was nicht erkennbar ist.
Manche Mitbürger sehen in dem angesprochenen Sachverhalt ein Ärgernis und drängen auf Kündigung des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens. Dies wäre zwar zum Ende jeden Jahres möglich. Eine solche Kündigung hätte aber weitreichende Auswirkungen. Deutsche Arbeitnehmer etwa, die von ihren Arbeitgebern vorübergehend in die Türkei entsandt werden, würden dann für die Dauer ihrer Beschäftigung der dortigen Sozialversicherungspflicht unterliegen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer hätten somit doppelte Beitragslasten in Deutschland und in der Türkei zu tragen. Weiterhin würde für deutsche Türkei-Touristen der Versicherungsschutz der deutschen Kranken- und Unfallversicherung nicht mehr bestehen. Sie würden damit im Falle der Erkrankung nicht mehr aushilfsweise medizinische Leistungen durch den Krankenversicherungsträger am Aufenthaltsort erhalten.
Schließlich ist bei einer Kündigung und Neuverhandlung des Sozialversicherungsabkommen zu erwarten, dass die türkischen Verhandlungspartner auf eine Ablösung des für die deutsche GKV überaus kostengünstigen pauschalen Erstattungsverfahrens durch den Ersatz der tatsächlich entstandenen Kosten drängen werden. Eine solche Lösung wäre gegenüber dem derzeitigen Rechtsstand mit erheblichen Mehrkosten für die deutsche Sozialversicherung verbunden. Die Vorteile eines Beibehaltens der kritisierten Regelungen dürften mögliche Nachteile also deutlich überwiegen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Ramsauer MdB