Frage an Peter Ramsauer von Noor N. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Dr. Ramsauer,
vor wenigen Tagen haben Sie die Änderung der Kriminalstatistik gefordert, um eine Sonderkategorie für Deutsche mit sogenannentem Migrationshintergrund einzurichten.
Was erhoffen Sie sich damit, außer noch etwas stärker am rechten Rand nach Stimmen zu fischen?
(auf der Internetseite "Deutsche Stimme" wird selbstbewußt schon daraufhingewiesen, dass Sie die "Forderung der nationalen Opposition in Deutschland" endlich aufgegriffen haben, Quelle: http://www.deutsche-stimme.de/ds/?p=622)
Sie haben doch bei ihrem CDU-Kollegen Koch in Hessen gesehen wohin ein derartiger Wahlkampf führt. Die deutschen Bürger/innen sind intelligent genug um die komplexen Sachverhalte zu sehen und benötigen ihre dumpfe Simplifizierung nicht.
Eine Partei wie die CSU sollte sich für die immer wieder geforderte Integration einsetzen anstatt auf dem Rücken von Migranten Wahlkampf zu führen.
Was mich jedoch an Ihrer Forderung am meisten schockt, ist die verbale Segegration, die Sie zwischen "Bluts-Deutschen" und "formal Deutschen" durchführen.
Gibt es für Sie wirklich diese 2 Kategorien von Deutschen, den Richtigen und den Falschen?
Wenn ja:
Wann ist man nach der rechtswirksamen Einbürgerung DEUTSCH? Benötigt das "DEUTSCH-SEIN" eine Generation, zwei Generationen oder - wie Sie in Ihren statements andeuten - ist das nie möglich?
Die Staatsbürgerschaft wird - wie Sie wissen sollten - nicht einfach nachgeworfen. Es müssen viele Bedingungen erfüllt werden: Acht Jahre Wohnsitz im Land, kein Bezug von Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II, bestandener Einbürgerungstest, Bekenntnis zum Grundgesetz.
Jedoch ist trotz Erfüllung aller Tatbestände eine Einbürgerung nicht möglich ab einem Strafregister von über 90 Tagessätzen oder einer Bewährungsstrafe von mehr als drei Monaten. (Geringfügige Verurteilungen werden addiert.)
Zusammenfassend: Anstatt auf den Rücken dieser Menschen Wahkampf zu führen, sollten Sie endlich das Potenzial der Personen für unser Land sehen.
Sehr geehrter Herr Naqschbandi,
vielen Dank für Ihre Zuschrift auf „abgeordnetenwatch.de“ vom 06. Januar 2009, in der Sie meine Forderung kritisieren, in der Polizeilichen Kriminalstatistik bei Tatverdächtigen nicht nur nach der Staatsangehörigkeit zu differenzieren, sondern darüber hinaus bei deutschen Tatverdächtigen auch einen etwaigen Migrationshintergrund zu erfassen. Auch wenn ich die Wortwahl, mit der Sie meine Forderung beschreiben, für wenig hilfreich und in der Sache verfehlt halte, möchte ich Ihnen meinen Standpunkt näher erläutern.
Zunächst einmal stelle ich fest, dass es - wie auch Sie sicherlich aus Presseberichten entnommen haben - interessanterweise gerade im rot-rot regierten Bundesland Berlin offenbar seit einiger Zeit polizeiliche Praxis war, auch den Migrationshintergrund von Tatverdächtigen zu erfassen. Am 12. Januar 2009 kündigte der Berliner SPD-Innensenator an, den Migrationshintergrund entgegen der bisherigen Praxis nur noch bei jugendlichen Gewalttätern zu erfassen. Warum der Innensenator diese Kehrtwende vollzieht, ist für mich nicht nachvollziehbar und möchte ich einmal dahinstehen lassen. Immerhin ist aber bezeichnend, dass er es zumindest bei der Gruppe der jungen Gewalttäter offenbar nach wie vor für sachgerecht hält, den Migrationshintergrund auch zu erfassen.
Mein Anliegen ist es, dass sich die Politik den tatsächlichen Verhältnissen im Bereich der Kriminalität stellt. Das beginnt mit einer aussagekräftigen und unverfälschten statistischen Datenbasis. Wenn Sie demgegenüber den Vorwurf erheben, dass eine solche Erfassung in der Polizeilichen Kriminalstatistik „Wahlkampf auf dem Rücken der Migranten“ wäre, müssten Sie sich eigentlich auch gegen die Erfassung der Staatsangehörigkeit von Tatverdächtigen aussprechen. Dies tun Sie aber bezeichnenderweise nicht. Die schlichte Unterscheidung nach der Staatsangehörigkeit vermittelt aber kein vollständiges und damit hinreichend aussagekräftiges Bild über die tatsächlichen Verhältnisse; besondere Risikokumulationen bei bestimmten Tätergruppen bleiben damit unerkannt oder werden zumindest nicht vollständig dargestellt. Aus diesem Grunde sollte die Kriminalstatistik nach meiner Auffassung in diesem Punkt weiter differenziert werden.
Der Blick in die Polizeiliche Kriminalstatistik zeigt, dass Tatverdächtige mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit im Verhältnis zu ihrem Bevölkerungsanteil von 8,9 % bei der Kriminalitätsbelastung deutlich überrepräsentiert sind. Der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger an der Gesamtzahl der in der Kriminalstatistik erfassten Fälle beträgt 21,4 %. Mit 23,7 % noch einmal höher ist der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen bei der Gewaltkriminalität. Selbst wenn man Delikte des Ausländer- und Asylrechts außen vor lässt - die naturgemäß vor allem von Ausländern begangen werden - liegt der Anteil der nichtdeutschen Staatsangehörigen an den Tatverdächtigen im Erfassungsjahr 2007 noch bei 19,0 %.
Eine besonders hohe Kriminalitätsbelastung ist letztlich ein Indikator für spezifische Problemkumulationen bei bestimmten Tätergruppen. Die deutlich überdurchschnittliche Kriminalitätsbelastung der nichtdeutschen Staatsangehörigen weist auf signifikante Integrationsdefizite hin. Soweit es über die Erfassung der Staatsangehörigkeit hinaus in der Erfassungspraxis weitere Differenzierungen gibt, wird dieser Befund bestätigt. So erfasst das Land Berlin speziell bei Delikten im Bereich der Jugendgruppengewalt seit dem 01. Januar 2002 über die Staatsangehörigkeit hinaus auch den Migrationshintergrund. Dabei hatten im Jahr 2006 insgesamt 44,7 % der Tatverdächtigen in diesem Bundesland einen Migrationshintergrund. Bei den so genannten Intensivtätern hatten nach einer Erfassung ebenfalls im Land Berlin im Jahr 2004 insgesamt 79,7 % der Täter einen Migrationshintergrund.
Die Befunde aus der Polizeilichen Kriminalstatistik und - sowie vorliegend - die hier dargestellten ergänzenden Erhebungen in Berlin sind überaus alarmierend. Dies ist zwar mit Sicherheit kein Anlass, Pauschal- oder Generalverdächtigungen gegenüber Zuwanderern anzustellen. Wenn wir aber die Probleme, auf die diese Statistiken hinweisen, ernst nehmen und besser bewältigen wollen, müssen wir die Tatsachen unverstellt in den Blick nehmen, aus denen sich diese Probleme ergeben. Nur dann kann die Politik zielgenaue Präventions- und Integrationskonzepte entwickeln, die nicht zuletzt auch im Interesse der Zuwanderer selbst liegen. Es ist niemandem geholfen, wenn man die bestehenden Probleme im Bereich der Integration mit dem Hinweis auf den in den letzten Jahren in der Tat zurückgehenden Anteil der Ausländer in der Kriminalitätsstatistik zu relativieren sucht.
Selbstverständlich gibt es bei dieser Vorgehensweise keine „zwei Kategorien von Deutschen“, wie Sie unterstellen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Bei der Staatsbürgerschaft geht es um ein Bündel von Rechten - und auch Verpflichtungen - die spezifisch gerade der Gruppe der Staatsangehörigen zukommt. Hingegen kann es in anderen Zusammenhängen aus dort spezifischen, sachgerechten Gründen - etwa in der Kriminalstatistik aus Gründen der Kriminalitätsprävention und der Kriminalitätsbekämpfung - notwendig sein, auch nach anderen Kriterien zu differenzieren. Aufgrund der durch Rot-Grün vorgenommenen Änderungen des Staatsbürgerschaftsrechts mit Wirkung zum 01. Januar 2000 wurde der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erleichtert. Mittlerweile sind seit dem Jahr 2000 rund eine Million vormaliger Ausländer in Deutschland eingebürgert worden. Hinzu kommen die in Deutschland geborenen Kinder und Jugendlichen, die nach der seit 01. Januar 2000 geltenden Rechtslage zusätzlich zur Staatsbürgerschaft ihrer Eltern die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen haben. Zwar ist gegen die Einbürgerung als solche im Grundsatz nichts einzuwenden. Allerdings kann die Einbürgerung als solche kein Instrument der Integration sein. Vielmehr kann die Einbürgerung nur als Abschluss eines weitgehend bereits gelungenen Integrationsprozesses stehen. Lange Zeit war die Einbürgerung aber gerade nicht an den Nachweis eines ausreichenden Integrationsniveaus geknüpft. Erst im Jahr 2006 haben die dafür zuständigen Innenminister der Länder eine alte Forderung von CSU und CDU aufgegriffen und einheitliche Einbürgerungsstandards eingeführt. Dazu zählen der Nachweis schriftlicher und mündlicher Deutschkenntnisse und ein abgeschlossener Integrationskurs, in dem staatsbürgerliche Grundkenntnisse vermittelt werden.
Vor diesem Hintergrund wird nachvollziehbar, dass es auch bei einer Reihe von bislang eingebürgerten Personen noch deutliche Integrationsdefizite geben kann. Das heißt nun selbstverständlich nicht, dass dieser Befund - wie Sie unterstellen - dazu führen würde, innerhalb der deutschen Staatsangehörigen irgendwelche Unterscheidungen nach irgendwelchen - von Ihnen so bezeichneten - „Kategorien“ von Deutschen vorzunehmen. Eine solche Annahme ist geradezu absurd und für mich nicht einmal mehr im Ansatz nachvollziehbar, Es geht vielmehr darum, Indikatoren für den Stand der Integration von Zuwanderern und für bestehende Integrationsdefizite zu gewinnen. Derartige Defizite können sich unter anderem in einer besonderen Belastung im Bereich der Kriminalität manifestieren. Wenn wir die Integration als politische Schlüsselaufgabe ernst nehmen, dürfen wir die Augen vor den Fakten nicht verschließen. Der abnehmende Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen in der Polizeilichen Kriminalstatistik gibt in diesem Zusammenhang aus den genannten Gründen keinen unverstellten Überblick über die tatsächlichen Verhältnisse. Belastbare und aussagekräftige Daten sind aber die Grundvoraussetzung dafür, dass bessere und zielgenaue Konzepte der Prävention und Integration erarbeitet werden können, um Integrationsdefizite zu reduzieren.
Zweifellos ist für die Erfassung des Migrationshintergrundes noch eine Reihe von Fragen insbesondere technischer und praktischer Art zu klären, wofür in erster Linie die Länder als die für die Polizeibehörden weitgehend zuständige staatliche Ebene verantwortlich sind. Ich begrüße in diesem Zusammenhang sehr, dass der Bayerische Staatsminister des Innern am 09. Januar 2009 angekündigt hat, dass Bayern gemeinsam mit Hamburg im Rahmen einer Arbeitsgruppe daran arbeiten wird, die Voraussetzung für die Erfassung der Herkunft von Tatverdächtigen in der Polizeilichen Kriminalstatistik zu schaffen.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Dr. Peter Ramsauer MdB