Frage an Peter Ramsauer von Hartmut Frank M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Dr. Ramsauer!
Heute hat die Bundesregierung ihren Migrationsbericht vorgelegt.
Das Magazin " Kontrovers" berichtete im BR, dass eigentlich weit mehr als 5 Mio. Menschen ohne Arbeit wären. Durch Statistikschönfärberei würde man zu anderen Zahlen kommen. So seien 1 Euro-Jobber, Menschen die Sozialgeld bekommen( nicht vermittelbar sind), Umschüler usw. nicht in der offiziellen Arbeitslosenstatistik mitgezählt. Auch die 58er-Regelung würde zur Kosmetik der Statistik beitragen. Dazu kämen noch etwa 2 Mio. Erwebslose, die als sogenannte "stille Reserve" genannt werden. Z.B. Frauen, die zwar arbeiten könnten, die die Hoffnung auf einen Job aber aufgegeben hätten, und vom Geld ihres Gatten leben würden.
Nun fordert heute eine Grünen-Abgeordnete mehr Zuwanderung. Auch der "Wirtschaftsflügel" Ihrer Partei, die SPD, die FDP und vor allem die Arbeitgeber fordern das oftmals.
Sollte man nicht eher schauen, wie man speziell Hochqualifizierte nach Deutschland bekommt? Sollte man nicht auch sehen, dass sehr viele Menschen Deutschland zur Zeit verlassen, um woanders zu arbeiten. Die diversen Fersehshows, z.B. " Mein neues Leben" kennen Sie ja sicher. Oftmals kommen diese Auswanderer zurück und haben kein Geld mehr und müssen dann zum Amt gehen.
Die ständige Forderungen nach mehr Zuwanderung lösen m.E. kein Probleme. Ihnen werden die Zustände ja bekannt sein. Ganze Fleischereien arbeiten nur noch mit osteuropäischen Billigjobbern.
Ist es nicht einmal an der Zeit das tatsächliche Ausmaß an Arbeitslosigkeit zu benennen? Anstatt ständig mehr Zuwanderung zu fordern.
Mit freundlichen Grüßen
Hartmut Frank Mueller
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für die Nachricht vom 09. Mai 2008, in der Sie sich mit der Frage der Zuwanderung nach Deutschland und ihres Einflusses auf den deutschen Arbeitsmarkt beschäftigten. Ich stimme Ihrer Schlussfolgerung zu, dass eine generelle Erleichterung der Zuwanderung kein Patentrezept für die Behebung eines etwaigen Fachkräftemangels in bestimmten Branchen ist. Es wäre ein Fehler, auf etwaige kurzfristig sich ergebende Bedarfe an Arbeitskräften in bestimmten Branchen durch eine generelle Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für Zuwanderer aus dem Ausland zu reagieren. Vielmehr sind hier passgenaue und differenzierte Lösungen notwendig, die aber bereits nach der heute geltenden Rechtslage möglich sind.
Erste Priorität muss dabei immer sein, die in Deutschland lebenden Menschen in Beschäftigung zu bringen. Ich stimme Ihnen voll und ganz zu, dass es in Deutschland trotz der erfreulichen wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre immer noch zu viele Menschen ohne Arbeit gibt. Wenn gleichzeitig in bestimmten Branchen ein Bedarf an bestimmten qualifizierten Arbeitskräften besteht, dann kann und muss ein solcher Bedarf primär durch eine bessere Qualifizierung und Ausbildung der Menschen in Deutschland gedeckt werden. Wir brauchen eine Qualifizierungs- und Ausbildungsoffensive, um in Deutschland den Nachwuchs insbesondere in naturwissenschaftlichen und technischen Berufe sicherzustellen.
Demgegenüber besteht für eine generelle Ausweitung der Zuwanderung aus dem Ausland kein Bedarf. Schon das geltende Recht bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten, um auf einen konkreten Bedarf auch durch eine gezielte Ermöglichung des Zuzugs benötigter Fachkräfte reagieren zu können. Eine besonders günstige Zuzugsmöglichkeit besteht dabei für so genannte Hochqualifizierte. Dies sind Spitzenkräfte der Wirtschaft und Wissenschaft, unter anderem Spezialisten und leitende Angestellte, die bei Beschäftigung in Deutschland ein Jahresgehalt in Höhe von mindestens dem doppelten der Beitragsbemessungsgrenze der Gesetzlichen Krankenversicherung (derzeit 85.500 Euro) beziehen. Diese Personen erhalten ein unbefristetes Aufenthaltsrecht in Deutschland, die so genannte Niederlassungserlaubnis, ohne dass die Arbeitsverwaltung vorher prüfen würde, ob die entsprechende Stelle auch durch einen Deutschen oder Angehörigen eines EU-Mitgliedstaates besetzt werden könnte (so genannte individuelle Arbeitsmarkt-Vorrangprüfung). Die Freistellung der Hochqualifizierten von der Arbeitsmarkt-Vorrangprüfung ist deshalb gerechtfertigt, weil es im Interesse des Standorts Deutschland ist, solche Spitzenkräfte ins Inland zu holen.
Aber auch unterhalb der genannten Gehaltsschwelle bestehen bereits ausreichend Möglichkeiten, einen entsprechenden Bedarf im Einzelfall auch mit Hilfe von ausländischen Arbeitskräften zu decken. Unterhalb des genannten Gehaltsschwellenwerts wird die Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich nur erteilt, wenn für die konkrete Arbeitsstelle keine deutschen Arbeitnehmer oder ihnen gleichgestellte Ausländer aus den alten EU-Mitgliedstaaten sowie Malta und Zypern zur Verfügung stehen. Das ist auch sachgerecht und muss so bleiben, da es vorrangig darauf ankommen muss, die Arbeit suchenden Menschen in Deutschland in Lohn und Brot zu bringen, bevor eine offene Stelle mit einem Bewerber aus dem Ausland besetzt wird. Die Vorrangprüfung wird derzeit auch noch bei Ausländern aus den neuen (zum 01. Mai 2004 sowie zum 01. Januar 2007 beigetretenen) EU-Mitgliedstaaten, außer Zypern und Malta, durchgeführt.
Daneben sind jedoch flexible und an besondere regionale Bedürfnisse angepasste Lösungen möglich, wenn in einer bestimmten Branche und möglicherweise auch regional begrenzt kurzfristig ein besonderer Fachkräftebedarf besteht. Dann besteht für die Arbeitsverwaltung die Möglichkeit, regional und branchenbezogen begrenzt auf die Arbeitsmarkt-Vorrangprüfung zu verzichten, um die Besetzung entsprechender Stellen auch durch Fachkräfte aus dem Nicht-EU-Ausland zu ermöglichen. Diese Spielräume müssen von der Arbeitsverwaltung und den Ausländerbehörden im Bedarfsfall ausgeschöpft werden.
Um aktuelle Engpässe bei Ingenieurberufen in besonders nachgefragten Fachrichtungen - derzeit im Maschinen- und Fahrzeugbau sowie bei den Elektroingenieuren - auszugleichen, hat zudem die unionsgeführte Bundesregierung beschlossen, seit dem
01. November 2007 auf die individuelle Arbeitsmarkt-Vorrangprüfung in diesen Bereichen zu verzichten. Im gleichen Zug wurde der Zugang ausländischer Absolventen deutscher Hochschulen zum deutschen Arbeitsmarkt durch Verzicht auf die Vorrangprüfung erleichtert.
Somit bestehen schon heute ausreichend Möglichkeiten zur Deckung entsprechender Bedarfe auch durch Fachkräfte aus dem Ausland. Für eine allgemeine Ausweitung der Zuwanderung, etwa durch einen allgemeinen Verzicht auf die Arbeitsmarkt-Vorrangprüfung, besteht vor diesem Hintergrund keinerlei Bedarf. Die CSU-Landesgruppe und die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag sprechen sich dabei insbesondere auch gegen eine Zuwanderung nach einem wie auch immer gearteten „Punktesystem“ aus. Denn bei einem solchen System würde einem Ausländer der Zuzug unabhängig von einem konkreten Arbeitsplatzangebot in Deutschland ermöglicht. Eine solche Zuwanderung, die an einem konkreten Bedarf des Arbeitsmarkts vorbeigeht, wäre für den deutschen Arbeitsmarkt das völlig falsche Rezept und kommt für uns daher nicht in Frage.
Ziel von CSU und CDU ist ein Aufschwung, der allen Menschen in Deutschland zugute kommt. Die gesunkenen Arbeitslosenzahlen sind ein Erfolg der Politik der Union. Jedoch darf die immer noch zu große Anzahl von Menschen ohne Arbeit in Deutschland nicht einfach als „Sockel“ hingenommen, sondern muss weiter reduziert werden.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Dr. Peter Ramsauer MdB