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Peter Ramsauer
CSU
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Frage von Gabriele Pfennig, D. •

Frage an Peter Ramsauer von Gabriele Pfennig, D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Ramsauer,
herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort vom 28.02.08 bezüglich der hier lebenden Türken und ihrer Doppelstaatlichkeit. Aber – wie Sie selbst schreiben – gibt es keine Statistik über die Zahl derjenigen, die beide Pässe besitzen, was nach dem Staatsangehörigkeitsrecht vom 15.07.1999 nur noch in Ausnahmefällen möglich ist. Wie hoch die Zahl derjenigen ist, die nach 2000 die türkische wiedererlangt haben, weiß der deutsche Staat auch nicht.
Die souveräne Bundesrepublik darf sich doch nicht vom türkischen Staat mit der Begründung des Datenschutzes abspeisen lassen. Warum knickt die Bundesregierung wieder ein ? Sollte nicht entweder die Einbürgerung der Türken ausgesetzt oder die eingebürgerten Türken nach ihren Staatsbürgerschaften befragt werden, so lange bis die Türkei die Registerauszüge übermittelt ?
Vielleicht haben wir schon 90% türkische Doppelstaatler ?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gabriele Pfennig

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Antwort von
CSU

Sehr geehrte Frau Dr. Pfennig,

Ihre Nachfrage könnte auf einem Missverständnis beruhen. Sie zitieren meine Aussage, wonach es keine statistischen Daten darüber gibt, wie viele in Deutschland lebende Personen gleichzeitig die türkische und die deutsche Staatsangehörigkeit haben, und anschließend erwähnen Sie, dass die Bundesrepublik keine Daten darüber hat, wie viele deutsche Staatsangehörige ab 2000 die türkische Staatsangehörigkeit erworben haben (womit sie im Regelfall die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben). Es handelt sich hierbei jedoch um unterschiedliche Sachverhalte: im ersten Fall geht es um eine doppelte Staatsbürgerschaft, die auf legale Art und Weise erworben wurde, im zweiten Fall liegt gerade keine doppelte Staatsbürgerschaft vor. Diese beiden Sachverhalte müssen voneinander unterschieden werden. Die von Ihnen aufgestellte Vermutung, es könnten bis zu 90% türkische Doppelstaatler geben, kann ich weder bestätigen noch dementieren. Wenn Sie aber Fälle meinen, in denen ein deutscher Staatsangehöriger türkischer Herkunft nach Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ohne Wissen der deutschen Behörden wieder die türkische Staatsbürgerschaft angenommen hat, so führte ein solches Verhalten jedenfalls seit dem 1.1.2000 automatisch zum Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft. Auf Betreiben von CSU und CDU wurde für solche Fälle dieser automatische Verlust gesetzlich festgeschrieben, gerade um zu verhindern, dass es zu massenhafter doppelter Staatsbürgerschaft kommt. Um diese Fälle kann es somit seit dem Jahr 2000 gerade nicht mehr gehen.

In der Tat gibt es keine Daten darüber, wie viele in Deutschland lebende Personen sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsangehörigkeit haben. Wer – etwa nach der bis Ende 1999 geltenden Rechtslage nach der damals geltenden so genannten Inländerklausel – auf legalem Weg etwa neben der türkischen Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, ist eben legaler Doppelstaatler geworden. Gleiches gilt für deutsche Staatsangehörige - in der Regel wohl türkischer Herkunft -, die vor dem 01. Januar 2000 die türkische Staatsangehörigkeit erworben haben, da bis zu diesem Zeitpunkt nach deutschem Recht der Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit nicht automatisch zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit geführt hat. Auch diese Personengruppe hat – auf der Grundlage der damaligen Rechtslage – eben auf legale Weise eine doppelte Staatsangehörigkeit erworben. Diese Tatbestände lassen sich nicht mehr rückgängig machen. CDU und CSU haben gerade deshalb auf Änderung der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften, die in diesen Fällen eine dauerhafte doppelte Staatsangehörigkeit ermöglichten, gedrängt und die entsprechenden Änderungen durchgesetzt.

Diese Fälle sind von denjenigen zu unterscheiden, in denen ein deutscher Staatsangehöriger nach dem 01. Januar 2000 die türkische Staatsangehörigkeit erworben hat. Diese Personen sind in aller Regel gerade nicht Doppelstaatler geworden, sondern sie haben durch den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit automatisch verloren. Über diese Fälle gibt es im Übrigen durchaus Zahlenmaterial. Die für den Vollzug des Staatsangehörigkeitsrechts zuständigen Bundesländer haben flächendeckende, umfassende Anschreibeaktionen durchgeführt, um herauszufinden, welche deutschen Staatsangehörigen infolge Erwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit nach dem 01. Januar 2000 die deutsche Staatsangehörigkeit wieder verloren haben. Die von Ihnen vorgeschlagene „Befragung“ der eingebürgerten Türken hat somit bereits stattgefunden. Nach Aussage der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE (BT-Drs. 16/139) vom 05. Dezember 2005 wurden bis zum damaligen Zeitpunkt bundesweit rund 21.500 Betroffene türkischer Herkunft ermittelt, die auf diese Weise die deutsche Staatsangehörigkeit wieder verloren haben.

Es ist einzuräumen, dass trotz dieser Anschreibeaktion nicht ausgeschlossen werden kann, dass daneben noch „unerkannte“ Fälle von Personen bestehen, die rechtlich die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben. Die deutschen Behörden hätten nur dann einen umfassenden Überblick über diese Personen, wenn die Türkei die Namen der Betroffenen den deutschen Behörden bekannt geben würde. Über diese Frage wurden zwischen der Bundesregierung und der türkischen Regierung Gespräche aufgenommen, die derzeit noch andauern. Die Tatsache, dass dabei bislang noch keine konkreten Ergebnisse erzielt werden konnten, ist aus meiner Sicht in der Tat unbefriedigend. Ich erwarte von der Türkei hier eine deutlich größere Kooperationsbereitschaft. Allerdings wäre es rechtlich nicht möglich, die Einbürgerung türkischer Staatsangehöriger in Deutschland aus diesem Grunde pauschal auszusetzen, da jeder Einbürgerungsfall gesondert behandelt werden muss. Wenn ein türkischer Staatsangehöriger nach deutschem Staatsangehörigkeitsrecht einen Einbürgerungsanspruch hat – dies ist nach acht Jahren rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland der Fall, wenn er darüber hinaus eine Reihe weiterer Voraussetzungen erfüllt – dann kann ihm die Einbürgerung nicht unter Hinweis auf die oben genannte unbefriedigende Kooperationsbereitschaft der Türkei versagt werden. Abschließend möchte ich noch festhalten: Aus meiner Sicht ist Mehrstaatigkeit –jenseits der Staatsangehörigen der EU-Mitgliedstaaten – nach Möglichkeit zu vermeiden. Dies war und bleibt klare Linie von CSU und Union. Eine vollständige Vermeidung lässt sich aber letztlich nicht erreichen. Sonst müsste man auch bei Kindern aus binationalen Ehen verlangen, sich für eine Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Dies wäre zu weitgehend. Wichtig ist es aber, mit aller Konsequenz Missbrauchsfälle zu verhindern und die Fälle von mehrfacher Staatsangehörigkeit so weit wie möglich zu beschränken. Dies haben wir als Union mit den Änderungen des Staatsangehörigkeitsrechts zum 01. Januar 2000 in weitem Umfang sichergestellt.

Mit freundlichen Grüßen
gez.
Dr. Peter Ramsauer MdB

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