Frage an Peter Ramsauer von Peter J. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Dr. Ramsauer,
was halten Sie von dem Gesetzesentwurf zur Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung / Bestandsdatenabfrage der im Jahr 2013 zur Abstimmung kommen soll?
In mehreren Punkten halten ich den Gesetzentwurf für verfassungswidrig:
1. Es fehlt bereits die verfassungsrechtlich gebotene abschließende Bestimmung, welche Vorschriften einen Zugriff auf Kommunikationsdaten erlauben sollen (einfachgesetzliches Zitiergebot).
2. Es fehlt die verfassungsrechtlich geforderte Beschränkung des Datenzugriffs auf Einzelfälle.
3. Entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sollen Zugriffe auf Kommunikationsdaten durch Polizeibehörden nicht beschränkt werden auf Fälle konkreter Gefahr oder des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat. Entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts soll die Identifizierung von Internetnutzern selbst zur Ermittlung geringfügiger Ordnungswidrigkeiten zugelassen werden.
4. Entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts soll die Identifizierung von Internetnutzern durch Geheimdienste keine tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer konkreten Gefahr voraussetzen.
5. Es ist unklar und nicht kontrollierbar, unter welchen Voraussetzungen Anbieter Zugriffscodes wie Mailbox-PINs oder E-Mail-Passwörter an Staatsbehörden herausgeben dürfen.
6. Es fehlt die verfassungsrechtlich gebotene Benachrichtigung von Internetnutzern, deren Identität ermittelt worden ist. Der Bund will Anbietern sogar verbieten, ihre Kunden freiwillig zu benachrichtigen, selbst wo die Länder Stillschweigen nicht anordnen (z.B. bei Suizidgefahr oder Vermissten).
Meine Position ist: Der Staat darf auf Kommunikationsdaten allenfalls mit richterlicher Anordnung und zur Aufklärung schwerer Straftaten oder zur Abwehr von Gefahren für wichtige Rechtsgüter zugreifen. Einen Zugriff durch Geheimdienste lehne ich in jedem Fall ab, ebenso wie die Herausgabe von Zugriffscodes wie PINs und Passwörtern.
Mit freundlichen Grüßen
P. Jaekel
Sehr geehrter Herr Jaekel,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht vom 30. Dezember 2012 bei abgeordnetenwatch.de, in der Sie auf die Neuregelung zur Bestandsdatenauskunft Bezug nehmen. Gerne nehme ich hierzu Stellung.
Ziel des Gesetzes ist es, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Urteil vom 24. Januar 2012 (1 BvR 1299/05) umzusetzen und eine neue gesetzliche Grundlage für die Bestandsdatenauskunft nach § 113 TKG zu schaffen.
Hierfür wird § 113 TKG entsprechend angepasst, so dass zukünftig zwischen der Beauskunftung dynamischer Internetprotokoll-Adressen beziehungsweise sonstiger Bestandsdaten differenziert werden kann. Zudem wird durch die Neuregelung klargestellt, dass es für den Abruf einer qualifizierten Rechtsgrundlage für die abrufende Stelle bedarf. Damit wird der Gesetzgeber der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2012 gerecht, wonach es, nach dem Bild einer „Doppeltür“, an einer Norm zur Datenübermittlung („erste Tür“) und einer Abrufnorm („zweite Tür“) bedürfe.
Die von Ihnen geäußerte Kritik am Gesetzentwurf der Bundesregierung vermag ich daher nicht nachzuvollziehen. Schließlich finden sich die konkreten Normen, die zu einem Abruf nach den Vorgaben des neuen § 113 TKG berechtigen würden, in den jeweils einschlägigen Fachgesetzen des Bundes und der Länder. Diese sind selbstverständlich auch noch an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts anzupassen. Für den Bund erfolgt dies bereits mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, der auch Umsetzungsregelungen für die in der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes befindlichen Gesetze enthält. Diese Normen (§ 2b BND-Gesetz, § 8d BVerfSchG, § 4b MAD-Gesetz, etc.) entsprechen auch den von Ihnen genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen (z.B. Zitiergebot etc.).
Die Länder sind nach Verabschiedung der Neuregelung auf Bundesebene gehalten, die maßgeblichen Normen ebenfalls an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts anzupassen.
Abschließend darf ich noch darauf hinweisen, dass sich der Gesetzentwurf der Bundesregierung derzeit im parlamentarischen Verfahren befindet und eine Sachverständigenanhörung voraussichtlich noch im März 2013 stattfinden wird. Sollten sich aufgrund der Sachverständigenanhörung noch relevante, bisher unberücksichtigte Erkenntnisse ergeben, werden wir diese selbstverständlich noch im Rahmen des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens berücksichtigen.
Mit freundlichen Grüßen,