Frage an Peter Ramsauer von Christian F. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Dr. Ramsauer,
an einer Kreuzung, die ich oft als Radfahrer auf dem Radweg befahre, zeigt die Fußgängerampel regelmäßig rot, während die Ampel für den Fahrverkehr in derselben Richtung noch grün ist. Es gibt keine Fahrradampel. (In München: Von-Kahr-Str. stadtauswärts, Abzweigung Eversbuschstr.)
Im Oktober 2012 habe ich der Seite „gesetze-im-internet.de“ des Bundesjustizministeriums entnommen, dass in diesem Fall für Radfahrer die Ampel für den Fahrverkehr gilt (Straßenverkehrsordnung §37).
Wochen später stieß ich auf die Berichterstattung über Ihre Pressekonferenz zur „Schilderwaldnovelle“ vom 13.4.2010: Sie erklärten damals die aktuelle Fassung der Stvo für nichtig, und stellten fest dass die vorherige Fassung der Stvo weiter gilt. In dieser ergibt sich aus §37 aber, dass an der genannten Stelle für Radfahrer die Fußgängerampel gilt.
Weiterhin fand ich eine Einschätzung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zu Ihrer Pressekonferenz:
„In Frage steht, ob ein Bundesminister eine Verordnung für nichtig erklären darf. [...] Rechtlich betrachtet ist die Erklärung des BMVBS irrelevant. Ihr kommt keine rechtsgestaltende oder rechtsaufhebende Bedeutung zu. [...]" Quelle: http://www.abgeordnetenwatch.de/gustav_herzog-575-37647.html#questions , Suche nach „Stvo“
Dies verstehe ich als juristischer Laie so, dass Ihre Pressekonferenz vom Frühjahr 2010 die Gültigkeit der 46. Version der Straßenverkehrsordnung nicht aufhebt.
- Was gilt an der genannten Kreuzung für Radler: Fußgänger- oder Fahrverkehrsampel?
- Seit Ihrer Pressekonferenz vom 13. April 2010 sind mehr als zweieinhalb Jahre verstrichen. Haben Sie dafür gesorgt, dass die Rechtsunsicherheit beseitigt wird?
- Teilen Sie die Einschätzung, dass die Verlinkung von unterschiedlichen Versionen der Stvo durch das Verkehrs- und das Justizministerium verwirrend und eine Gefahr für Leib und Leben ist?
Gespannt auf Ihre Antwort, verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
Christian Fröhler
Sehr geehrter Herr Fröhler,
vielen Dank für Ihre Frage zur Straßenverkehrs-Ordnung.
Auf Ihre Frage zur Rechtssituation an der Ampelkreuzung erläutere ich Ihnen zunächst Grundsätzliches. Für die Durchführung, den Vollzug und die Überwachung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften sind nach dem Grundgesetz (Artikel 83 und 84) allein die Länder zuständig, denn sie führen die Bundesgesetze - in diesem Fall die StVO - als eigene Angelegenheit aus. Der Bund hat diesbezüglich keine Eingriffs- oder Weisungsrechte gegenüber den Bundesländern. Bitte verstehen Sie, dass es mir „aus der Ferne“ nicht möglich ist, eine verbindliche Rechtsauskunft zu einer konkreten örtlichen Situation zu erteilen.
Gemäß § 37 Absatz 2 Nummer 6 der geltenden StVO haben Radfahrer die Lichtzeichen für Fußgänger zu beachten, wenn eine Radwegfurt an eine Fußgängerfurt grenzt und keine gesonderten Lichtzeichen für Radfahrer vorhanden sind. Die aktuell gültige Version der StVO steht Ihnen unter anderem im Internet auf der Homepage des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (www.bmvbs.de) unter der Rubrik „Verkehr und Mobilität - Autofahrer“ zur Verfügung.
Die von Ihnen angesprochene, vom Bundesministerium der Justiz veröffentlichte Fassung der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) berücksichtigt den in der 46. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften enthaltenen Verstoß gegen das verfassungsrechtlich verankerte Zitiergebot des Artikel 80 Absatz 1 Satz 3 Grundgesetz (GG) nicht.
Das Zitiergebot bezweckt wichtige rechtsstaatliche Kontrollfunktionen: Es sichert eine Selbstkontrolle des Verordnungsgebers, der durch die ihm auferlegte Pflicht zur Angabe der Rechtsgrundlage gezwungen ist, sich zu vergewissern, auf welche Ermächtigungsgrundlage er seine Rechtsetzung stützen will und ob die geplante Regelung von dieser Norm gedeckt ist. Da der Verordnungsgeber auf das ihm durch die Ermächtigungsgrundlage vorgegebene Normprogramm beschränkt ist, liefert die zitierte Norm zugleich einen Ansatzpunkt für die externe Prüfung, ob der Verordnungsgeber die Direktiven und den Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung eingehalten oder verfehlt hat. Eine Rechtsverordnung, die auf mehreren Ermächtigungsgrundlagen beruht, muss diese nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vollständig zitieren und bei inhaltlicher Überschneidung mehrerer Ermächtigungsgrundlagen diese gemeinsam angeben (BVerfG 101, 1, 42). Danach führt eine Missachtung des Zitiergebots des Artikel 80 Absatz 1 Satz 3 GG zur Verfassungswidrigkeit der Verordnung. Diese Rechtsunsicherheit wird mit dem Neuerlass der StVO behoben. Der Deutsche Bundesrat hat dem Neuerlass der StVO in seiner Sitzung am 21.09.2012 zugestimmt, so dass dieser am 01.04.2013 in Kraft treten wird.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Dr. Peter Ramsauer