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Peter Ramsauer
CSU
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Frage von Carolin S. •

Frage an Peter Ramsauer von Carolin S. bezüglich Familie

Geehrter Herr Ramsauer,

gerne würde ich von Ihnen die Position der CSU zum Thema Regenbogenfamilien und eine mögliche Gleichstellung mit der klassischen Familie erfahren. Im Rahmen meiner Bachelorarbeit werde ich u. a. die politische Landschaft in Deutschland zu diesem Thema behandeln und ebenso auch andere Parteien anschreiben. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir antworten würden. Falls Sie keine Zeit dafür finden, reicht mir auch ein Auszug aus dem Parteiprogramm.

Mit den besten Grüßen
Carolin Szabo

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Antwort von
CSU

Sehr geehrte Frau Szabo,

vielen Dank für Ihre Frage vom 15. Januar 2012.
Gerne nehme ich zu denen von Ihnen gestellten Fragen Stellung.

1. Steuerrecht
CDU, CSU und FDP haben im Koalitionsvertrag für die 17. Wahlperiode verabredet, mögliche gleichheitswidrige Benachteiligungen auch im Steuerrecht abzubauen. Wie Sie vielleicht wissen, wurde die im Koalitionsvertrag vorgesehene Gleichstellung eingetragener Lebenspartner mit Ehegatten im Steuerrecht mit dem Jahressteuergesetz 2010 umgesetzt. Im Einzelnen wurden in diesem Zusammenhang Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetzes (hier insbesondere die Zuordnung zur Steuerklasse I) sowie im Grunderwerbsteuergesetz (hier insbesondere der steuerfreie Grundstückserwerb wie unter Ehegatten) geändert. Im parlamentarischen Verfahren wurde außerdem die vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 21. Juli 2010 geforderte rückwirkende Gleichstellung im Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetz für alle noch offenen Fälle ab dem 1. August 2001 vorgenommen.

Im Hinblick auf das Einkommensteuerrecht gibt es aus unserer Sicht jedoch aktuell keine zwingenden Folgeänderungen. Hier sind zunächst einmal die noch ausstehenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten. Schnellschüsse sind bei diesem sensiblen Thema fehl am Platze.

2. Adoptionsrecht
Meine Kolleginnen und Kollegen der CSU-Landesgruppe und ich lehnen ein gemeinschaftliches Adoptionsrecht für eingetragene Lebenspartner ab. Dementsprechend sind weder Initiativen zur Änderung der geltenden Bestimmungen unternommen worden, noch solche geplant.

Das Grundgesetz stellt Ehe und Familie in Artikel 6 unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Wir sind der Überzeugung, dass die Rechtsordnung daher eine Unterscheidung zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft machen muss, wenn es um die Elternschaft für Kinder geht.

Auch wir sehen, dass Kinder in der heutigen Lebenswirklichkeit nicht immer in Familienverhältnissen mit Vater und Mutter aufwachsen. Ebenso wenig verkennen wir, dass sich auch Homosexuelle aufopfernd und liebevoll um Kinder kümmern. Dies ändert aber nichts daran, dass die unterschiedliche Geschlechtlichkeit der Eltern für die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder von entscheidender Bedeutung ist und aus diesem Grund nicht vom Gesetzgeber zur Disposition gestellt werden darf.
In dieser Überzeugung sehen wir uns durch eine öffentliche Sachverständigenanhörung, die am 6. Juni 2011 im Rechtsausschuss des Bundestages durchgeführt wurde, bestätigt. Dort wurde u.a. darauf hingewiesen, dass eine Volladoption aus kindespsychologischer Sicht schon im Allgemeinen einen erheblichen Einschnitt darstellt, bei dem ein Kind mit der schwierigen Situation leben muss, seine leiblichen Eltern in Gänze verloren zu haben. Deshalb benötigen diese Kinder ein Umfeld, das nicht noch in seiner Besonderheit eine zusätzliche Herausforderung oder Belastung für sie darstellt.

3. Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe
Das familienrechtliche Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft ist in der heutigen Rechtswirklichkeit bereits sehr weitgehend der Ehe angeglichen worden. Die CSU-Landesgruppe lehnt weitere Anpassungen über die im Koalitionsvertrag für die 17. Wahlperiode vorgesehenen Maßnahmen hinaus ab.

Nach Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes steht die Ehe unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Dieser Wertentscheidung des Grundgesetzes, die sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau bezieht und die die wesentliche Grundlage für die Generationenfolge in unserer Gesellschaft bildet, fühlen wir uns verpflichtet.
Wir sind daher der Überzeugung, dass die Rechtsordnung in bestimmten, sachlich gerechtfertigten Bereichen eine Unterscheidung zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft machen muss - so etwa, wenn es um die Elternschaft für Kinder geht (s. oben).

4. Änderung des Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes
Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag spricht sich dagegen aus, Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes um das Merkmal der „sexuellen Identität“ zu erweitern, und hat entsprechende, in den Bundestag eingebrachte Gesetzentwürfe deshalb jüngst abgelehnt.

Bereits das bestehende Verfassungsrecht gewährleistet einen wirksamen Schutz vor Diskriminierungen wegen der sexuellen Identität/Orientierung - soweit Verfassungsrecht diese Aufgabe überhaupt leisten kann. So wird die sexuelle Identität nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes geschützt. Schutz vor Diskriminierungen bietet überdies der allgemeine Gleichheitssatz gemäß Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das Bundesverfas¬sungsgericht dessen Anforderungen umso strenger fasst, je stärker eine Unterscheidung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, die denen nach Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes vergleichbar sind. Das Bundesverfassungsgericht hat dies ausdrücklich für Unterscheidungen aufgrund der sexuellen Identität - so in seiner Entscheidung vom 7. Juli 2009 - festgestellt. Über das Grundgesetz hinaus wird die sexuelle Identität zudem durch die Gewährleistungen der EU-Grundrechtecharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützt.

Diese abstrakten verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben werden durch das sogenannte einfache Gesetzesrecht konkretisiert. Hier ist insbesondere das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zu nennen, dessen ausdrückliches Gesetzesziel es ist, Benachteiligungen u.a. wegen der sexuellen Identität zu verhindern und zu beseitigen. Sofern das einfache Recht in einzelnen Bereichen den höherrangigen Anforderungen des Verfassungs- und Europarechts noch nicht genügen sollte, ist es Aufgabe des Gesetzgebers und der Gerichte, insoweit Abhilfe zu schaffen.

Für eine explizite Festschreibung der sexuellen Identität als Diskriminierungsmerkmal in Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes sieht die CSU-Landesgruppe aufgrund der bestehenden Rechtslage keinen Bedarf. Die Ergänzung des Grundgesetzes wäre reine Symbolpolitik, und dies lehnen wir ab. In Anbetracht der Systematik des Grundgesetzes, das vom allgemein Gültigen auf das Besondere schließt, wäre eine solche Ergänzung auch nicht sachgerecht. Zudem könnte die Aufzählung von möglichen Gründen, aus denen sich Diskriminierungen ergeben können, in das Grundgesetz niemals abschließend sein - mit der Folge, dass die benannten Personengruppen auf alle nicht genannten Personengruppen wiederum diskriminierend wirken würden.

5. Weitere politische Themenfelder
Die CSU-Landesgruppe setzt sich gegen jede Form von Diskriminierung - auch solche von homosexuellen Menschen - ein. Der Koalitionsvertrag für die 17. Wahlperiode sieht auch vor diesem Hintergrund vor, dass der Beschluss des Deutschen Bundestags aus dem Jahr 2000 umgesetzt wird und im Sinne eines kollektiven Ausgleichs für homosexuelle NS-Opfer eine Magnus-Hirschfeld-Stiftung errichtet wird. Sie soll durch interdisziplinäre Forschung und Bildung der Diskriminierung homosexueller Männer und Frauen entgegenwirken. Darüber hinaus sind derzeit keine Initiativen beabsichtigt.

Mit freundlichen Grüßen
gez. Dr. Peter Ramsauer MdB

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