Frage an Peter Ramsauer von Michael C. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Dr. Ramsauer,
ich habe heute aus der Presse erfahren, dass Sie bzw. Ihr Ministerium im Rahmen des Bahnprojekts "Stuttgart 21" eine auf 25 Jahre befristete Ausnahmegenehmigung erteilt haben, wonach zukünftig auch Fernzüge die bestehende S-Bahnsstrecke auf den Fildern zwischen der heutigen S-Bahnstation Stuttgart-Flughafen und der Rohrer Kurve nutzen dürfen.
Wie kann es sein, dass eine derartige Genehmigung nur befristet ausgesprochen wird, mit der Begründung, dass nach 25 Jahren die verkehrliche Situation neu zu bewerten sei? Ist nicht das gesamte Projekt "Stuttgart 21" auf einen deutlichen längeren Zeitraum hin projektiert, d.h. man darf doch davon ausgehen, dass die Planungen für dieses Projekt auf Verkehrsprognosen beruhen, die mehr als 25 Jahre umfassen sollten - dieses auch im Sinne einer nachhaltigen Investition, gerade in Zeiten klammer Kassen. Diese Verkehrsprognosen sollten damit doch auch die Relation Stuttgart - Singen - Zürich umfassen.
Wenn Sie dennoch die Zulassung nur befristet aussprechen, drängt sich bei mir zumindest der Verdacht auf, dass die zukünftige verkehrliche Entwicklung nur vorgeschoben ist, um zum jetzigen Zeitpunkt eine notwendige Umplanung mit den erforderlichen Mehrkosten und Verzögerungen für das Gesamtprojekt zu umgehen.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie diesen Sachverhalt kurz erläutern könnten. Vielen Dank.
Mit freundlichen Gruß,
M. Cramer
Sehr geehrter Herr Cramer,
vielen Dank für Ihre Anfrage im Zusammenhang der erteilten Ausnahmegenehmigung für das Projekt Stuttgart 21 im Abschnitt Leinfelden - Flughafen Stuttgart. Gerne möchte ich Ihnen den Sachverhalt erläutern.
Die Strecke 4861 (Anbindung des Flughafens Stuttgart) wurde seinerzeit für einen artreinen Betrieb mit Stadtschnellbahnfahrzeugen geplant und gebaut. Daher konnten die gemäß * 10 Abs. 2 Satz 1 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) für diese Betriebsart zulässigen verringerten Maße für den Gleisabstand und das Lichtraumprofil angewendet werden. Die Deutsche Bahn AG (DB AG) beabsichtigt jetzt im Rahmen der künftigen Anbindung der Gäubahn an den Stuttgarter Hauptbahnhof, über den Streckenabschnitt von der neu zu bauenden Rohrer Kurve bis zum Flughafen-S-Bahnhof auch Regional- und Fernverkehrszüge in den neuen Hauptbahnhof zu führen. Dazu hat die DB Netz AG gemäß * 3 EBO die Zulassung von Ausnahmen zu den Vorschriften der EBO beantragt. Zuständige Behörde für die Zulassung dieser Ausnahmen ist das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMBVS). Die Entscheidung ist ein verwaltungsrechtliches Verfahren, das an den Vorgaben des Verwaltungsverfahrensgesetzes ausgerichtet ist, d.h. es ist ein pflichtgemäßes Ermessen auszuüben. Dabei knüpft die EBO bei der Zulassung von Ausnahmen an das Vorliegen besonderer Verhältnisse an; damit soll im Bereich des Verkehrsträgers Schiene, bei dem naturgemäß eine enge Systemverknüpfung von Infrastruktur und rollendem Material besteht, bei Bedarf auf besondere Umstände angemessen eingegangen werden können. Sofern die Ausnahmen nicht gegen die Regeln für die Einheitlichkeit im Eisenbahnwesen verstoßen und mit entsprechenden Verfahren und Maßgaben die Sicherheit für die Reisenden und den Betrieb gewährleistet wird, kann ein Antrag auf Zulassung nicht ablehnend beschieden werden.
Im vorliegenden Fall hat das BMVBS nach eingehender Prüfung der Unterlagen, die die DB Netz AG zu ihrem Antrag auf Zulassung von Ausnahmen zu den Vorschriften der EBO vorgelegt und den Sicherheitsnachweis geführt hat, nunmehr seine Zustimmung erteilt. Es hat diese Ausnahmen mit Maßgaben zur Berücksichtigung der besonderen Umstände insbesondere in den Tunnelabschnitten verbunden, die die DB Netz AG bei Inanspruchnahme der Ausnahmen zu erfüllen hat. Damit kann in Verbindung mit dem Rettungskonzept für diese Tunnelabschnitte, das die DB mit den zuständigen Stellen im Regierungspräsidium Stuttgart und im Landratsamt Esslingen abgestimmt hat, die Sicherheit auf diesen Streckenabschnitten gewährleistet werden.
Sehr geehrter Herr Cramer,
die Befristung der Zulassung von Ausnahmen zu den Vorschriften der EBO bezieht sich auf die Besonderheiten des betroffenen Streckenabschnitts. Hier soll zeitgerecht im Rahmen der Nutzungsdauer der Bauwerke überprüft werden können, ob im Zuge der notwendigen Erneuerungen dann auch Anpassungen an die Verkehrsbedürfnisse berücksichtigt werden sollen. Deshalb ist die Zulassung auf die Hälfte der zu erwartenden Restlebensdauer der Bauwerke befristet (bis 31.12.2035).
Mit freundlichen Grüßen
gez. Dr. Peter Ramsauer