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Peter Ramsauer
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Frage von Bettina S. •

Frage an Peter Ramsauer von Bettina S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Dr. Ramsauer,

warum gab es im Februar 2010 einen offiziellen Baustart von Stuttgart 21, obwohl noch nicht alle Bauabschnitte genehmigt sind?
Viele Fragen sind ja noch offen bei S 21, so auch Fragen, die die Sicherheit in den Tunnels betreffen.
Das Ansinnen der Bahn, eine Ausnahmegenehmigung für einen Tunnelabschnitt am Flughafen (Stichwort: noch nicht vorliegendes Evakuierungskonzept für diesen Tunnelabschnitt!) zu erhalten und Überlegungen zu dünneren Tunnelwänden zwecks Kostenreinsparung lassen ein mulmiges Gefühl entstehen. Wird hier nicht fahrlässig mit der Sicherheit der Fahrgäste gespielt, eine Gefährdung sogar bewusst in Kauf genommen?
Wie kann im neuen Tiefbahnhof mit seinen langen unterirdischen Zulaufstrecken überhaupt eine wirksame Brandbekämpfung stattfinden? Der Brand eines ICE-Triebkopfs im November 2001 im Hbf Offenbach lässt Schlimmes befürchten. Der Brand war erst nach 5 Stunden unter Kontrolle, der Einsatz für die Feuerwehr zudem äußerst riskant. Ein solcher Brand wäre in einem Tunnel wohl unbeherrschbar. Bei S 21 ist nicht auszuschließen, dass die Einsatzkräfte noch nicht einmal bis zur Unglücksstelle vordringen könnten. Der geplante Filderaufstiegtunnel wäre mit 9,5 km einer der längsten Eisenbahntunnel in Deutschland. Wie will man dort bei starker Rauch-/Hitzeentwicklung an die Unfallstelle gelangen? Werden Tunnel und unterirdischer Bahnhof nicht zur Brandfalle?
Warum überhaupt soll der Stuttgarter Hbf in einen leistungsschwächeren Durchgangsbahnhof umgewandelt werden? Die Fahrgastverbände Pro Bahn und VCD sind aus gutem Grund gegen dieses Projekt, das die Bahn zwischenzeitlich ja selbst schon einmal zu den Akten gelegt hatte. Allein 4 tägliche Direktverbindungen (TGV) von/nach Paris zeigen außerdem, dass Stuttgart schon längst ans europäische Hochgeschwindigkeitsnetz angebunden ist.
Für Bahnreisende stellt S 21 keine Verbesserung dar, ganz im Gegenteil.
Wem aber nützt S 21 dann?

Mit freundlichen Grüßen
Bettina Seng

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Antwort von
CSU

Sehr geehrte Frau Seng,

vielen Dank für Ihre Frage zu Stuttgart 21.

Eingangs möchte ich folgendes festhalten: Bei Stuttgart 21 handelt es sich nicht um ein Projekt des Bedarfsplans für die Schienenwege des Bundes, sondern um ein eigenwirtschaftliches Projekt der DB AG. Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind Vorhabenträger und Bauherr. Nicht der Bund ist zuständig. Ihre Forderung, dass Vorhaben sofort einzustellen, hat damit nicht den richtigen Adressaten erreicht. Das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart, der Verband Region Stuttgart und die Flughafen Stuttgart GmbH beteiligen sich als Aufgabenträger an der Finanzierung. Die Neubaustrecke (NBS) Wendlingen Ulm ist Bestandteil des „Vordringlichen Bedarfs“ des geltenden Bedarfsplans für die Bundesschienenwege. Es besteht ein großes Bundesinteresse. Sowohl Stuttgart 21 als auch die NBS Wendlingen Ulm gehören zur Magistrale für Europa, die von Paris über Stuttgart, München und Bratislava bis Budapest führt. Der Raum Stuttgart und die Strecke über die Alb nach Ulm sind erhebliche Engpässe auf dieser Relation, die mit den beiden Projekten beseitigt werden.

Die Einzelfinanzierungsvereinbarungen zu beiden Vorhaben wurden im Einvernehmen mit BMF und BRH zwischen Bund und DB AG am 02. April 2009 unterzeichnet. Mit den unterzeichneten Verträgen wurden die Rahmenvereinbarung vom 07.11.1995 sowie das MoU und Eckpunktepapier vom 19.07.2007 zum Projekt Stuttgart 21 umgesetzt. Die aktuelle Kostenkalkulation der DB AG hat für Stuttgart 21 Gesamtprojektkosten i.H.v. 4.088 Mio. Euro ergeben. Darin sind neben Bau und Planungskosten auch inflationsbedingte Kostensteigerungen der Zukunft enthalten. Der von der DB AG angesetzte Kostenrahmen von 4.500 Mio. Euro wird nicht erreicht und überschritten. Die Mehrkosten gegenüber den ursprünglich kalkulierten 3.076 Mio. Euro werden über die bereits vereinbarte Risikovorsorge i.H.v. 1.450 Mio. Euro ausgeglichen. Es verbleibt noch ein Risikoschirm von 438 Mio. Euro. Daraufhin ist die Entscheidung zugunsten Stuttgart 21 durch den Lenkungskreis am 10.12.2009 endgültig getroffen worden. Das Vorhaben wurde am 02.02.2010 offiziell begonnen. Die Gesamtkosten für das Bedarfsplanvorhaben NBS Wendlingen - Ulm betragen nach der bisherigen Kostenkalkulation mit Preis- und Planungsstand 2004 2.025 Mio. Euro. Das Land Baden Württemberg beteiligt sich mit einem nicht rückzahlbaren Baukostenzuschuss (BKZ) von 950 Mio. Euro ab 2010 an der NBS und ermöglicht damit die vom Land gewünschte frühere Realisierung dieser Maßnahme. Die 2006 durchgeführte Wirtschaftlichkeitsberechnung für beide Projekte wurde von der DB AG erstellt. Die Wirtschaftlichkeitsrechnung wurde im Auftrag des Bundes durch eine Wirtschaftsprüfergesellschaft im Jahr 2007 geprüft.

Der Bedarfsplan für den Ausbau der Bundesschienenwege wird nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz regelmäßig überprüft. In diesem Rahmen wird auch die NBS Wendlingen - Ulm neu bewertet. Der Bund übernimmt mit einem Festbetrag i.H.v. 563,8 Mio. Euro für das Projekt „Stuttgart 21“ den Anteil, der für die Einbindung der NBS in den Knoten Stuttgart auch ohne Verwirklichung von Stuttgart 21 erforderlich gewesen wäre. Darüber hinaus stellt er die Gesamtfinanzierung der NBS Wendlingen - Ulm ab 2016 sicher.

Liebe Frau Seng, alle uns zugeleiteten Argumente sind uns sehr wichtig und diese werden in die Abwägungen vor Abschluss der Finanzierungsvereinbarungen einfließen. Die Ergebnisse der Bedarfsplanüberprüfung werden im Sommer diesen Jahres vorliegen. Diese gilt es abzuwarten.

Mit freundlichen Grüßen
gez. Dr. Peter Ramsauer MdB

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