Frage an Peter Liese von Leon W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr Geehrter Herr Liese,
ich habe eine bedeutende Frage. Warum haben Sie Für die Urheberrechtsreform gestimmt, obwohl soviele Bürger und Bürgerinnen dagegen waren? Troz den Ganzen unterschriften und Protesten haben sie sich für die reform entschieden aus welchen grund?
Mit freundlichen Grüßen
L. W.
Sehr geehrter Herr W.,
Vielen Dank für Ihre Frage. Ich habe mich in den letzten Wochen und Monaten sehr intensiv mit der Kritik an dem Vorschlag zur Reform des Urheberrechts auseinandergesetzt. Die vielen Kommentare auf Facebook, die vielen Mails, die ich bekommen habe, aber auch viele persönliche Gespräche, insbesondere in Schulklassen, haben mich immer wieder nachdenklich gemacht. Ich habe mich auch intensiv mit Fachleuten zum Beispiel vom C-Netz (eine Vereinigung der Netzpolitiker, die der CDU nahe steht) und grade noch am vergangenen Donnerstag mit dem Kampagnenleiter von savetheinternet, Herrn Pascal Fouquet, ausgetauscht.
Nach Abwägung aller Argumente habe ich dem Vorschlag trotzdem zugestimmt. Die Gründe sind Folgende:
Erstens, glaube ich, dass es dringend erforderlich ist, die Rechte von Kreativen wie zum Beispiel Journalisten und Musikern besser zu schützen. Wir erleben, dass zum Beispiel seriöser, gut recherchierter Journalismus immer schwieriger wird. Konkret in meiner Region Südwestfalen sehe ich beispielsweise, dass Lokalredaktionen auf Grund gesunkener Einnahmen immer mehr ausgedünnt werden und ich sehe gerade darin eine Gefahr für die Pressefreiheit, da es immer mehr Monopole gibt. Diese Entwicklung hat vielfältige Gründe, aber eben auch, dass es kaum mehr möglich ist, durch gut recherchierte Artikel Geld zu verdienen. Viele Journalisten haben mich in dieser Frage angesprochen und mich gebeten, aus diesen Gründen für die Reform des Urheberrechts zu stimmen. Das gleiche gilt für Künstler, insbesondere Musiker, deren Werke oft ohne oder weit unter der Nutzung entsprechenden Vergütung bei YouTube hochgeladen werden. Davon sind insbesondere aufstrebende Künstler und kleine Labels betroffen. YouTube kompensiert aus Angst vor Gerichtsverfahren zum Teil inzwischen freiwillig, zahlt aber ca nur 1/10 der Summe pro Stream, die eine legal lizensierende Plattform wie zB Spotify vergütet. Ein junger Künstler hat mir noch am Sonntag vor der Abstimmung gesagt, dass es dringend erforderlich ist, zu erkennen, dass Musik einen Wert hat. Künstler müssen von ihren Werken leben können. Geistiges Eigentum ist auch Eigentum - das gebietet, dass die Erlaubnis eines Komponisten einholen muss, wenn man seine Werke hochlädt. Ein weiteres Beispiel ist ein kleines Klassiklabel aus Stuttgart, die vor einiger Zeit ihren kompletten Katalog (der nicht sehr gross ist) auf YouTube wiederfand - ohne Monetarisierung - und große Schwierigkeiten hatte, die Löschung bei YouTube durchzusetzen. Letztendlich musste es einen Anwalt einschalten. Diese Fakten stehen für sich.
Der zweite Grund ist, dass ich die Argumente, die von den Kritikern vorgetragen wurden, nach sorgfältiger Prüfung des Textes nicht für überzeugend halte. Entgegen Behauptungen, die vielfach im Netz aufgestellt werden, sind manche Befürchtungen, allein durch das Studium des Textes sehr leicht zu entkräften. So fallen folgende oder ähnliche Plattformen nicht in den Anwendungsbereich des Art. 13: Wikipedia oder ähnliche Plattformen, nicht kommerzielle Plattformen, Open Source Plattformen, bei denen nur die Rechteinhaber selbst hochladen, Dropbox oder ähnliche Plattformen, Ebay oder ähnliche Plattformen, Tinder und andere Dating-Plattformen. Dies ist in Art. 2 Abs. 6 des angenommenen Vorschlags eindeutig geregelt. Darüber hinaus gibt es Ausnahmen für Startups und kleinere Unternehmen. Unternehmen von bis zu 10 Millionen € globalem Jahresumsatz oder bis zu 5 Millionen monatlichen individuellen Besuchern und Unternehmen, die nicht älter als drei Jahre sind, sind von einer erleichterten Haftung betroffen. So viele Ausnahmen gibt es bei anderen Gesetzgebungsvorhaben in Bund, Land und Europa normalerweise nicht. Wer ein neues Café eröffnet, muss am ersten Tag schon GEMA-Gebühren bezahlen, wer einen Schuhladen öffnet, bekommt auch nicht die ersten 1000 Paar Schuhe von Lieferanten umsonst, und selbstverständlich müssen sich auch junge Unternehmen an europäische Regeln zum Umweltschutz halten.
Um die von einigen befürchtete Einschränkung der Meinungsfreiheit im Internet auf jeden Fall zu verhindern, wurde der Text im Laufe der zweieinhalb Jahren Diskussion immer wieder verbessert und es wurden immer wieder neue Klarstellungen hinzugefügt. Es müssen nicht, wie oft behauptet, in jedem Fall Upload-Filter eingesetzt werden. In Artikel 17 (4) und (5) ist eindeutig klargestellt, dass die betroffenen Plattformen „alle Anstrengungen“ unternommen haben, um die Erlaubnis des Rechteinhabers einzuholen, und nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards für die berufliche Sorgfalt alle Anstrengungen unternommen hat, um sicherzustellen, dass vom Rechteinhaber gemeldete Werke, nicht verfügbar sind. Welche Anstrengungen das sind, muss verhältnismäßig sein und muss im Lichte der Art, des Publikums und der Umfang der Dienste sowie die Art der von den Nutzern des Dienstes hochgeladenen Werke oder sonstigen Schutzgegenstände und die Verfügbarkeit geeigneter und wirksamer Mittel und die Kosten, die den Anbietern dieser Dienste hierfür entstehen, gesehen werden. Das sagt klar aus, dass selbstverständlich kleine Plattformen nicht dieselben Maßnahmen treffen müssen, wie große, sicherlich müssen sie auch keine teure Filtersoftware einsetzen. Im Text ist verständlich vorgesehen, dass man andere Regeln zur Sicherstellung des Urheberrechts treffen kann, wie das ja für die deutsche Umsetzung von der CDU auch geplant ist Geeignete Maßnahmen für kleine Plattformen können zB in Content-Moderation bestehen, oder Folgen für User, die Urheberrechte verletzen (zB das Schließen von Acounts). Selbst wenn Algorithmen verwendet werden, heißt das nicht, dass diese so scharf eingestellt werden müssen, dass sie auf jeden Fall jede Urheberrechtsverletzung zuverlässig ausschließen. Eine solche Verhältnismäßigkeitsklausel gibt es in vielen anderen rechtlichen Bereichen nicht. Natürlich hinkt jedes Beispiel, aber um es deutlich zu machen, will ich einmal einen Vergleich ziehen. Wenn jemand einen Tempomat in sein Auto einbaut und dieser Tempomat einmal nicht funktioniert und er deshalb mit 130 in eine Baustelle fährt, wo 80 vorgeschlagen ist, kann er sich nicht darauf berufen, dass er einen Tempomat hatte und dieser leider nicht funktioniert hat. Er wird eine saftige Strafe bekommen und im Zweifel seinen Führerschein abgeben müssen. Die Ausnahmen und Verhältnismäßigkeitsklauseln im Urheberrecht würden im übertragenen Sinne bedeuten, dass man, wenn man einen Tempomat hat und dieser nicht richtig funktioniert, man seinen Führerschein trotzdem behalten kann und gar keine Strafe zahlen muss. Das Gesetz ist also sehr viel schwächer als andere Gesetze, um eine übertriebene Anwendung und eine Einschränkung der Meinungsfreiheit zu verhindern. Zudem müssen die von Plattformen eingeholten Lizenzen nicht-kommerzielle User-Uploads decken. Auch enthält die Richtlinie nun eine europaweit verbindliche Schrankenregelung für User Generated Content, was bis dato nicht europaweit verbindlich ist. Dies wird dazu führen, dass der User im Endergebnis bessergestellt ist und mehr Rechtssicherheit hat.
Sehr geehrter Herr W.,
ich möchte noch einmal betonen, dass ich die Bedenken sehr ernst nehme und nicht leichtfertig dem Text zugestimmt habe. Auch teile ich nicht die Auffassung, dass alle, die sich gegen die Urheberrechtsreform ausgesprochen haben nur der Propaganda von YouTube und Google zum Opfer gefallen sind. Tatsache ist allerdings, dass ich die großen Internetunternehmen aus den USA auch mit allen (aus meiner Sicht teilweise grenzwertigen Mitteln) gegen die Reformen gewehrt haben, da im Endeffekt sie es sind, die die Kreativen für eine Nutzung ihrer Werke vergüten werden müssen, anstatt sich wie jetzt hinter einer Safe Harbour - Regelung zu verstecken, und auf Abmahnung des Users zu verweisen - die oft unmöglich ist, da im Netz sehr viele anonymisierte Uploads stattfinden. Ich meine, dass wir auch in der Digitalisierung Regeln haben müssen Ich kämpfe dafür, dass Google, Facebook und YouTube entgegen ihrer eigenen Wünsche in der Europäischen Union Steuern zahlen, wie jedes andere Unternehmen. Und sie müssen sich auch Regeln unterwerfen. Content ID und ähnliche Instrumente werden schon bisher von diesen Unternehmen angewandt, ohne, dass es dafür jemals im Parlament eine Abstimmung gab. Deshalb ist aus Sicht der Unternehmen die Warnung vor Upload-Filtern aus meiner Sicht Heuchelei. Unternehmen wenden diese technischen Maßnahmen bis dato völlig unkontrolliert an, und auch nur, wenn sie von Nutzen sind, wie zum Beispiel eine Klagelawine der Hollywood-Studios zu verhindern. Der kleine Künstler aus Deutschland kommt aber gegen YouTube leider nicht an. Wir brauchen Regeln im digitalen Binnenmarkt, und ich glaube die Regeln sind verhältnismäßig.
Zudem handelt sich es hier um eine Richtlinie, was den Mitgliedstaaten eine größere Flexibilität in der Umsetzung erlaubt. Zur konkreten Umsetzung hat die Bundes-CDU schon hilfreiche Ideen geliefert.
Sollte sich herausstellen, dass Ihre Befürchtungen eintreffen und die Vorsichtsmaßnahmen wirklich nicht ausreichen (wovon ich nicht ausgehe) müssen wir die Gesetzgebung in einigen Jahren überarbeiten.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Peter Liese