Frage an Peter Eichstädt von Patrick S. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Herr Eichstädt ,
Für 2013 steht die Reform des Gebühreneinzuges der ÖR an. Zu dieser Reform hätte ich einige Fragen.
Es gibt viele Punkte die gegen diese Reform sprechen:
1) Der ursprüngliche Plan von Prof. Kirchhof, den Einzug der Gebühren künftig über Steuern oder das Einwohnermeldeamt zu regeln (ähnlich wie bei der Kirchensteuer) ist nicht umgesetzt worden. Ebenso wurden viele weiter Punkte die Prof. Kirchhof für eine Gebührenreform gefordert hatte nicht umgesetzt. (Werbeverbot, Befreiung wenn man kein Gerät hat, ein von Einschaltquoten unabhängigeres Programm zu machen, etc)
2) Die GEZ darf sich mehr denn je intime Daten vom Einwohnermeldeamt holen und wird damit die umfangreichste Datenbank Deutschlands.(siehe Aussagen der Landesdatenschützer) Ebenso wird es weiterhin Kontrollen der GEZ geben. Nur anstatt Rundfunkgeräten zu kontrollieren wird jetzt "Haushalte" (nach der Definition des Vertrages), Mitarbeiter in Betrieben und Autos kontrolliert. Außerdem wird der Auskunftsanspruch auf dritte ausgeweitet (siehe Spiegel Bericht "Wohneigentümer sollen der GEZ bei der Fahndung helfen")
3) Nach über 50 Jahren der Befreiung müssen jetzt auch Menschen mit Behinderungen Gebühren zahlen.
4) ARD und ZDF dürfen weiter Werbung schalten.
5) Inhaltliche Vorgaben bekommen ARD und ZDF überhaupt nicht, obwohl viele Bürgerinnen und Bürger die zunehmende Trivialisierung im Programm der Öffentlich-Rechtlichen kritisieren. Dringende benötige Strukturreformen bei den ÖR werden nicht gefordert.(siehe Vertragsentwurf)
In meinen Augen bringt diese Reform nur für die ÖR einen Vorteil. Die ÖR müssen weder sparen noch sich dringend benötigte Strukturveränderungen stellen. Der normale Gebührenzahler hat von ihr nichts.
Warum wird es nicht so wie bei der BBC gemacht. Dort ist nur das TV Gerät gebührenpflichtig. Für Radios oder Computer muss man keine Gebühr zahlen. Dies ist einfach und funktioniert auch.
Deshalb meine Frage werden sie FÜR die Reform stimmen?
Sehr geehrter Herr Scholtes,
ich danke Ihnen für Ihre Fragen, die Sie mir über das Portal „abgeordnetenwatch.de“ haben zukommen lassen. Sie teilen mir darin Ihre Sorgen und Ihre Kritik im Zusammenhang mit der Neuordnung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit.
Ich möchte Ihnen im Folgenden gern meine Auffassung zu dieser Umstellung erläutern, die ich Ihnen auch als medienpolitischer Sprecher meiner Fraktion im Schleswig - Holsteinischen Landtag darstelle.
Aufgrund Ihrer umfänglichen Fragen wird die Antwort auch etwas ausführlicher ausfallen müssen.
Die Reform der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks halte ich für dringend erforderlich. Das alte System ist angesichts der rasanten technischen Entwicklungen, die eine bisher nicht gekannte Vielfalt an Empfangsgeräten mit sich bringen, nicht mehr tauglich. Deshalb halte ich auch die Empfehlungen des ehemaligen Verfassungsrichters Prof. Paul Kirchhof für die Umstellung von einer gerätebezogenen Gebühr auf eine Haushalts- und Betriebsabgabe für richtig. und werde dem neuen Verfahren, vermutlich mit der gesamten Fraktion, grundsätzlich zustimmen.
Die Haushaltsabgabe, wie sie jetzt eingeführt wird, ist nach dem Gutachten von Prof. Kirchhof vom 6. Mai 2010 verfassungsrechtlich deshalb zulässig und geboten, weil die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gemäß der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu einer unabhängigen Grundversorgung der Bürgerinnen und Bürger mit Informationen gehören. Kirchhof begründet die „Beitragslast mit dem strukturellen Vorteil, den die Allgemeinheit und damit jedermann aus dem Wirken der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zieht“. Aus diesem Grund ist es künftig nicht mehr möglich, von den Gebühren befreit zu werden, wenn man kein Empfangsgerät besitzt.
Meiner Ansicht nach wird das neue Gebührenmodell insgesamt für mehr Gerechtigkeit sorgen.
Allerdings sehe ich in dem jetzt vorliegenden Staatsvertrag auch Schwächen.
So glaube ich, dass in Bezug auf den Datenschutz noch Fragen offen sind. Unklar ist u.a. die Verhältnismäßigkeit der Datenerhebungsvorschriften und der Befugnisse der Landesrundfunkanstalten zur Datenerhebung sowie die Datenerhebung durch Dritte. Zu diesen Fragen haben wir zu der Anhörung des Schleswig-Holsteinischen Landtages zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag am den Datenschutzbeauftragten des Landes Schleswig-Holstein Dr. Thilo Weichert und den Datenschutzexperten Prof. Dr. Hans Peter Bull eingeladen.
Bei aller Kritik muss aber auch gesehen werden, dass die Nachforschungen nur da einsetzen, wo Bürgerinnen und Bürger ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, die erwarteten Auskünfte zu erteilen. Das kann grundsätzlich nicht hingenommen werden, weil es gegenüber den ehrlich zahlenden Bürgerinnen und Bürgern ungerecht wäre. Trotzdem sollte die Regelung, dass Vermieter Auskünfte erteilen müssen (wenn auch nur in Einzelfällen), meiner Ansicht nach überdacht werden.
Ich habe mich gemeinsam mit meiner Fraktion im Rahmen unserer Möglichkeiten in den Verhandlungen dafür eingesetzt, dass die neue Gebührenstruktur sozial gerecht gestaltet und angemessene Lösungen für die Befreiungstatbestände gefunden werden. Nach dem neuen Staatsvertrag werden einkommensschwache Personen wie bisher auch von der Gebühr befreit. Neu eingeführt wurden eine rückwirkende Befreiungsmöglichkeit sowie die Möglichkeit der Befreiung für Menschen, deren Einkommen nur knapp über den Bedarfsgrenzen liegt. Dies begrüße ich ausdrücklich.
Ich bedaure, dass es dennoch künftig eine Einschränkung bei den Befreiungstatbeständen gibt: Nach dem neuen Modell müssen finanziell leistungsfähige Menschen mit Behinderung, die bisher einkommensunabhängig befreit waren, ein Drittel der Rundfunkgebühr entrichten. Dies gilt für alle Menschen mit Behinderung mit Ausnahme taubblinder Menschen. Menschen mit Sehbehinderung, die in finanzieller Not sind, werden weiterhin befreit werden. Eine grundsätzliche Befreiung für Menschen mit Hör- oder Sehbehinderung wird es jedoch nicht mehr geben, weil das Prinzip der Haushaltsabgabe dies nicht ermöglicht. Ich unterstütze aber das Vorhaben, daß diese Menschen die monatliche Gebühr künftig nur anteilig zahlen müssen.
Ich begrüße, dass sich die Länder in einer Protokollerklärung darüber verständigt haben, dass diese Beträge für die Finanzierung barrierefreier Angebote genutzt werden sollen. Damit kommen wir der Barrierefreiheit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk hoffentlich einen entscheidenden Schritt näher. Jetzt ist die KEF gefordert, dies auch zu berücksichtigen. Ziel muss es unserer Ansicht nach sein, bis zum Jahr 2017 80 Prozent aller Beiträge im öffentlich-rechtlichen Fernsehen barrierefrei zu gestalten. Die Sender haben bereits zugesagt, die Untertitelung und Audiodeskription weiter zu entwickeln. Das begrüßen wir. Unser vorrangiges Ziel ist ein konsequenter Abbau von Barrieren, um Teilhabe zu ermöglichen.
Ich konnte mich bei einem Besuch der neu eingerichteten Abteilung beim NDR selbst davon überzeugen, dass hier wirklich ernsthafte Anstrengungen unternommen werden, dies Angebot auszuweiten. Die deutlich gestiegene Zahl untertitelter Beiträge ist sicher auch Ihnen aufgefallen.
Insgesamt entspricht das neue Rundfunkgebührensystem meiner Auffassung nach der neuen medialen Realität und wird auch für mehr Gerechtigkeit sorgen.
Wichtig erscheint uns, dass die neue Rundfunkgebühr den Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten deckt, der zur Erfüllung ihres Auftrags notwendig ist, und ihnen so eine von der Politik unabhängige Entwicklung sichert. Das ist eines unser zentrales Anliegen.
Aus meiner Sicht ist es wichtig und notwendig, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk finanziell so abzusichern, dass er nicht auf eine Minimalversorgung beschränkt ist, sondern für die Gesamtheit der Bevölkerung umfängliche und unbeschränkte Angebote in den Programmgenres anbieten kann, die seinem Funktionsauftrag entsprechen. Er ist mit seinem Angebot ein wichtiges Korrektiv gegenüber der zunehmenden Kommerzialisierung der Medienangebote.
Ich teile Ihre Auffassung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf Werbung, Sponsoring und Produktplatzierung verzichten sollte, allerdings mit Ausnahme bei Sportgroßereignissen und Bundesligaberichterstattung, die unverzichtbarer Bestandteil einer frei zugänglichen Versorgung der Bevölkerung mit Informationen sind. Die Einnahmeverluste der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter aus dem Werbeverzicht müssten aus den o.g. Gründen dann in geeigneter Form kompensiert werden.
Ich glaube, dass die neue Gebührenstruktur eine gute Grundlage für die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bietet, der nach wie vor nachweisen muss, wie er mit dem Geld umgeht. Dies werde ich mit meiner Fraktion auch weiterhin kritisch begleiten.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Erläuterungen meine Position und die die Position der SPD-Fraktion verständlich zu machen. Der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag wird zurzeit in den Parlamenten beraten und wir werden versuchen, die angesprochenen noch offenen Fragen im Rahmen dieser Beratungen zu klären. Grundsätzlich halten wir die Reform für richtig und werden dem Staatsvertrag zustimmen.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Eichstädt