Wie stehen Sie zu vorgeschlagenen Kürzungen im sozialen Bereich?
Sehr geehrter Herr Aumer, Ihre Unionskolleg:innen fordern derzeit vielzählig, dass der Staat Geld einspaaren solle indem bei Sozialleistungen gekürzt wird. Sind Sie auch für Kürzungen? Falls ja, ist ein Inflationsausgleich bei Sozialleistungen vorgeschrieben und wird dieser seit Einführung der Hartz-Gesetze eingehalten?
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich unterstütze die Forderung der Unionsfraktion im Bundestag, die sich gegen die Erhöhung des Bürgergeldes um 12 Prozentpunkte ausspricht. Die Ampelregierung gibt mit ihrer ideologischen Politik Stück für Stück das Leistungsprinzip in unserem Land auf. Zur Finanzierung eines immer umfangreicheren Sozialstaats zieht die Ampelregierung dabei die Leistungsträger unserer Gesellschaft heran – den Mittelstand und die breite Mitte der Gesellschaft. Diese Politik halte ich für grundlegend falsch. Die soziale Marktwirtschaft ist dazu da, um denen, die sich nicht selbst helfen können und die unverschuldet in Not gekommen sind, unter die Arme zu greifen. Sie ist nicht dafür gedacht, dass sich der Bezug von Bürgergeld und Sozialleistungen in Summe mehr lohnen, als einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen. Beispielrechnungen zeigen, dass mit den zurückliegenden Erhöhungen beim Bürgergeld das Lohnabstandsgebot immer kleiner wird, je nach Wohnort und Kinderanzahl, nicht mehr gegeben ist.
Auch die Aufgabe des Ansatzes des Förderns und Forderns in der Arbeitsmarktpolitik halte ich für falsch. Klar ist, dass aufgrund des Fachkräftemangels Weiterbildungen oder Umschulungen unverzichtbar sind. Jedoch muss weiterhin die Möglichkeit bestehen, über den Vermittlungsvorrang zumutbare Arbeitsstellen an den Mann oder die Frau zu bringen. Bei, seit gut einem Jahr, steigenden Arbeitslosenzahlen ist es nicht zu verantworten, dass rund 800.000 Stellen dauerhaft unbesetzt bleiben. Ohne den Widerspruch der unionsgeführten Länderregierungen, wäre das Bürgergeld bis heute sanktionsfrei – ein Unding.
Zur Berechnung und Erhöhung der Regelsätze kommt derzeit ein Verfahren zur Anwendung, welches einerseits die Preisentwicklung bei Verbrauchsausgeben und andererseits die Veränderung von Nettolöhnen und -gehältern berücksichtigt. Welche Berechnung und Verteilung angelegt werden, entscheidet der Gesetzgeber. So hat die Ampelregierung erst zum Januar 2023 die Berechnungsmethode zu Gunsten einer schnelleren Erhöhung des Bürgergeldes geändert, indem regelbedarfsrelevante Preisentwicklungen überproportional berücksichtigt werden. Eine laut Bundesverfassungsgerichtsurteil bedarfsgerechte Anpassung gab es aber schon mit der vorher geltenden Regelung, ohne dass dadurch das Lohnabstandsgebot derart missachtet wurde wie jetzt.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Peter Aumer