Frage an Paul Weitkamp von Dorothea W. bezüglich Finanzen
Hallo Herr Weitkamp!
Die LINKE will eine Millionärssteuer einführen. Wie wird eine solche Steuer konkret aussehen, was für ein Konzept steht dahinter? Ist damit eine Vermögenssteuer gemeint?
Und welche Möglichkeiten sehen Sie persönlich darin, für welche Projekte würden Sie sich einsetzen?
Viele Grüße und Danke für Ihre Antwort!
Sehr geehrte Frau Wiemann,
Sie haben sich offensichtlich, bevor Sie Ihre Frage stellten, schon mit Finanzpolitik und auch mit den Forderungen von DIE LINKE. beschäftigt. Denn Sie vermuten ganz richtig: mit der Millionärssteuer ist die "Vermögenssteuer" gemeint; sie ist ein wichtiger Baustein, um dem Sparwahn der bürgerlichen Parteien eine vernünftige, sozial verträgliche Finanzpolitische Forderung entgegenzusetzen. Die Sparhysterie ist unehrlich; sie spart nur an den Armen und der "öffentlichen Hand", um es den Reichen anzudienen: den Banken, den Konzernen. Die "Staatsverschuldung ist erst ein Problem, seitdem die Nationalstaaten ihre systemrelevanten Banken "retten" und mit Steuergeldern auffangen "durften" - besonders deutlich am Beispiel Irland. Der Stellenwert der Staatsverschuldung ist ideologisch vollkommen überfrachtet. Er gleicht eher einem politischen Glaubenskrieg als einer rational nachvollziehbaren Klärung des Umgangs mit öffentlicher Verschuldung.
Dabei ist der Staat weder ein „unproduktiver“ Sektor noch „Kostgänger“ der Privatwirtschaft. Die Funktion eines vorsorgend handelnden Staates liegt ganz besonders darin, dass er nachteilige wirtschaftliche Entwicklungen durch Eingriffe (z. B. stabilitätspolitische Maßnahmen) ausgleicht bzw. korrigiert. Staatsverschuldung ist auch nicht wie häufig behauptet, ein Problem der Generationenungerechtigkeit. Die weit verbreitete und wenig reflektierte Auffassung, dass Staatsschulden per se etwas Verwerfliches und Negatives seien, blendet die volkswirtschaftlichen Vorteile kreditfinanzierter Investitionen völlig aus. Denn es werden nicht nur Schulden sondern exakt in gleicher Höhe auch Vermögen vererbt an die nächste Generation. Den Investitionen in die Zukunft steht auf der anderen Seite der reale Nutzen für die Menschen gegenüber. Auf diese Weise profitiert die nächste Generation zukünftig von heute kreditfinanzierten Investitionen in öffentliche Infrastruktur, Bildung, ökologische Erneuerung etc. Eine Generation vererbt der nächsten nicht nur die Schulden, sondern auch die Forderungen, so dass der Blick über die Generationen hinweg keinerlei Ungerechtigkeit zeigt. Das Problem besteht nicht zwischen Alt und Jung sondern zwischen Arm und Reich. Das ist der Kern der Wahrheit, der in der öffentlichen Diskussion immer wieder verdrängt wird. DIE LINKE ist für einen aktiv handelnden Staat denn die wirtschaftliche Entwicklung und die Staatsverschuldung stehen in einem unauflösbaren Zusammenhang. Verschuldet sich der Staat, so stehen an anderer Stelle im Wirtschaftskreislauf Einnahmenüberschüsse gegenüber.
DIE LINKE steht für eine Finanzpolitik, die den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt. Reiche und Vermögende sowie finanzkräftige Unternehmen müssen wieder stärker zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden. Sparorgien und Ausgabenkürzungen gehen vor allem zu Lasten der Gering- und Normalverdienenden.
Die öffentlichen Haushalte haben kein Ausgabenproblem, sondern ein
Einnahmenproblem.
Zum Umsteuern braucht das Land Nordrhein-Westfalen z.B.
• eine Wiedereinführung der*Vermögenssteuer als Millionärssteuer* ca. 16
Mrd. für NRW
• eine sozial gerechte Erbschaftssteuer ca. 1,5 Mrd. für NRW
• die Rücknahme der Steuergeschenke für die großen Unternehmen (z. B.
Wiederanhebung der Körperschaftssteuer von 15 auf 25 Prozent) ca. 8 Mrd.
für NRW
• die Einführung einer Finanzmarkttransaktionssteuer ca. 5 Mrd. für NRW
• die Einführung einer Spekulantensteuer als Sonderabgabe für private
Finanzinstitute ca. 2 Mrd. für NRW
• eine Umwandlung der Gewerbesteuer in eine Gemeindewirtschaftssteuer
ca. 2 Mrd. für NRW
• eine Aufstockung der Stellen für Betriebs-/Konzernprüfer sowie
Steuerfahnder ca. 1 Mrd. für NRW
*Gesamt: 35,5 Milliarden für NRW!*
Insbesondere die Aufstockung der Stellen für Betriebs-/Konzernprüfer sowie Steuerfahnder kann die Landesregierung in eigener Regie vornehmen und es sind schon erste Schritte in diese Richtung erfolgt, die weiter fortgesetzt werden müssen. Dies zu unterstützen ist kurzfristig möglich, aber auch notwendig und untermauert die Ernsthaftigleit einer neuen, gerechten Steuerpolitik, die die Einhaltung der schon gültigen Steuervorschriften auch kontrolliert, statt ihre Umgehung augenzwinkernd zuzulassen.
Viele der anderen steuerpolitischen Forderungen DER LINKEN. richten sich an "den Bund". Sie können über eine Bundesratsinitiative angestossen und auf den Weg gebracht werden.
Viel außerparlamentarischer Druck wird dazu notwendig sein! Abschließend bedanke ich mich für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an der Finanz- und Steuerpolitik von LINKS. Sollten Sie noch weitere Fragen haben, wenden Sie sich gerne wieder an mich oder andere Vertreter meiner Partei, vielleicht auch im direkten Gespräch.
Für die etwas späte Antwort bitte ich um Entschuldigung.
Gehen Sie wählen am 13.05. und erheben Sie auch anschließend klar und deutlich Ihre Stimme.
Mit freundlichem Gruß
Paul Weitkamp