Frage an Paul Schäfer von Martin S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Schaefer,
mit Interesse habe ich Ihre Kleine Anfrage "Kosten der militärischen Intervention in Afghanistan" verfolgt und musste jetzt leider feststellen, dass die Bundesregierung seinem "Souverän" die Antwort zu den Kriegskosten nicht zumuten will und ein Staatsgeheimnis (VS) daraus gemacht hat. Leider gibt Drucksache 17/2026 keine Begründung hierfür, eine Staatsgefährdung durch eine Veröffentlichung der Kriegskosten kann ich allerdings nicht erkennen. Trotzdem vielen Dank für diese Anfrage, zumindest verantwortungsbewussten Abgeordneten stehen diese Informationen jetzt zur Verfügung. Wurde Ihnen eine Begründung für diese Geheimniskrämerei mitgeteilt?
Haben Sie Informationen, welche Unternehmen von dem Kriegseinsatz finanziell profitieren? Welche Verflechtungen gibt es zwischen diesen Unternehmen und Kriegsbefürwortern im Bundestag? Können Sie ausschließen, dass die Entscheidung für die Teilnahme am Krieg in Afghanistan hauptsächlich aus Amigo-verdient-viel-Geld-Gründen getroffen wurde (wie bei Atomenergie, Riesterrente+Rente mit 67, Steuersenkung für Hotelübernachtungen, Chip im Pass, usw., liesse sich unendlich fortsetzen)?
Mit freundlichen Grüßen
Martin Stuhlinger
Sehr geehrter Herr Stuhlinger,
eine umfassende Begründung für die Einstufung der Antwort auf meine Kleine Anfrage als Verschlusssache wurde mir nicht mitgeteilt; ich vermute indessen, dass die Entscheidung mit dem Anhang zusammenhängt, in dem recht detaillierte Zahlen z.B. zu den in Afghanistan eingesetzten Fahrzeugen aufgeführt waren. Über die Frage, ob und inwiefern es den Bestand des deutschen Staates oder das Leben deutscher Soldaten gefährden würde, wenn diese Zahlen öffentlich bekannt würden, will ich gar nicht weiter spekulieren; festzuhalten bleibt, dass mit der Einstufung der gesamten Drucksache durchaus auch interessante - aber eben nicht sicherheitsrelevante - Informationen dem Zugriff der Öffentlichkeit entzogen wurden. Das fügt sich nahtlos in die bisherige Kommunikationsstrategie der Bundesregierung zu diesem unpopulären Kriegseinsatz, die von Intransparenz und Vernebelungsversuchen gekennzeichnet ist.
Übrigens auch gegenüber Abgeordneten:
Wichtige Dokumente zum Afghanistankrieg, insbesondere zum Einsatz von Spezialkräften und dem Bombenangriff von Kunduz, lagern in der Geheimschutzstelle und sind nur einer Handvoll Parlamentarier zugänglich. Auch die Informationen, die im Verteidigungsausschuss vorgetragen werden, erweisen sich oft als lückenhaft. Ich habe diese Informationspraxis in Ausschusssitzungen wie auch in öffentlichen Äußerungen wiederholt kritisiert und erwäge derzeit, sie auch gerichtlich prüfen zu lassen.
Zu den Verflechtungen von Unternehmen und Kriegsbefürwortern im Bundestag empfehle ich die von mir herausgegebene Broschüre „Die deutsche Rüstungslobby“ ( http://www.paulschaefer.info/fileadmin/lcmsschaefer/download/ruestungslobby.pdf ), in der verschiedene Einflussstrategien und -instrumente deutscher Rüstungsfirmen beleuchtet werden. Im Fall des Afghanistankrieges glaube ich allerdings nicht, dass die deutsche Beteiligung ausschließlich auf wirtschaftliche Interessen zurückzuführen ist. Gewichtiger dürfte die Bündnistreue innerhalb der NATO gewesen sein, die nach neuen Aufgaben gesucht hat und gern ein Vorzeigeprojekt für die Fähigkeit, als globale Ordnungsmacht zu fungieren, gehabt hätte.
Das macht die Sache nicht besser, aber es hebt sie auf eine andere Ebene: Die Auseinandersetzung mit dem Afghanistankrieg ist nicht möglich ohne die Auseinandersetzung mit der Rolle der NATO in der Welt und Deutschlands in der NATO. Dringlicher als hier und dort den einen oder anderen Rüstungs-„Amigo“ zu enttarnen ist das Eintreten für eine Überwindung der NATO, für eine friedensorientierte Außen- und Sicherheitspolitik, für das globale Gewaltmonopol der UNO und für die Etablierung neuer Sicherheitspartnerschaften.
Mit freundlichen Grüßen
Paul Schäfer