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Paul Lehrieder
CSU
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Frage von Elke U. •

Frage an Paul Lehrieder von Elke U. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Lehrieder,

erst einmal vielen Dank für die fleißige Beantwortung der an Ihnen gestellten Fragen.

Mit Bestürzung habe ich durch die Medien erfahren, daß Herr Söder dafür ist es abzuschaffen, daß man Rezeptpflichtige Medikamente nicht mehr über eine Internetapotheke beziehen kann, mit der Begründung, daß die Beratung fehle. Dies ist für mich ein unhaltbares Argument! Wenn ein Mensch seit Jahren das gleiche Medikament (z. B. Schilddrüsenmedikamente) verschrieben bekommt, braucht er keine Beratung mehr! Wer Beratung braucht, kann ja immer noch in eine Apotheke mit Beratung, bzw bieten Internetapotheken wie "Doc Morris" sehr wohl eine 24 Stunden-Beratung an, mit der ich und noch sehr viele andere Menschen sehr zufrieden sind. Wie stehen Sie dazu? Sollten Sie meiner Meinung sein, würden Sie bitte Herrn Söder dies als Denkanstoß überbringen? Leider kann ich ihm nicht selbst diese Frage stellen.

Mit freundlichen Grüßen

Elke Ulm

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CSU

Sehr geehrte Frau Ulm,

bitte entschuldigen Sie zunächst meine späte Reaktion auf Ihre Frage, die ich Ihnen dafür aber umso ausführlicher beantworten möchte.

Der Versandhandel von Arzneimitteln wurde 2004 im Rahmen des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) in Deutschland eingeführt. Sein Marktanteil beträgt heute ca. 1 Prozent. Dabei wird der Versandhandel sowohl von ca. 1.500 Präsenzapotheken in Deutschland, als auch von ausländischen Apotheken durchgeführt.

Seit dem letzten Jahr gibt es eine Entwicklung, dass nicht mehr nur der reine Versandhandel, das heißt die Bestellung über Internet bzw. der Versand des Rezeptes per Post durchgeführt wird, sondern zum Beispiel in Drogerieketten (dm und Schlecker) sogenannte Rezeptsammelstellen etabliert werden. Dies bedeutet, dass der Patient sein Rezept dort abgeben muss, hier aber nicht die direkte Ausgabe des Medikaments wie in der Apotheke erfolgt, sondern die Rezepte zentral gesammelt und an eine in der Regel europäische Versandapotheke weitergeleitet werden. Dort wird das Medikament dem Rezept zugeordnet und verpackt, und im Anschluss nicht direkt an den Patienten, sondern an die Rezeptsammelstelle zurückgeschickt. Damit sind für den Patienten zum einen der mit dem Versandhandel verbundene Zeitaufwand von zwei bis drei Tagen, als auch die Notwendigkeit versehen, dass er mindestens zweimal die Rezeptsammelstelle anlaufen muss. Bei dieser Vorortabgabe wird auf jegliche Apothekeninfrastruktur verzichtet. Diese Variation des Versandhandels war zum Zeitpunkt der Gesetzgebung nicht vorgesehen und auch nicht absehbar.

Diese neue Art der Versandform war bereits Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren. Zuletzt entschied das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 13. März 2008, dass aufgrund der generellen Zulassung des Versandhandels mit allen apothekenpflichtigen Arzneimitteln die Abgabe im Wege des Versandes über sog. Pick-up-Stationen

Während die Apotheker weiterhin an die umfassenden Anforderungen der Apothekenbetriebsordnung gebunden sind (z. B. Vorhaltung von Labor und Räumlichkeit für den Nachtdienst, Mindestgröße der Betriebsräume), sollen diese offenbar für Pick-up-Stationen nicht gelten. Dies hätte aus unserer Sicht eine ungerechtfertigte, verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Präsenzapotheken zur Folge. Außerdem wird die aus Verbraucherschutzgründen wichtige Beratung durch Apotheker geschwächt und es kommt zur Beliebigkeit bei der Abgabe von Arzneimitteln.

Denn es darf nicht übersehen werden, dass durch die Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel über Pick-up-Stationen die besondere Ware Arzneimittel aus Sicht des Verbrauchers mit Konsumgütern (z.B. Bonbons, Reinigungsmittel oder Hygieneartikel) gleichgestellt wird. Damit wird insbesondere der Gebrauch verschreibungspflichtiger Arzneimittel in den Augen der Verbraucher verharmlost. Auch die immer stärker stattfindende Werbung mit Niedrigpreisen kann die Verbraucher verleiten, mehr Arzneimittel als nötig zu verwenden. Beides könnte den Arzneimittelmissbrauch fördern.

Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel der CDU/CSU-Bundestagsfraktion - im Gegensatz zu der von Ihnen zitierten Auffassung von Herrn Staatsminister Söder -, den Versandhandel in der klassischen Form des Direktversandes an den Endverbraucher weiter zu ermöglichen, die Pick-up-Stationen aber vor dem Hintergrund der genannten Probleme einzudämmen.

Die Gefahren liegen, durch den leichten Zugang und die gegebenenfalls unreflektierte Arzneimitteleinnahme, vorwiegend beim Versandhandel über Pick-up-Stationen. Wir dürfen aber auch nicht übersehen, dass der Versandhandel auch bestimmten Gruppen zugute kommt. Dies sind wie Sie richtig bemerken insbesondere chronisch Kranke, die von der Nutzung des Versandhandels organisatorisch (Nachhause-Lieferung) und finanziell (Preisvorteile bei nichtverschreibungspflichtigen Arzneimitteln) profitieren. Diese Patientengruppe würde durch ein Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln organisatorisch und finanziell deutlich schlechter gestellt werden.

Die in der Presse immer wieder zitierten Arzneimittelfälschungen treten nicht im Bereich des gesetzlich geregelten Versandhandels, sondern beim Bezug über Drittländer auf, die für dieses Verfahren nicht zugelassen sind. Eine Begrenzung oder Abschaffung des Versandhandels hätte also keine Auswirkungen auf diese Gefahren. Zudem führen die meisten Versandapotheken ein Gütesiegel, welches vom Bundesverband Deutscher Versandapotheker vergeben wird. Hierdurch erhalten die Versicherten die Sicherheit, dass es sich um Apotheken handelt, die dem Standard einer Präsenzapotheke entsprechen.

Aus den genannten Gründen sind wir grundsätzlich für den Versandhandel mit Arzneimitteln, aber gegen die damit verbundene Pick-up-Problematik.

Mit freundlichen Grüßen

Paul Lehrieder MdB

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