Frage an Paul Lehrieder von Doris S. bezüglich Jugend
Seh geehrter Herr Abgeortneter Lehrieder,
erlauben Sie mir folgende Frage, die mich nun schon seit geraumer Zeit beschäftigt.
Im Medium Fernsehen, werden immer häufiger Spielfilme und Werbeaufnahmen gezeigt, in denen ganz kleine Kinder - vom Säuglingsalter bis zum Kleinkindalter- mit einbezogen werden.
Oft schreien uned weinen die Babys -werden schlafend aus ihren Bettchen gerissen, wildfremden Leuten weinend in den Arm gelegt und sind mit Sicherheit langen Sequenzen gleisenden Scheinwerfern und Aufnahmeteams ausgesetzt.
Meine dezidierte Frage: Wer kontrolliert diese Art von Kindervermarktung? Gibt es im Familienministerium irgendwelche Richtlinien, die genau diese speziellen "Nischen" des Jugendschutzes ansprechen und wenn ja, wie werden Fernsehen und Werbebranche in dieser Richtung kontrolliert?
Für ein aufklärendes Wort, wäre ich Ihnen äußerst verbunden.
Mit freundlichen Grüßen
Doris Schürmann
Sehr geehrte Frau Schürmann,
für Ihre Anfrage zur Mitwirkung von Säuglingen und Kleinkindern in Spielfilmen und Werbeaufnahmenzum, die mich über abgeordnetenwatch erreicht hat, danke ich Ihnen sehr herzlich.
Zu Ihren Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Nach Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland (GG) werden neben dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Meinungsverbreitung gleichrangig die Rundfunk- und die Pressefreiheit gewährleistet. Nach den leidvollen Erfahrungen der Vergangenheit war es Ziel der Verfasser des Grundgesetzes, die Medien im Interesse von Freiheit und Demokratie vor jeglicher staatlicher Einflussnahme zu bewahren. Ein freier, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkter, keiner Zensur unterworfener Rundfunk und eine ebenso konstituierte Presse sind ein Wesenselement des freiheitlichen Staates. Die in der Verfassung garantierte Rundfunk- und Pressefreiheit gewährt den Medienanbietern das Recht, ihre Programme frei von staatlicher Einflussnahme zu gestalten.
Allerdings finden auch Medieninhalte ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze - etwa des Strafrechts -, in den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
Mit den gesetzlichen Regelungen des Jugendmedienschutzes soll verhindert werden, dass Kindern oder Jugendlichen der Zugang zu Medien ermöglicht wird, deren Inhalte geeignet sind, die Entwicklung oder Erziehung der Minderjährigen zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu beeinträchtigen, d.h. negativ zu beeinflussen. Entsprechende Vorschriften finden sich - außer im Strafgesetzbuch - im Wesentlichen im Jugendschutzgesetz (JuSchG) des Bundes und im Staatsvertrag der Bundesländer über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag - JMStV). Während das JuSchG des Bundes den Jugendschutz in Trägermedien (Druckschriften, Filme, Videokassetten, CD-ROM etc.) regelt, enthält der JMStV der Länder spezielle Regelungen zum Jugendschutz im Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen) und in sog. Telemedien (vor allem Online-Angebote). Dazu gehören auch Vorschriften, die den Jugendschutz in der Werbung betreffen (vgl. § 6 JMStV).
Da das inländische Rundfunkwesen (Hörfunk und Fernsehen) in die Zuständigkeit und Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt, obliegt diesen die Ausgestaltung der Rundfunkordnung und die Durchsetzung der entsprechenden Vorschriften. Für die Aufsicht über private Rundfunkanbieter sind die Landesmedienanstalten zuständig. Bei ihnen wurde eine gemeinsame Stelle - die "Kommission für Jugendmedienschutz" (KJM) - eingerichtet, die für die Landesmedienanstalten die Einhaltung der Bestimmungen des JMStV überprüft. Die Aufsicht im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird durch interne Gremien ausgeübt, die Länder führen hier eine (beschränkte) Rechtsaufsicht.
Medieninhalte sind unter dem Aspekt des Jugendmedienschutzes daraufhin zu prüfen, ob ihre Wahrnehmung durch Kinder und Jugendliche einen jugendschutzrelevanten Einfluss auf diese Personengruppe hat. Zu den Angeboten, die der JMStV als absolut unzulässig einstuft (vgl. § 4 JMStV), gehören auch solche, die gegen die Menschenwürde verstoßen (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 8 JMStV). Bei einem Einsatz von Kindern und Jugendlichen als Darsteller kann im Einzelfall zu prüfen sein, ob deren Mitwirkung bzw. Darstellung den konkreten Umständen nach einen solchen Verstoß darstellt.
Darüber hinaus sind Fragen des Schutzes von Kindern und Jugendlichen als Mitwirkenden an einem Medienangebot insbesondere nach den Bestimmungen des Arbeitsschutzes und des allgemeinen Jugendschutzes zu beurteilen. Eine Schutzwirkung entfalten auch strafrechtliche Vorschriften.
Seinem Schutzzweck entsprechend enthält das Jugendarbeitsschutzgesetz ein grundsätzliches Verbot der Beschäftigung von Kindern (Personen unter 15 Jahre). Von diesem Verbot gibt es nur wenige Ausnahmen. So kann die Arbeitsschutzbehörde unter strengen Voraussetzungen Ausnahmen bewilligen für die gestaltende Mitwirkung von Kindern ab 3 Jahren in den Medien.
Für Kinder unter 3 Jahren gibt es keine Ausnahme vom Beschäftigungsverbot. Werden Kinder dagegen z. B. lediglich in ihrer natürlichen Lebensäußerung beim Gehen, Stehen, Liegen, Essen, Schlafen und Spielen o. ä. fotografiert oder gefilmt, ist dies nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz nicht verboten, da in der Regel keine Beschäftigung im Sinne des Gesetzes vorliegt.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat auf Fachebene eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern zur Überprüfung des Jugendarbeitsschutzgesetzes eingerichtet. Ein Schwerpunkt der bisherigen Beratungen ist das Thema "Kinderarbeit im Kultur- und Medienbereich". Dabei wird auch zu prüfen sein, inwieweit bei dem "Einsatz" von Säuglingen und Kleinkindern in Fernsehsendungen die Schutzvorschriften des Jugendarbeitsschutzgesetzes greifen. Dabei wird es auch um Maßnahmen gehen, wie bestehende Schutzlücken durch ergänzende Regelungen geschlossen werden können. Die Arbeitsgruppe wird ihre Beratungen voraussichtlich Ende 2009 / Anfang 2010 abschließen. Auf der Basis der Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe wird die Bundesregierung über das weitere Vorgehen entscheiden.
Wenn es um Werbung geht, so hat der Deutsche Werberat Verhaltensregeln für die Werbung mit und vor Kindern im Hörfunk und Fernsehen aufgestellt.
Eine wichtige Aufgabe obliegt in diesem Zusammenhang auch den Eltern. Im Rahmen ihrer nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz garantierten Erziehungsverantwortung haben Eltern nicht nur die Pflicht, die Entwicklung ihres Kindes nach Kräften zum fördern, sondern auch, sie vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen. Maßstab und Richtschnur ist dabei das Kindeswohl. Deshalb gilt es, dass Eltern als die primär für die Erziehung verantwortlichen Personen, Kinder und vor allem Säuglinge nicht ohne Not Risiken und Gefahren für ihre weitere Entwicklung aussetzen. Im Einzelfall werden Jugendämter auch zu prüfen haben, ob und inwieweit, Angebote von Hilfen oder weitergehende Maßnahmen zum Schutz von Kindern geboten sind.
Mit freundlichen Grüßen
Paul Lehrieder MdB