Frage an Paul Lehrieder von Markus F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Lehrieder,
wie werden Sie sich in der Debatte über den §218 positionieren? Werden Sie den Entwurf der Abgeordenten Sensburger/Dörflinger zur ausnahmslosem Verbot des assestierten Selbstmords vorab mit Ihrer Unterschrift und dann mit Ihrer Stimme unterstützen? Oder sind Sie für eine weitere Aufweichung des Lebensschutzes (nach der des §217) und damit der wichtigsten Schutzaufgabe des Staates? Steht für Sie ein verdrehtes Verständnis von Selbstbestimmung, welches jegliche soziale Bindung ignoriert, höher als der Schutz der Alten und Kranken, auf die der Druck zum sozialverträglichen Ableben bei Freigabe des Selbstmords steigen wird?
Sehr geehrter Herr Fahrer,
herzlichen Dank für Ihre Zuschrift bzgl. der aktuellen Debatte zum Thema Sterbehilfe.
Unsere Gesellschaft wird älter. Der medizinische Fortschritt ermöglicht es uns, viele Krankheiten zu heilen oder zu lindern und so unser Leben zu verlängern. Es gibt aber leider noch immer Krankheiten, die nicht heilbar sind und das Leben des Erkrankten früher oder später unweigerlich zum Ende bringen. Gerade diese letzte Phase einer schweren Krankheit erfüllt viele Betroffene mit Angst – vor Schmerzen, vor dem Verlust der Selbstständigkeit und der Lebensqualität. Aus meiner Sicht ist es besonders wichtig, dass sterbende Menschen in der letzten Phase nicht allein gelassen werden. Eine gute Palliativversorgung ist unerlässlich und ihr Ausbau sollte vorangetrieben werden. Mit der richtigen Betreuung und Medikation kann man einen Großteil der Schmerzen lindern und in Form von Palliativ- und Hospizbetreuung dafür sorgen, dass Menschen Abschied nehmen können, ohne allzu großem Leid ausgesetzt zu sein.
Die Frage, wie wir rechtlich mit Beihilfe zur Selbsttötung bei unheilbar Erkrankten umgehen, beschäftigt den Deutschen Bundestag schon seit einiger Zeit. In dieser Wahlperiode haben wir uns darauf verständigt, diese Frage zur Entscheidung zu bringen. Die entsprechenden Gruppenanträge dazu liegen nun vor und gehen in dieser Woche in die erste Lesung. Wir haben in unserer Fraktion die wesentlichen Argumente bereits auch im Rahmen einer fraktionsoffenen Sitzung im September 2014 intensiv diskutiert. Wir werden diese wichtige ethische Frage mit dem angemessenen Ernst und vor allem in Bewusstsein der Sorgen der unheilbar Kranken in unserem Land in Ruhe und mit Würde führen. Die zweite und dritte Lesung der Gruppenanträge wird dann im Herbst stattfinden.
Das Recht auf Selbstbestimmung des einzelnen Menschen darf auch in der letzten, schweren Phase einer todbringenden Krankheit nicht eingeschränkt werden. Daraus folgt für mich auch, dass Jemand, der für sich entscheidet, aufgrund einer unheilbaren Krankheit aus dem Leben scheiden zu wollen, diese Möglichkeit weiterhin haben sollte. Gegen eine Kommerzialisierung von Sterbehilfe und somit gegen eine gewerbs- oder geschäftsmäßige Sterbehilfe wende ich mich allerdings entschieden. Aus diesem Grund tendiere ich momentan dazu, den Gruppenantrag um die Abgeordneten Brandt, Griese u.a. zu unterstützen. Dieser Antrag setzt sich für ein strafrechtliches Verbot der geschäftsmäßigen, auf Wiederholung angelegten Suizidbeihilfe ein. Gleichzeitig soll aber eine Überregulierung vermieden werden, indem die Suizidbeihilfe durch Nahestehende oder behandelnde Ärzte wie bisher straffrei bleibt.
Dadurch ändert sich nichts an meiner grundsätzlichen Haltung: Die Hospiz- und Palliativversorgung in unserem Land soll so ausgebaut werden, dass jeder schwer kranke Mensch in der letzten Phase seines Lebens gut betreut und angemessen medizinisch behandelt wird.
Mit freundlichen Grüßen
Paul Lehrieder