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Paul Lehrieder
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Frage von Johannes F. •

Frage an Paul Lehrieder von Johannes F. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Lehrieder,

Seit einigen Monaten ist das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP in aller Munde. Wir Bürger haben sehr, sehr starke bedenken gegen diesen institutionell organisierten Angriff auf die Eckpfeiler der Demokratie. Vom Wirtschaftsminister hören wir regelmäßig für wie bedeutsam er diese Verträge hält und dass die Deutschen diesbezüglich nur zu hysterisch sein.

Während der Widerstand nicht nur in Deutschland sondern in ganz Europa immer größer wird, würde ich gerne von Ihnen wissen, in wiefern Sie sich mit diesem Thema außeinandergesetzt haben, ob Sie bereits selbst in Brüssel zur Akteneinsicht gereist sind, welche Linie Ihre Partei in dieser Frage vertritt und Stellung zu nehmen gegenüber Ihren Wählern im Wahrkreis Würzburg, die mehrheitlich gegen ein Abkommen dieser Art stimmen würden, hätten sie nur die Möglichkeit dazu.

Ich bedanke mich für Ihre offene und ehrliche Antwort!

Mit freundlichen Grüßen,

Johannes Federolf

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Federolf,

haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben, in dem Sie sich kritisch zum geplanten Freihandelsabkommen der Europäischen Union (EU) mit den USA (TTIP) äußern.

Die Förderung des weltweiten Freihandels mit fairen Standards liegt im deutschen und bayerischen Interesse. In der CSU-Landesgruppe sehen wir bei der geplanten TTIP zunächst die großen Vorteile: Das Abkommen wäre für unser exportabhängiges Land eine riesige Chance. Die Vereinigten Staaten sind auch Bayerns Handelspartner Nr. 1. Die Beseitigung von Zöllen und anderen Handelshemmnissen verbessert die Möglichkeiten unserer kleinen und mittelständischen Unternehmen im internationalen Wettbewerb. Gerade durch den Wegfall von doppelten Tests und Zertifizierungen können wir erhebliche Kosten sparen. Diese sog. nichttarifären Handelshemmnisse entsprechen nach Schätzungen allein im Bereich Automobil einem Zolläquivalent von ca. 25 Prozent. Als CSU wollen wir die Chancen von TTIP nutzen und mit dem Abkommen dem Freihandel einen ausgewogenen Rahmen setzen. Dabei sind für uns die hohen deutschen und europäischen Standards – im Arbeitsleben, beim Daten-, Umwelt- und Verbraucherschutz, bei der Daseinsvorsorge und bei der Gentechnik – nicht verhandelbar. TTIP kann vielmehr dazu beitragen, unsere hohen Standards auch zukünftig zu sichern. Sonst besteht die Gefahr, dass andere aufstrebende Wirtschaftsnationen – wie China oder Indien – die Standards setzen, denen wir uns dann anpassen müssen.

Sie befürchten vor allem eine Beschränkung des Spielraums des nationalen Gesetzgebers. Angesichts einer teilweise irreführenden Berichterstattung und der zu Beginn noch nicht ausreichenden Transparenz der Verhandlungen kann ich Ihre Bedenken nachvollziehen. Sie sind aber aus meiner Sicht unbegründet. Mit Ihren Ausführungen beziehen Sie sich wahrscheinlich auf die sog. regulatorische Kooperation. Zu diesem Kapitel des Abkommens stehen die Verhandlungen noch ganz am Anfang. Ziel ist es, unnötige Differenzen im Bereich der Regulierung abzubauen, die denselben Schutzzweck verfolgen. Erreicht werden könnte dies durch einen möglichst zeitigen gegenseitigen Informationsaustausch der Regulierungsbehörden und Gesetzgeber in Europa und Nordamerika i.S. eines Frühwarnmechanismus. Angedacht ist, jährlich eine Liste mit Anwendungsbereich und Zielen von geplanten Regulierungsvorhaben zu veröffentlichen und die zu identifizieren, die signifikante Auswirkungen auf den transatlantischen Handel haben können. Ein Regulierungsrat aus Vertretern der jeweiligen Regulierungsbehörden auf Expertenebene ohne Entscheidungsbefugnis soll ein Forum für den Austausch bilden und einen jährlichen Bericht über die Zusammenarbeit verfassen. Der Rat soll nur Empfehlungen aussprechen können und keinerlei Gesetzgebungs-, Initiativ- oder Vetorechte haben. Der politische Gestaltungsspielraum der EU und der Mitgliedstaaten beim Erlass von Gesetzen und bei Maßnahmen zum Schutz legitimer Gemeinwohlinteressen (wie z. B. Tierschutz, Umweltauflagen) auf selbst definiertem Schutzniveau würde dabei vollumfänglich erhalten bleiben. Ein solche frühe Abstimmung ist sinnvoll und wird auch jetzt schon teilweise praktiziert: So arbeiten Vertreter der EU und der USA z. B. bei Elektroautos an gemeinsamen Standards für Stecker und Ladestationen.

Eine weitere Schwächung des Einflusses der Abgeordneten und der Demokratie insgesamt befürchten Sie durch die geplanten Regelungen zu Investor-Staat-Schiedsverfahren. Einen besonderen Investitionsschutz hält die CSU-Landesgruppe in den Beziehungen zwischen hochentwickelten Rechtsräumen – wie den USA und der EU – an sich nicht für zwingend erforderlich. Viele kleinere EU-Mitgliedstaaten und auch einige Vertreter von deutschem Mittelstand und Industrie betonen aber die Vorzüge eines solchen Systems – das ja auch Deutschland in 130 Abkommen verankert hat. Gerade für mittelständische Unternehmen können Schiedsverfahren vorteilhaft sein, gegenüber Prozessen vor lokalen US-amerikanischen Gerichten. Wir sind daher der Auffassung, dass die aktuellen Verhandlungen zu einer Fortentwicklung dieses bereits seit Jahrzehnten international etablierten Instruments genutzt werden sollten. Mit einer vorbildlichen Regelung in der TTIP könnte ein globaler Maßstab geschaffen werden, um auch in Abkommen mit rechtstaatlich weniger entwickelten Staaten einen angemessenen Schutz europäischer Unternehmen vor Diskriminierung und Willkür zu ermöglichen.

Die CSU-Landesgruppe setzt sich daher für einen materiell und prozessual grundlegend reformierten Investitionsschutz ein. Es muss dabei selbstverständlich sichergestellt sein, dass die demokratisch legitimierten Akteure nicht in ihrer Handlungs- und Gestaltungsfreiheit eingeschränkt werden, die Regulierungshoheit der Staaten unangetastet bleibt und die ordentliche Gerichtsbarkeit nicht untergraben wird. Durch Fortentwicklungen im Schiedsgerichtsverfahren können wir viele berechtigte Kritikpunkte berücksichtigen und zu echten Verbesserungen kommen: etwa durch größere Transparenz (z. B. durch Veröffentlichung der Schiedsurteile, Zugang zu Verhandlungen und die transparente Auswahl von Richtern), durch Berufungsmöglichkeiten oder Schutzmechanismen vor ungerechtfertigten Klagen. Das jüngst veröffentlichte Konzeptpapier der EU-Kommission geht hier schon in die richtige Richtung.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Informationen behilflich sein.

Mit freundlichen Grüßen

Paul Lehrieder, MdB

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