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Paul Lehrieder
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Frage von nick l. •

Frage an Paul Lehrieder von nick l. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Lehrrieder,

das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 9.2.10 allen Menschen in unserem Staate das sozio-kulturelle Existenzminimum zugesprochen.

Sind Sie der Meinung, daß dies mit den derzeitigen Regelsätzen gesichert ist?

Wie verhälten Sie sich gegenüber Sanktionen - bei den doch ohnehin niedrigen Regelsätzen?
Sind Strafverfahren gegen Arge-Mitarbeiter, die Sanktionen bis zu 100% verhängen, geplant?
Die ILO-Übereinkommen Nr. C29 und C105 sowie der Internationale Pakt über bürgerliche und Politische Rechte vom 19.12.1966 sowie die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 untersagen solche Strafmaßnahmen doch eindeutig.

Mit freundlichem Gruß

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Sehr geehrter Herr Leason,

für Ihre E-Mail zum Thema "Regelsätze" danke ich Ihnen sehr herzlich.

Wie Sie sicherlich wissen, sah das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Regelleistungen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht die Höhe, sondern die Ermittlung der Regelsätze für Erwachsene und Kinder als nicht verfassungsgemäß an*. *Die Kritik der Richter bezog sich weder auf die Höhe der Regelsätze noch grundsätzlich auf* *die Anwendung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), die für die Bemessung der Regelsätze* *herangezogen* *wird.* *Es wurde grundsätzlich auch nicht beanstandet, den Regelsatz an den Ausgaben der untersten 20 Prozent der Einkommensbezieher festzumachen.

Das Bundesverfassungsgericht hielt vor allem die Bemessung des Regelsatzes für Kinder für empirisch und methodisch nicht fundiert. Dieser wurde bisher lediglich als Prozentsatz vom Regelsatz für Erwachsene abgeleitet. Erforderlich sei die Ermittlung des spezifischen Bedarfs von Kindern, der hinreichend nach Alter der Kinder differenziert werden müsse.

Es stimmt, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind knapp. Es muss aber gleichzeitig gesehen werden, dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende eine Gemeinschaftsleistung ist. Wir müssen deshalb das richtige Maß für diejenigen finden, die damit menschenwürdig leben müssen und für diejenigen, die es erarbeiten und ver­dienen müssen. Im Hinblick darauf, muss die Höhe der Regelsätze immer auch ins Ver­hältnis zu dem gesetzt werden, was diejenigen, die diese sozialen Leistungen bezahlen und die Unterstützung ermöglichen, verdienen. Das Lohnabstandsgebot ist ein wichtiger Baustein der Sozialpolitik.

Es muss auch nicht nur die Höhe des Regelsatzes, sondern die Gesamtbezüge müssen betrachtet werden: Neben den Regelsätzen beziehen die Hilfebedürftigen die Erstattung angemessener Kosten für Wohnen und Heizen. Der Bund übernimmt Kranken- und Pflegekassenbeiträge: Im Schnitt sind das 163 Euro/Monat für jeden der 3,6 Millionen Arbeitslosengeld II-Empfänger. Weitere Vergünstigungen erhalten SGB II-Empfänger - anders als Erwerbstätige mit geringem Einkommen - außerdem noch von den Kommunen und den Ländern. Dies reicht von Vergünstigungen für Leistungsempfänger im öffentlichen Nahverkehr über kostenlose Kindergartenplätze und kostenlose Mit­gliedschaften in Sportvereinen, verbilligte Eintrittskarten für Kulturveranstaltungen und freies Schulmittagessen. SGB II-Empfänger können sich zudem von den GEZ-Gebühren befreien lassen.

Ziel aller Maßnahmen muss es sein, heute und in Zukunft möglichst viele Menschen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bringen - deshalb orientieren sich die beschlossenen Maßnahmen auch an der Verbesserung der Arbeitsanreize. Es geht dabei um nicht weniger als die Basis für unseren künftigen Wohlstand und die Stabilität der sozialen Sicherungssysteme. Denn angesichts der absehbaren demografischen Ent­wicklung wird Deutschland, werden Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland darauf angewiesen sein, ein möglichst hohes Beschäftigungsniveau zu erreichen und zu halten.

Wir wollen, dass sich die Menschen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende heraus arbeiten können. Und die Chancen, auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen, sind so gut wie lange nicht mehr. Zum ersten Mal ist während und nach einer Krise die Sockel­arbeitslosigkeit nicht gestiegen. Nicht nur die Zahl der Arbeitslosen ist deutlich auf 2,9 Millionen gesunken, auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen liegt um 100.000 unter Vorkrisen-Niveau.

In den letzten vier Jahren hat sich die Zahl der Langzeitarbeitslosen auf 900.000 halbiert. Und die Prognose ist, dass sich dieser stabile Trend fortsetzen wird.

Es arbeiten viele Leistungsempfänger mit großem Fleiß. Nicht wenige wollen derzeit jedoch nur bis 800 Euro verdienen, weil sonst die Sozialversicherungsbeiträge voll vom Einkommen abgezogen werden. Derzeit sind das etwa 20 Prozent vom Brutto­einkommen. Hier setzen wir den Hebel für einen erfolgreichen Einkommensaufstieg durch Arbeit an. Bei jedem Euro Hinzuverdienst in dem Einkommensbereich zwischen 800 und 1.000 Euro bleiben künftig 1/5 mehr vom Brutto, statt wie bisher 1/10. Die Mehrkosten des verdoppelten Anrechnungssatzes liegen bei rund 250 Millionen Euro.

Neue Chancen für die Kinder auf sozialen Aufstieg müssen geschaffen werden . Neben den bereits bestehenden Leistungen (Schulbasis­paket, mehrtägige Schulausflüge) sind jetzt vorgesehen:* *Lernförderung (insbesondere Nach­hilfe), eintägige Schulausflüge, bei entsprechendem Angebot Schul- und Kitamittagessen sowie Mittel zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben (z. B. Beiträge für den Sportverein oder Musikunterricht). Dies ist ein ganz wesentlicher Teil des Gesetzentwurfes zum SGB II-Leistungsrecht. Diese Leistungen sollen diskriminierungsfrei und ohne größeren bürokratischen Aufwand ausgestaltet werden und die Teilnahme an allen vor Ort befindlichen Angeboten ermöglichen.

Im Moment laufen schwierige Verhandlungen zwischen Bundesregierung und Opposition rund um die Regelsatzreform. Unsere Fraktion wird an ihrer Linie festhalten und wir hoffen, dass die Opposition auf unsere vernünftigen Angebote eingehen wird.

Zu den von Ihnen erwähnten Sanktionen kann ich Ihnen Folgendes sagen:

In der Vergangenheit gab es wiederholt Kritik an Zielvorgaben der Bundesagentur für Arbeit zu Sanktionsquoten. Diese Kritik war häufig verbunden mit der grundsätzlichen Ablehnung von Sanktionen im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Ich bin der Auffassung, dass Sanktionen im SGB II ein wesentliches Element zur Umsetzung des Grundsatzes von Fördern und Fordern darstellen. Im Falle einer vorübergehenden Notlage werden alle notwendigen Leistungen zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums und Hilfen zur Beendigung der Notlage gewährt.

Die finanziellen Mittel hierfür bringt die Allgemeinheit durch Steuermittel auf. Mit dieser Fürsorge der Gesellschaft für den Einzelnen ist aber auch die Erwartung an jeden Einzelnen verbunden, dass er im Rahmen seiner Möglichkeiten alles dafür tut, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten.

Dieses gesellschaftlich anerkannte Prinzip ist die Grundlage jedes solidarisch angelegten Zusammenlebens und kommt in der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Grundsatz von Fördern und Fordern zum Ausdruck. Die Sanktionsregelungen unterstützen die Umsetzung von Fördern und Fordern genauso wie die umfangreichen Leistungen zur Eingliederung in Arbeit.

Mit freundlichen Grüßen

Paul Lehrieder MdB

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