Frage an Patrick Döring von Oleg B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Döring,
wieso soll Staat an die Grossunternehmen und Banken 480 Milliarden spenden?
Wenn jeder, der in 2009 ein deutsches Auto kauft, kriegt dazu vom Staat 5000 Euro Zuschlag, dann ist die deutsche Autoindustrie mit nur 5-10 Mlrd. gerettet, und die Arbeitsplätze auch. Also statt Harz-IV bezahlen, kriegt Vater Staat noch Steuer von beschäftigten.
Wenn jeder, der seine Ersparnissen im Jahr 2009 auf dem Zinsenkonto liegen lässt, kriegt vom Staat noch 2-3% Zinsenzuschlag oder einfach Kapitalsteuerbefreiung, dann sind auch die Banken ausser Gefahr. Und zwar ziemlich billig.
Wieso gibt es keine Gutscheine in der Höhe von 1000 Euro für jeden Bundesbürger, die nur für deutsche Ware und Leistungen gültig sind - dann wären deutsche Industrie, Handwerk und Handel mit nur 83 Mlrd. voll beschäftigt?
Also, wieso hilft der Staat nur denen, die eigentlich an der traurigen Lage schuldig sind?
Mit freundlichen Gruessen
Oleg Brusilovskij
Sehr geehrter Herr Brusilovskij,
vielen Dank für Ihre Frage zu der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise. Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion habe ich das Rettungspaket für die Banken unterstützt. Denn auch wenn wir im Detail verschiedene Vorbehalte haben, so sind wird doch überzeugt: Dieses Paket schützt nicht Banken und auch nicht irgendeinen Aktienkurs, sondern die Bürgerinnen und Bürger. Es schützt die Rentnerinnen und Rentner. Es schützt die Mittelständler. Es schützt die Arbeitnehmer. Es ist ein Paket, das Deutschland dient, nicht einigen wenigen. Denn bei einem Zusammenbruch des Bankensektors käme die Wirtschaft vollkommen zum Stillstand – es wäre der, das darf man so dramatisch sagen, ökonomische Super-GAU. Bereits der Konkurs nur einer einzigen Großbank, Lehman Brothers in den Vereinigten Staaten, hat einen wirtschaftlichen Schock ausgelöst, der schwer wiegende Auswirkungen auf den Kreditmarkt und damit auf die Funktionsfähigkeit auch der Realwirtschaft hatte. Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn das gesamte Bankensystem zusammenbrechen würde.
Von daher ist es richtig, einen Schutzschirm aufzuspannen, unter den sich Banken flüchten können, die in eine finanzielle Schieflage geraten. Wichtig ist dabei, dass die oft erwähnten 500 Milliarden Euro zum großen Teil Bürgschaften sind – und keine direkten Zahlungen an die Banken. Der Bund gibt in diesem Fall nur die Garantie, dass er einspringt, wenn eine Bank ihre Kredite nicht bedienen kann. Durch dieses Versprechen kann langsam das Vertrauen in den Geldmarkt zurückkehren, der für ein funktionierendes Bankensystem unerlässlich ist. Bisher hat der Bund noch in keinem Fall eine Bürgschaft einlösen müssen – diese Maßnahme hat den Steuerzahler daher bis dato vergleichsweise wenig gekostet, dafür aber einen nicht zu unterschätzenden Nutzen. Auch wenn leider die Kreditvergabe der Banken an die normalen Unternehmen noch nicht wieder so funktioniert, wie wir uns das wünschen würden.
Außerdem müssen Banken, die staatliche Hilfe in Anspruch nehmen, im Gegenzug auch einen (zeitweiligen) staatlichen Einfluss auf ihre Geschäfte tolerieren. Der Staat gibt also Geld – verlangt im Gegenzug für die Dauer der Krise aber auch Mitsprache bei den Bankgeschäften. Außerdem hat die Koalition dem Verlangen der FDP zugestimmt und dem Bundestag Mitspracherechte bei der Umsetzung des Krisenplanes eingeräumt. Der in dem Finanzmarkt-Gesetz neu aufgenommene § 10 a sieht ausdrücklich die Bildung eines Ausschusses vor, der die parlamentarische Kontrolle und Begleitung dessen zur Aufgabe hat, was jetzt die Regierung umzusetzen hat. Das ist ein wichtiger Beitrag für das Parlament und für die Gewaltenteilung.
Das Finanzmarkstabilisierungsgesetz kann allerdings nur der Anfang sein. Wir müssen dringend die Rahmenbedingungen und die Kontrollen für das Bankensystem verbessern, um die Wiederholung eines solchen Desasters zu verhindern. Aus Sicht der FDP gibt es an vielen Stellen Handlungsbedarf. Dazu gehören:
-Finanzinstitute sollten eine Mindesteigenkapitalquote haben, die in internationaler Abstimmung festgelegt werden sollte, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.
-Aktuelle Eigenkapitalhilfen im Rahmen des Finanzmarktstabilisierungskonzeptes sollten nach britischem Vorbild für große Institute obligatorisch sein, deren Kernkapitalquote unter 9 Prozent liegt.
-Ratings dürfen nicht nur von US-amerikanischen Agenturen vorgenommen werden. Die Errichtung einer unabhängigen europäischen Einrichtung z.B. nach dem Vorbild einer Stiftung Warentest sollte geprüft werden.
-Die Finanzmarktaufsicht ist bei der unabhängigen Bundesbank anzusiedeln.
-Die internationalen Bilanzierungsvorschriften sollten stärker dem Handelsgesetzbuch angenähert werden.
-Risiken dürfen nicht auf Zweckgesellschaften ausgelagert werden.
-Das weltweit zum Teil schärfste deutsche Recht zur Haftung von Vorständen von Kapitalgesellschaften muss konsequent angewandt werden.
Wir müssen aus den Fehlern der Bankenaufsicht und der Manager lernen. Doch bei aller Kritik an dem Versagen der Banken, aus denen wir lernen müssen: Das Gesetzespaket zur Stabilisierung des deutschen Finanzmarktes war aus meiner Sicht richtig – und auch unverzichtbar. Eine andere Frage ist es, was wir jetzt tun sollen, um die Wirtschaft in Deutschland wieder in Schwung zu bringen. Lassen Sie mich gleich sagen, dass ich Konsumgutscheine in keinem Fall für eine vernünftige Lösung halte. Ich finde es nicht richtig, wenn der Staat dem Bürger erst Geld aus der einen Tasche nimmt, um es ihm dann in Form eines „Gutscheines“ zurückzugeben und vorzuschreiben, dass er dieses Geld auszugeben hat. Vor allem aber führen Konsumgutscheine allenfalls zu einem Strohfeuer: Angesichts der auf uns zu rollenden Krise würden die meisten Menschen das Geld nicht zusätzlich ausgeben, sondern einfach einige Ausgaben vorziehen und dann später einfach weniger ausgeben.
Die Frage bleibt natürlich: Was tun wir stattdessen? Das bisherige Konjunkturpaket der Bundesregierung überzeugt ja leider kaum: Es ist ein Sammelsurium an Maßnahmen, die wenig oder gar keinen Effekt bringen werden. Die meisten Präsente, die von der Bundesregierung etwas vor der Zeit unter den Weihnachtsbaum gelegt wurden, waren lange geplant. Der Effekt der wenigen neuen Maßnahmen wiederum ist allenfalls marginal. Die Aussetzung der Kfz-Steuer wird nur zu Mitnahmeeffekten führen. Auch die zusätzlichen Investitionen in die Infrastruktur sind zwar begrüßenswert – aber mit einer Milliarde Euro mehr werden wir die deutsche Wirtschaft, geschweige denn die Weltkonjunktur, kaum retten. Ich bin auch skeptisch, ob die jetzt in Rede stehenden zusätzlichen Investitionen von Bund und Ländern, so richtig und wichtig sie für die Erhaltung und Entwicklung unserer Infrastruktur sind, den erhofften stabilisierenden Einfluss auf die Konjunktur haben werden. Binnen kurzer Zeit wird dadurch die Neuverschuldung ins Gigantische aufgebläht.
Es fehlt meines Erachtens in dieser gesamten Diskussion eine ordnungspolitische Linie der Regierung: Es wird so getan, als könne man die Konjunkturkrise bereits alleine dadurch bewältigen, dass der Staat möglichst schnell maximale Nachfrage erzeugt. Dabei wird die wichtigste Ressource für die Stabilisierung unserer Ökonomie vollkommen vernachlässigt: Das Engagement und die Leistungsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger.
Das gilt auch und insbesondere im Baubereich und in den Kommunen. Eine schnelle Reform des Steuerrechts würden nicht nur den Konsum ankurbeln, sondern vor allem auch die kleinen und mittleren Unternehmer in unseren Städten und Gemeinden das Leben erleichtern, die hier Arbeitsplätze schaffen und wesentlichen Anteil an der Lebendigkeit und Leistungsfähigkeit unserer Kommunen haben. Hier könnte man Leistungsreserven freisetzen, die derzeit durch mangelnde Finanzkraft blockiert werden. Durch klare ordnungsrechtliche Maßnahmen wie zum Beispiel eine vorsichtige Reform des Mietrechts könnten Hindernisse für die energetische Sanierung von Millionen Mietswohnungen beseitigt werden. Damit wäre dem Klima und der Wirtschaft gleichermaßen gedient. Man könnte auch darüber nachdenken, im Fall betriebsbedingter Kündigungen die Abfindungen der gekündigten Mitarbeiter gänzlich steuerfrei zu stellen – dadurch würde die finanzielle Sicherheit der Menschen erhöht und vielleicht sogar in manchen Fällen die ökonomische Grundlage für die Gründung eines eigenen Unternehmens geschaffen. Durch Vereinfachungen in Ausschreibungsverfahren und die Verkürzung des Planungsprozesses könnten Investitionsmaßnahmen beschleunigt werden – warum zum Beispiel braucht die Deutsche Bahn AG zwei Jahre, bis sie neue Projekte zur Umsetzung bringen kann? Hemmnisse für Investoren müssen gesenkt und Kooperationen zwischen Kommunen erleichtert werden. So können Investitionen beschleunigt und der Handlungsraum für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland erweitert werden!
Auch müsste der Bund seine Investitionspolitik neu ausrichten. Investitionen sind schließlich kein Selbstzweck, sondern sollten einen möglichst hohen volkswirtschaftlichen Mehrwert erbringen. Ich habe es deshalb sehr bedauert, dass Minister Tiefensee den Vorstoß der Kanzlerin, bei den zukünftigen Investitionen demnächst auch stärker die westdeutschen Kommunen in den Blick zu nehmen, abgelehnt hat. Denn der Nachholbedarf im Westen ist immens: Das Deutsche Institut für Urbanistik schätzt die in westdeutschen Kommunen notwendigen Investitionen bis 2020 auf 545 Milliarden Euro! Ich finde die Initiative von Frau Merkel daher richtig: Es geht nicht darum, Ost gegen West auszuspielen, sondern darum, eine einfache und jedermann verständliche Regel politisch umzusetzen: nach Bedarf und nicht nach Himmelsrichtungen zu investieren. Auch bei dieser Vorgabe werden die neuen Bundesländer nicht zu kurz kommen, im Gegenteil. Aber offenbar möchte Tiefensee lieber im Osten Stimmung gegen die Kanzlerin anstatt gute Politik für ganz Deutschland machen.
Auch jenseits zusätzlicher staatlicher Ausgaben gibt es von daher meiner Ansicht nach viel Spielraum, um dafür zu sorgen, dass die deutsche Wirtschaft stabil bleibt. Leider ist auf dieser ordnungspolitischen Seite bisher wenig geschehen – gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion werde ich mich jedoch dafür einsetzen, dass sich dies ändert.
Mit freundlichen Grüßen
Patrick Döring, MdB