Frage an Patrick Döring von Walter M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Döring,
Sie haben sich bisher in diesem Forum bereits geäussert zum Thema der Euro-Rettung von Schuldnerländern.
Jetzt gerät die Diskussion in den Medien zu diesem Thema in eine weitaus brisantere Dimension. Unser Finanzminister hat sich laut REUTERS, heute 11.55 wie folgt geäussert: " Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist prinzipiell bereit, für die langfristige Stabilität der Eurozone nationale Souveränitätsrechte nach Brüssel abzugeben."
Ich zitiere dazu die FAZ : " Die Idee einer losen Währungsunion ist gescheitert, die Finanzmärkte spielen verrückt - jetzt soll die Wirtschaftsunion kommen. Weil sie nicht organisch entstehen wollte, wird sie eben zentral von oben durchgesetzt. Da kann einem schon mulmig werden".
Weiterhin in diesem Artikel: "Wenn solche Vorschläge für Europa präsentiert werden, scheint das aber niemanden zu stören. Es ging kein Aufschrei des Entsetzens durch den Bundestag, als Merkel und Sarkozy ihre Initiative diese Woche präsentierten. Das kann nicht nur an der Ferienzeit gelegen haben. Die Abgeordneten müssen sich regelmässig vom Verfassungsgericht über ihre Rechte in Europa belehren lassen, - von selbst interessieren sie sich nicht dafür. Deshalb, nur zur Erinnerung, ein Satz aus dem Lissabon Urteil, gerade 2 Jahre alt: es würde das Demokratieprinzip und das Wahlrecht zum Bundestag schwer verletzen, "wenn die Festlegung über Art und Höhe der den Bürger betreffenden Abgaben in wesentlichem Umfang supranationalisiert würde".
" Was der deutsche Staat den Bürgern abknöpft und wie er seine Einnahmen umverteilt, ist Kern nationaler Politik. Darum muß in Wahlkämpfen gerungen werden. Denn hier geht es um Entscheidungen verfassungspolitischen Ranges, nicht um exekutive Prozess-Steuerung."
Meine Frage an Sie lautet: sind Sie der gleichen Meinung wie Herr Schäuble, daß Euro-Rettung Vorrang hat vor allem anderen, auch dem Demokratieprinzip?
Mit freundlichen Grüßen,
Walter Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für ihre Frage.
Der Euro ist für die Zukunft Deutschlands von herausragender Bedeutung - trotzdem dürfen wir bei den bevorstehenden Anstrengungen zur Rettung unserer Währung nicht alle Grundsätze und Prinzipien über Bord werfen. Die FDP hat in den vergangenen Wochen immer wieder deutlich gemacht, dass wir eine Aushöhlung des Haushaltsrecht des Deutschen Bundestages nicht akzeptieren werden. Wir lehnen deshalb die Einführung von Euro-Bonds genauso ab wie eine unkontrollierte Ausweitung des Europäischen Stabilitätsmechanismus. Jede Grundsatzentscheidung über Hilfen an andere Euro-Staaten muss auch in Zukunft im Deutschen Bundestag getroffen werden. Eine Entmachtung des Parlaments und damit die Aushöhlung des Demokratieprinzips ist schlicht und ergreifend mit uns nicht machbar.
Das Gleiche gilt auch für die aktuelle Diskussion über die Delegation weiterer natio-naler Kompetenzen auf die europäische Ebene. Ich halte es ausdrücklich für den falschen Weg, jetzt die Wirtschaftspolitik aller Euro-Staaten in Brüssel steuern zu lassen. Wir wollen auch in Zukunft ein Europa der Vielfalt und des Wettbewerbs. Was wir aber sicherlich brauchen, ist ein neuer Stabilitätspakt mit starken Kontroll- und Sanktionsmechanismen. Denn die Ursache der jetzigen Krise liegt unter ande-rem auch darin, dass die bestehenden Regeln nicht beachtet wurden. Dazu hat die FDP-Bundestagsfraktion zuletzt auf ihrer Klausur in Bensberg entsprechende Be-schlüsse gefasst. Auch über eine Verschärfung des Regelwerkes müssen wir nachdenken - Wirtschaftsminister Rösler hat dazu zum Beispiel die Einführung einer Schuldenbremse in die Verfassung aller Euro-Staaten und ein strengere Verschuldungsobergrenze in die Diskussion gebracht.
Um über die Einhaltung dieses gemeinsamen Regelwerks zu wachen, brauchen wir auch entsprechend starke Institutionen in Europa. Wenn Herr Schäuble das auch will, steht die FDP sicher an seiner Seite - für eine faktische Entmachtung der europäischen Demokratien stehen wir hingegen nicht zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Patrick Döring MdB