Frage an Patrick Döring von Jörg A. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Döring,
meine Fragen zu 3) und zu 4) haben Sie nicht beantwortet. Das kann auch der lange "Antworttext" nicht verbergen, der außerdem zu folgenden Nachfragen Anlass gibt:
1. Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie den Bruch des No-Bail-Out-Verbots für alternativlos halten ?
2. Was veranlasst Sie zu der Einschätzung, künftig werde sich irgendein Politiker an neue EU-rechtiche Vorschriften, wie z.B. einen von Ihnen erwähnten neuen Stabilitäts- und Wachstumspakt halten, nachdem doch gerade fortlaufend das Haftungsverbot (Art 125 ) verletzt wird?
3. Wäre es nicht ehrlicher, den Bürgern zu sagen, dass auch mit der bisherigen Griechenlandhilfe vornehmlich Banken gestüzt wurden?
4. Wurde Art 125 VAEU nicht gerade für die Fälle übermäßiger Schulden und daraus resultierender Zahlungsschwierigkeiten von EU-Staaten geschaffen und hätten die Verfasser der "No-Bail-Out-Regelung" (Keiner haftet für keinen) dann nicht vorhersehen müssen, dass es niemals eine Alternative war, Schuldenstaaten nicht mit -u.a.deutschen- Steuergeldern zu unterstützen?
Mit freundlichen Grüßen
Addicks
Sehr geehrter Herr Addicks,
vielen Dank für ihre Nachfrage.
Es gibt in der Politik immer Alternativen. Allerdings habe ich, in der konkreten Entscheidungssituation im Mai 2010, die noch zur Wahl stehenden Optionen - sprich: den Verzicht auf eine solidarische Unterstützung Griechenlands und in der Folge anderer Euro-Länder und damit das Risiko eines Zusammenbruchs der Währungsunion - nicht für verantwortbar gehalten. Andere Alternativen bestanden zu diesem konkreten Zeitpunkt nicht mehr.
Hätte man auf europäischer Ebene frühzeitiger auf die sich abzeichnende Schuldenkrise Griechenlands reagiert und wäre bereits im Januar der FDP-Forderung gefolgt, einen Konkursmechanismus auch für Staaten zu entwickeln, hätte es im Mai vielleicht auch noch andere Optionen gegeben. Dazu waren die große Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten (und, wenn Sie sich der damaligen Debatte entsinnen, auch andere Teile der Bundesregierung) nicht bereit. In der Politik können wir uns aber leider nichts dafür kaufen, dass wir Recht gehabt haben, sondern müssen in der konkreten Situation eine verantwortungsvolle Entscheidung treffen. Und in der Abwägung habe ich mich, wenn auch nicht leichten Herzens, dafür entschieden, den Euro-Hilfen zuzustimmen. Die zu diesem Zeitpunkt noch zur Wahl stehenden Alternativen hielt ich damals - und auch heute - nicht für verantwortbar.
Jetzt kommt es aber darauf an, daraus zu lernen - und eben auch bei den Verhandlungen über den ESM-Vertrag darauf zu dringen, dass z.B. die privaten Gläubiger an den Kosten einer Rettung beteiligt werden, sprich: dass wir faktisch einen entsprechenden "Konkursmechanismus" entwickeln. Das ist die Aufgabe des Augenblicks - und dafür setzt die FDP sich mit aller Kraft in der Bundesregierung und in Europa ein.
Dass es bei der Entscheidung über einen Euro-Rettungsschirm nicht zuletzt auch um die Stabilisierung der europäischen Großbanken ging, habe ich ja bereits in meiner letzten Antwort geschrieben - und habe auch kein Problem, dies zu wiederholen: Ein Zusammenbruch Griechenlands gefährdete nicht nur den Euro, sondern auch die Kreditwürdigkeit der stark in Staatsanleihen engagierten europäischen Großbanken. Die Griechenland-Krise hätte deshalb beinahe zu einem Zusammenbruch des Interbankenhandels, zu einem Kollaps des Zahlungsverkehrs und im Endeffekt zu einer Kernschmelze des europäischen Bankensystems geführt. Das schlechte Risikomanagement der Banken, das zu dieser Situation geführt hat, können wir natürlich beklagen ( - sollte dabei allerdings die ambivalente Rolle der amerikanischen Rating-Agenturen nicht ganz aus dem Blick verlieren). Aber bei aller berechtigten Kritik an den Banken: Den Zusammenbruch des europäischen Bankensystems und damit eine massive Wirtschaftskrise und unabsehbare Einlageverluste gerade bei Kleinanlegern in Kauf zu nehmen - das wäre in meinen Augen keine verantwortbare Entscheidung gewesen.
Was ihre Frage nach der Verlässlichkeit von Verträgen anbelangt: Natürlich ist nach den jüngsten Erfahrungen eine gewisse Skepsis angebracht. Gerade deshalb wer-ben wir ja auch für quasi-automatische Sanktionen, um sicher zu stellen, dass bei Vertragsverletzungen tatsächlich auch die Strafe auf dem Fuße folgt - und diese nicht, wie in der Vergangenheit, durch politische Entscheidungen ausgehebelt wer-den können. Das wird eine wesentliche Rolle bei der Weiterentwicklung der EU und der Eurozone im Rahmen des "Euro-Plus-Paktes" spielen. Der Euro-Plus-Pakt muss, das hat die FDP auch auf ihrem Bundesparteitag noch einmal bekräftigt, zu einem wirksamen Instrument der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Stabi-litätskultur der EU ausgebaut werden. Dazu gehören besonders die Einführung nationaler Schuldenbremsen, Reformen in den Sozialsystemen und Privatisierungen. Der Euro-Plus-Pakt ist in den europäischen Überwachungsprozess einzubinden. Alle Staaten der Eurozone benötigen Konzepte für die Restrukturierung ihrer Banken, einschließlich der Finanzierung eines Rettungsfonds (Bankenabgabe). Es gilt, was ich auch bereits in meiner letzten Antwort geschrieben haben: Wir dürfen jetzt nicht den Fehler machen, und die Diskussion über den Euro auf die Frage reduzieren, ob und wenn ja wie wir den zukünftigen Stabilitätsmechanismus ausgestalten. Wir müssen zugleich alles dafür tun, dass eine solche Krise sich in Europa nicht wiederholen kann. Europa ist derzeit eine große Baustelle. Die FDP beteiligt sich dabei sehr konstruktiv, um das gemeinsame Haus auf eine solide Grundlage zu stellen. Für nationale Einzelgänge, die am Ende den Prozess der europäischen Einigung in Frage stellen, stehen wir nicht zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Patrick Döring MdB